„Unterschätzter Verkehrsträger“

Die Industrie- und Handelskammern im Ruhrgebiet haben gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) eine Studie über die Bedeutung und Zukunft des westdeutschen Kanalnetzes erstellt und vorgestellt.
„Das westdeutsche Kanalnetz ist ein zentraler Bestandteil der Logistikinfrastruktur im Ruhrgebiet. Es bietet eine umweltfreundliche Alternative zum Straßengüterverkehr“, sagt Daniel Janning, IHK-Teamleiter Mobilität und Verkehr. Doch die Branche steht unter Druck. Der Anteil der Binnenschifffahrt am Güterverkehr sinkt seit Jahren – und mit dem Rückgang fossiler Energieträger verändert sich auch das Transportaufkommen.

Wasserstoff statt Kohle

Neue Chancen entstehen durch die Energiewende. Hochwertige Stückgüter und alternative Energieträger wie Wasserstoff oder LNG gewinnen an Bedeutung. Auch der Stadthafen Gelsenkirchen setzt auf Zukunft: „Der Hafen ist Teil der Klimahafen-Initiative, die die einzigartige Lage für die Transformation in Richtung Klimaneutralität nutzt“, erklärt Anatolij Buchhammer, Betriebsleiter bei GELSEN-LOG. „Geplant sind ein Elektrolyseur und eine H₂-Tankstelle auf dem letzten freien Grundstück im Hafen.“

Infrastruktur unter Druck

Die Studie identifiziert einen erheblichen Investitionsstau bei Schleusen, Brücken und Wasserwegen. Das hat Folgen für die Versorgungssicherheit: „Sprach die hohe Verlässlichkeit früher für die Wasserstraße, kann heute die zunehmende Anfälligkeit der Schleusen in den Überlegungen zur Versorgungssicherheit nicht mehr außer Acht gelassen werden“, sagt Alexander Schlegel, Bereichsleiter Produktion bei Roland Mills United in Recklinghausen. Auch digital besteht Nachholbedarf. „Wir müssen die Wasserstraßen fit für die Zukunft machen – sowohl physisch als auch digital“, betont Janning. „Nur mit modernen Infrastrukturen können wir die Potenziale der Binnenschifffahrt voll ausschöpfen.“

Fachkräfte und Flächen im Fokus

Neben der Infrastruktur steht auch der Fachkräftemangel im Mittelpunkt. Der demografische Wandel verschärft die Situation, gleichzeitig wächst der Nutzungsdruck auf Flächen entlang der Wasserstraßen – durch Wohnungsbau, Freizeit und Industrie. Die Studie empfiehlt, Hafenflächen strategisch zu sichern und neue Gütergruppen zu erschließen. Autonome Kleinschiffe könnten künftig die „letzte Meile“ übernehmen, während der Ausbau des kombinierten Verkehrs als Schlüssel zur Effizienzsteigerung gilt.

Politische Unterstützung gefordert

Landtag NRW in Düsseldorf
© janvier/AdobeStock
Bei der Vorstellung der Studie im Landtag NRW forderten die IHKs schnelle Entscheidungen. „Investitionsstau, schleppende Genehmigungsverfahren, unzureichende digitale Infrastruktur und Fachkräftemangel bremsen die Entwicklung der Binnenschifffahrt – obwohl sie als umweltfreundlicher Verkehrsträger dringend gebraucht wird“, so Janning.
Die Parlamentarische Gruppe Binnenschifffahrt lud die IHKs ein, die Ergebnisse im Verkehrsausschuss zu präsentieren. Janning mahnt: „Die Binnenschifffahrt ist ein unterschätzter Verkehrsträger mit ungenutzten Potenzialen. Wenn wir jetzt nicht handeln, verspielen wir eine zentrale Chance für eine nachhaltige Verkehrswende.“
Zum Abschluss fordert er klare Prioritäten: „Die Region verfügt über eine starke industrielle Basis und ein dichtes Wasserstraßennetz – diese Stärken müssen wir strategisch nutzen und weiterentwickeln.“