Reform mit Ehrgeiz in der EU
Das Zollrecht der EU wird reformiert. Unternehmen profitieren von weniger Bürokratie und mehr Transparenz – wenn sie sich auf die digitalen Anforderungen einlassen.
Der Unionszollkodex (UZK) ist das zentrale Regelwerk für das Zollrecht der Europäischen Union. Seit seiner letzten Überarbeitung im Jahr 2016 verfolgt er das Ziel, den Warenverkehr an den EU-Außengrenzen zu vereinheitlichen, zu vereinfachen und zu digitalisieren. Doch trotz dieser Ambitionen konnte der Kodex seine Ziele bislang nur teilweise erreichen: Noch immer gibt es 111 nationale und transnationale IT-Systeme in den 27 Mitgliedstaaten, die weder interoperabel noch effizient sind – mit erheblichen Folgen für Unternehmen, die mit hohem Aufwand, hohen Kosten und mangelnder Transparenz konfrontiert sind.
In der Webinar-Reihe „#internationaltuesday“ der IHK Nord Westfalen wird es am 7. Oktober um die EU-Zollrechtsreform gehen. Hier werden die IHK-Experten Madleen Leufker und Gerd Laudwein tiefer auf die einzelnen Kernpunkte der Reform eingehen und Hinweise zur Umsetzung geben. Die Teilnahme ist kostenlos.
Angesichts dieser strukturellen Defizite und neuer Herausforderungen – etwa dem rasanten Wachstum des E-Commerce, geopolitischen Spannungen, komplexeren Lieferketten und einem steigenden Kontrollbedarf an den Außengrenzen – hat die Europäische Kommission im Mai 2023 eine umfassende Reform des UZK angestoßen. Sie basiert auf den Empfehlungen der 2022 eingesetzten „Wise Persons Group“, einem hochrangigen Expertengremium, das die Schwächen des bestehenden Systems analysiert hat.
Ziel ist es, die EU-Zollunion grundlegend zu modernisieren. Die Reform des Unionszollkodex soll ein zukunftsfähiges, einheitliches und digitales Zollsystem hervorbringen, das den Anforderungen des modernen Welthandels gerecht wird. Die geplanten Maßnahmen greifen tief in bestehende Strukturen ein – und bieten Unternehmen neue Chancen, aber auch Herausforderungen. Eine Übersicht der Kernpunkte der Reform:
Eine EU-Zollbehörde als zentrale Steuerungsinstanz
Ein zentrales Element der Reform ist die Schaffung einer eigenständigen EU-Zollbehörde (EU Customs Authority, EUCA). Diese soll künftig die Koordination der nationalen Zollverwaltungen übernehmen, insbesondere in den Bereichen Risikomanagement, Krisenreaktion und Datenanalyse. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass nationale Alleingänge bei der Zollkontrolle angesichts globaler Lieferketten und wachsender Bedrohungslagen – etwa durch Produktfälschungen, Sanktionsumgehungen oder unsichere Waren – nicht mehr ausreichen. Für Unternehmen bedeutet dies: einheitlichere Verfahren, klarere Zuständigkeiten und perspektivisch weniger Reibungsverluste im grenzüberschreitenden Warenverkehr.
Der EU Customs Data Hub: Digitalisierung als Rückgrat
Das digitale Herzstück der Reform ist der EU Customs Data Hub – eine zentrale Plattform, die die bislang 111 nationalen IT-Systeme ersetzen soll. Unternehmen werden künftig über ein einziges Portal („Single Window“) alle zollrelevanten Informationen einreichen können. Dies soll nicht nur den administrativen Aufwand reduzieren, sondern auch eine bessere Nachverfolgbarkeit von Lieferketten und eine schnellere Risikoanalyse durch die Behörden ermöglichen.
Die Einführung soll schrittweise erfolgen: Ab 2028 für den E-Commerce, ab 2032 freiwillig für alle Importeure und ab 2038 verpflichtend. Für Unternehmen bedeutet das: Wer frühzeitig in digitale Schnittstellen und Datenqualität investiert, kann von vereinfachten Verfahren und beschleunigten Abläufen profitieren.
„Trust & Check“: Neuer Status für besonders vertrauenswürdige Unternehmen
Mit der Reform wird der neue „Trust & Check“-Status eingeführt, der als Weiterentwicklung des bestehenden AEO-Status (Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter) zu verstehen ist. Während der AEO-Status, der grundlegende Vereinfachungen im Zollverfahren bietet, weiterhin bestehen bleiben soll, richtet sich der Trust & Check-Status an besonders digitalisierte und transparente Unternehmen, die bereit sind, ihre Warenbewegungen in Echtzeit an die Zollbehörden zu übermitteln.
Unternehmen mit Trust & Check-Status profitieren von weitreichenden Erleichterungen: Sie dürfen unter bestimmten Voraussetzungen ihre Waren selbst freigeben, Zollschulden später begleichen und erhalten Zugang zu vereinfachten Verfahren. Voraussetzung ist jedoch ein hohes Maß an Compliance, IT-Sicherheit und Datenqualität – Anforderungen, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Herausforderung darstellen können. Der neue Status schafft damit einen zusätzlichen Anreiz für Unternehmen, in digitale Prozesse zu investieren und sich als besonders vertrauenswürdige Akteure im europäischen Binnenmarkt zu positionieren.
Unternehmen mit Trust & Check-Status profitieren von weitreichenden Erleichterungen: Sie dürfen unter bestimmten Voraussetzungen ihre Waren selbst freigeben, Zollschulden später begleichen und erhalten Zugang zu vereinfachten Verfahren. Voraussetzung ist jedoch ein hohes Maß an Compliance, IT-Sicherheit und Datenqualität – Anforderungen, die insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Herausforderung darstellen können. Der neue Status schafft damit einen zusätzlichen Anreiz für Unternehmen, in digitale Prozesse zu investieren und sich als besonders vertrauenswürdige Akteure im europäischen Binnenmarkt zu positionieren.
E-Commerce im Fokus: Plattformen in der Pflicht
Der rasant wachsende Onlinehandel stellt die Zollbehörden vor enorme Herausforderungen. Die UZK-Reform verlagert daher die Verantwortung für die Einhaltung von Zoll- und Produktsicherheitsvorgaben auf die Verkaufsplattformen selbst. Diese sollen künftig als offizielle Importeure auftreten und bereits beim Kauf sicherstellen, dass alle Abgaben entrichtet und EU-Vorgaben eingehalten werden.
Für Verbraucher bedeutet das mehr Transparenz und weniger Überraschungen bei der Paketannahme. Für Plattformen und Händler hingegen steigen die Anforderungen an Compliance und Datenmanagement. Gleichzeitig wird die 150-Euro-Zollfreigrenze abgeschafft – ein Schritt, der gezielt gegen systematischen Betrug bei der Wertdeklaration kleiner Sendungen gerichtet ist. Die Einführung eines vereinfachten Zolltarifsystems mit vier festen Kategorien soll den Verwaltungsaufwand weiter begrenzen.
Stärkere Sanktionen und intelligentes Risikomanagement
Um die Einhaltung der neuen Regeln zu sichern, sieht die Reform eine teilweise Harmonisierung der Zollstrafen vor. Wer gegen Regeln verstößt – ob absichtlich oder fahrlässig – muss mit empfindlichen Konsequenzen rechnen.
Das Risikomanagement wird durch KI-gestützte Systeme modernisiert. Diese sollen potenzielle Gefahren wie Produktsicherheits- und Gesundheitsrisiken bereits vor dem Versand erkennen und gezielte Kontrollen ermöglichen. Für Unternehmen bedeutet das: Wer sauber arbeitet, profitiert von schnelleren Abläufen.
Die Reform setzt damit auf einen klaren Anreizmechanismus: Vertrauen gegen Transparenz.
Chancen und Herausforderungen für Unternehmen
Für Unternehmen bedeutet die Reform des Unionszollkodex zunächst Investitionen – in IT-Systeme, Datenmanagement und Compliance. Doch langfristig verspricht sie erhebliche Vorteile:
- Weniger Bürokratie: Einheitliche Schnittstellen und automatisierte Prozesse sparen Zeit und Kosten.
- Mehr Transparenz: Echtzeitdaten ermöglichen eine bessere Kontrolle über Lieferketten.
- Wettbewerbsvorteile: Vertrauenswürdige Unternehmen profitieren von schnelleren Verfahren und geringeren Abgaben.
Gleichzeitig müssen sich Unternehmen auf strengere Anforderungen einstellen – insbesondere im Bereich Datenqualität und -sicherheit. Auch die Übergangsfristen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vorbereitungen jetzt beginnen müssen.
Fazit: Ein Meilenstein für den Binnenmarkt
Die Reform des Unionszollkodex gilt als das ambitionierteste Modernisierungsvorhaben seit der Gründung der EU-Zollunion im Jahr 1968. Sie ist eine strategische Antwort auf die Herausforderungen des globalen Handels, die Digitalisierung von Lieferketten und die zunehmenden geopolitischen Spannungen. Ziel ist ein einheitliches, digitales und risikobasiertes Zollsystem, das den Binnenmarkt sowohl stärkt als auch schützt und Unternehmen effizientere Verfahren bietet.
Für Unternehmen, die frühzeitig auf die neuen Anforderungen reagieren, bietet sich die Chance, sich als Vorreiter in einem modernen europäischen Zollsystem zu positionieren.
Kontakt

Madleen Leufker