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Wagniskapital fürs Münsterland
Finanzierungen für Start-ups in der Gründerphase sind durchaus vorhanden – aber was ist in der Wachstumsphase? – Ein regional orientierter Venture-Capital-Fonds will hier Abhilfe schaffen. | Text: Daniel Boss
Mit den positiven Assoziationen, mit denen der fünfte Monat im Jahr verbunden wird, spielt der Name „May Ventures“ für den VC-Fonds. „Er steht für Aufbruch, für Wachstum“, sagt Maximilian Derpa. Zusammen mit Dominik Lohle hat er im vergangenen Jahr den gleichnamigen Venture-Capital-Fonds ins Leben gerufen. Venture Capital, oder auch Wagniskapital, finanziert junge, risikoreiche Unternehmen, auch Start-ups genannt. „Wir kennen uns schon seit Jahren, haben viel Erfahrung gesammelt und möchten einen entscheidenden Beitrag für das Startup-Ökosystem leisten“, so Derpa.
Ziel des Duos ist es, Wagniskapital bereitzustellen „für zukünftige Generationen an Start-up-Unternehmer, die erfolgreiche Technologieführer in unserer Heimatregion schaffen“. Damit meinen sie das Münsterland sowie Ostwestfalen-Lippe und den Raum Osnabrück. „Diese Region hat viele erfolgreiche Unternehmen hervorgebracht. Sie hat ein starkes Forschungs- und Start-up-Ökosystem“, so Derpa. Das Problem: „Es fehlt an ausreichend VC-Kapital aus der Region.“

Tatsächlich klagen gerade Start-ups über Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Ideen. Das Risiko digitaler Geschäftsmodelle ist für Banken schwer zu bewerten. Außerdem fehlt es jungen Unternehmen logischerweise an vertrauensbildenden Elementen wie einer längeren Historie. „Neben öffentlichen Fördermaßnahmen müssen private Investitionen stärker mobilisiert werden, um Innovationen zu entwickeln“, weiß auch Sven Wolf, Geschäftsbereichsleiter Unternehmensförderung bei der IHK Nord Westfalen. „Während die Finanzierungsbedingungen für Startups in der Gründungsphase durchaus vorhanden sind, fällt Deutschland bei der Wachstumsfinanzierung und damit der Skalierung innovativer Lösungen und Geschäftsmodelle im globalen Vergleich stark ab.“ Die Einrichtung eines regionalen Fonds für Gründungen in ihren frühen Phasen könne die Situation verbessern, so Wolf. Genau dies forderte auch die IHK-Vollversammlung in ihrem Positionspapier „Mehr Mut zum Unternehmertum“.
Ökosystem für Start-ups
„Gerade im Münsterland mit seinem Digital Hub und dem Start-up-Center REACH ist in den vergangenen Jahren ein gut funktionierendes Ökosystem für Start-ups entstanden“, weiß der IHK-Experte. Ein Gründerfonds könne das noch fehlende Puzzleteil für die weitere Entwicklung der Start-up-Szene sein. „Zumal Venture Capital nicht nur finanzielle Vorteile bietet, auch von der beratenden Funktion und dem mitgebrachten Netzwerk profitieren die Start-ups enorm.“
Genau das will May Ventures laut eigener Aussage erreichen. Die Gründer, beide Mitte 30, sind schon lange erfolgreich in dem Bereich tätig. Lohle war vorher unter anderem jüngster Prokurist beim High-Tech Gründerfonds (HTGF) in Bonn, der in Deutschland als der größte und aktivste Startup-Investor gilt. Derpa verantwortete in der Schweiz als Managing Partner zwei VC-Fonds mit insgesamt 95 Millionen Schweizer Franken. „Venture Capital ist unser Herzensthema, unsere Leidenschaft“, sagt Derpa.
Während seines BWL-Studiums gründete er im Jahr 2015 mit Gleichgesinnten den Venture Club Münster (VCM), um Studierenden das Thema Start-up und Gründung näherzubringen. „Es gab einfach nichts an der Uni zu dem Thema, und darum haben wir es selbst gemacht. Wir waren mit die ersten in der Region – und der VCM hat sich bis heute sehr gut entwickelt“, freut sich Derpa. Inzwischen ist er mit seiner Frau aus der Schweiz nach Münster zurückgekehrt. „Für uns ist das Münsterland unsere Heimat. Wir fühlen uns hier sehr wohl und waren auch in unserer Schweizer Zeit immer wieder in der alten Heimat auf Besuch und haben hier 2023 geheiratet.“
Zielvolumen: 40 bis 50 Millionen Euro
Mit dem Großprojekt VC-Fonds wird nun die nächste Entwicklungsstufe für das Ökosystem angegangen. „Das Start-up-Ökosystem hat sich in den letzten Jahren grandios entwickelt. Aber wir brauchen dringend Wagniskapital vor Ort, damit die vielen klugen Köpfe nicht nach Berlin oder München abwandern, wo die Investoren sitzen, und ihre tollen Ideen mitnehmen“, so Derpa.
Das Zielvolumen von May Ventures liegt bei 40 bis 50 Millionen Euro. Um das in den kommenden Monaten des Jahres 2025 zu erreichen, laufen intensive Gespräche, unter anderem mit regionalen und landesweit agierenden Kreditinstituten. „Wir haben – Stand heute – schon sehr viele Interessenten und nicht mehr viel Platz bis zum ersten Schließen des Fonds. Ganz wichtig ist uns aber auch, Unternehmen aus der Region als Investoren zu gewinnen“, betont Derpa. „Wir wollen Start-ups und Mittelstand zusammenbringen, um beidseitigen Mehrwert zu schaffen. Etablierte Unternehmen profitieren enorm von der Innovationskraft junger Gründerinnen und Gründer.“ Fließen sollen die Gelder in neue und nachhaltige Technologien sowie Industrie-Innovationen. Themen sind unter anderem KI, Digitalisierung, Automatisierung und Robotik, aber auch Klimawandel sowie demografischer Wandel.

Risiko abgefedert
Auch Heise betont, dass NRW noch Nachholbedarf in Sachen Ökosystem habe. „In Europa sind Paris und London die Spitzenreiter, in Deutschland dominieren nach wie vor Berlin und München.“ Das hiesige Potenzial müsse verstärkt gehoben und gebündelt werden – und dafür sei Wagniskapital ein wesentlicher Faktor.
Der May Ventures Fonds hat, wie bei Finanzprodukten dieser Art üblich, einen langfristigen Horizont. Er ist als geschlossener Fonds auf eine Laufzeit von zehn Jahren ausgelegt, mit einer Investitionsperiode (in der die Investments getätigt werden) und einer Desinvestitionsperiode (in der die Investments verkauft werden) von jeweils fünf Jahren. Die Minderheitsbeteiligung an den Start-ups liegt unter 20 Prozent – sie behalten also die Kontrolle über ihre Aktivitäten.

Und wer entscheidet, in welche jungen Unternehmen und Ideen investiert wird? Nach Ansicht von NRW.Bank-Experte Heise sollte das ausschließlich dem Fond-Management überlassen bleiben. „Damit haben wir in den vergangenen 20 Jahren die beste Erfahrung gemacht.“
Aus dem Positionspapier Impulse für neues Wachstum der IHK-Vollversammlung vom März 2024:
„Neben öffentlichen Fördermaßnahmen müssen private Investitionen stärker mobilisiert werden, um Innovationen zu entwickeln. Während die Finanzierungsbedingungen für Start-ups in der Gründungsphase in Deutschland und Europa durchaus als gut bezeichnet werden können, fallen Deutschland und Europa bei der Wachstumsfinanzierung und damit der Skalierung innovativer Lösungen und Geschäftsmodelle im globalen Vergleich stark ab. Hier braucht es zum Beispiel steuerliche Anreize, etwa die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Wagniskapitalfonds oder die Vereinfachung sog. Exits, insbesondere von Börsengängen.”
„Neben öffentlichen Fördermaßnahmen müssen private Investitionen stärker mobilisiert werden, um Innovationen zu entwickeln. Während die Finanzierungsbedingungen für Start-ups in der Gründungsphase in Deutschland und Europa durchaus als gut bezeichnet werden können, fallen Deutschland und Europa bei der Wachstumsfinanzierung und damit der Skalierung innovativer Lösungen und Geschäftsmodelle im globalen Vergleich stark ab. Hier braucht es zum Beispiel steuerliche Anreize, etwa die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Wagniskapitalfonds oder die Vereinfachung sog. Exits, insbesondere von Börsengängen.”
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