Praxis und Ratgeber

Der IHK-Reisepass für Waren

Der Warenversand außerhalb der EU wird zunehmend komplexer, immer mehr Länder führen spezielle Zoll- und Einfuhrbestimmungen ein. Das Carnet A.T.A.-Verfahren macht die vorübergehende Einfuhr von Waren deutlich leichter. Digital läuft es jetzt noch einfacher. | Text: Janna Kuhn
Das Carnet A.T.A.-Verfahren (Admission Temporaire/Temporary Admission) ist ein internationales Zollverfahren, das die temporäre Einfuhr von Waren ohne Zollgebühren und Einfuhrumsatzsteuer ermöglicht. Es dient als Zollpassierscheinheft, das in über 40 Ländern außerhalb der EU-Staaten akzeptiert wird. Die meisten der teilnehmenden Staaten haben die drei Basisanwendungen ratifiziert, d.h., das Carnet kann ausgestellt werden für Messegut, Warenmuster und Berufsausrüstung.
  • Messe- und Ausstellungsgüter sind Waren, die auf Ausstellungen, Messen, Kongressen oder ähnlichen Veranstaltungen ausgestellt oder verwendet werden. Hierzu gehören auch Standardausrüstungen, zur Vorführung benötigte Maschinen und vieles mehr.
  • Warenmuster sind Gegenstände, die eine bestimmte Art bereits hergestellter Waren darstellen oder Modelle, deren Herstellung vorgesehen ist.
  • Berufsausrüstung meint Ausrüstungen für Montage, Erprobung, Messung, Prüfung oder Überwachung, sowie Ausrüstung für Presse, Rundfunk, Fernsehen. Ausgeschlossen sind Ausrüstungen, die der gewerblichen Herstellung oder dem Abpacken von Waren, der Ausbeutung von Bodenschätzen, der Errichtung, Instandhaltung von Gebäuden, der Ausführung von Erdarbeiten oder Ähnlichem dienen.

Ein Zollpassierscheinheft

Das Carnet ist ein internationales Zollheft, das als vorübergehender Import- oder Exportpass dient. Durch das Carnet können Unternehmen oder Einzelpersonen bestimmte Waren vorübergehend in ein Drittland einführen, ohne bei der Einfuhr Zölle oder lokale Steuern entrichten zu müssen. Die rechtliche Grundlage für das Carnet A.T.A. bietet das internationale Zollübereinkommen über das Carnet A.T.A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren. Dieses Übereinkommen erleichtert den internationalen Handel und die Mobilität von Gütern, indem es umfangreiche Zollverfahren vereinfacht.

Die IHKs bürgen

Janna Kuhn sitzt vor einer Weltkarte
Janna Kuhn ist bei der IHK Nord Westfalen für Zolldokumente wie das Carnet A.T.A. zuständig. © Stein/IHK
Mit dem Carnet müssen keine ausländischen Einfuhrabgaben (Einfuhrzoll, Einfuhrumsatzsteuer und sonstige Einfuhrgebühren) entrichtet werden. Das ist nur deshalb möglich, weil an die Stelle der sonst zu hinterlegenden Einfuhrabgaben ein „Bürgender Verband“ tritt, der gegenüber der ausländischen Zollverwaltung haftet. In Deutschland übernimmt diese Funktion die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) beziehungsweise stellvertretend die regionale IHK. Diese ist daher auch für die Ausgabe der Carnets verantwortlich. Zur Abdeckung des damit verbundenen Risikos wurde mit der Euler Hermes Deutschland Niederlassung der Euler Hermes SA ein Versicherungsvertrag abgeschlossen, der auch die Einschaltung und das Mitspracherecht von Euler Hermes beim Carnetverfahren beinhaltet.

Wie funktioniert das Carnet?

Die Handhabung des Carnet A.T.A. ist vergleichsweise einfach und effizient gestaltet. Das Carnet wird von der IHK ausgestellt. Vor der ersten Reise wird das Verfahren durch die sogenannte Nämlichkeitssicherung beim örtlich zuständigen Binnenamt eröffnet. Der Zoll vermerkt, dass die im Carnet A.T.A. gelisteten Waren mit den vorgeführten übereinstimmen. Anschließend kann die erste Reise angetreten werden. Ein Carnet besteht aus mehreren Abschnitten, die jeweils für spezifische Phasen der Reise vorgesehen sind. Bei jeder Ein- und Ausreise müssen diese Abschnitte von den Zollbehörden gestempelt und entnommen werden.
Während der gesamten Reise dient das Carnet als Nachweis und Dokumentation der vorübergehenden Einfuhr und Ausfuhr von Waren. Nach Abschluss der Reise und sobald alle Grenzübertritte bestätigt sowie die dazugehörigen Trennblätter entnommen wurden, gilt das Carnet als ordnungsgemäß erledigt. Es wird dann bei der ausstellenden Handelskammer zurückgegeben, wo es offiziell geschlossen wird. Ein Carnet A.T.A. ist maximal ein Jahr gültig. In Ausnahmefällen kann jedoch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer ein sogenanntes Anschlusscarnet ausgestellt werden, um die weitere Nutzung der Waren zu ermöglichen.

Vorteile des Zollheftes

Schnellere Zollabfertigung bei Warenversand außerhalb der EU mit dem Carnet A.T.A. © Fotolia
Ein Carnet A.T.A. vereint zwei wichtige Zollverfahren in einem einzigen Dokument: die vorübergehende Ausfuhr aus der Europäischen Union und die vorübergehende Einfuhr im Zielland. Dadurch erübrigen sich zusätzliche Zollanmeldungen und deren Begleitpapiere, was den gesamten Prozess erheblich vereinfacht. Das Carnet A.T.A. bietet eine effiziente Möglichkeit, komplexe Zollformalitäten zu umgehen. In den Einfuhr- oder Durchfuhrländern müssen keine Zölle und sonstige Abgaben mehr gezahlt oder als Sicherheitsleistung hinterlegt werden. Stattdessen bürgt die Kammerorganisation für die Wiederausfuhr der Waren. Ein weiterer Vorteil ist die beschleunigte Abwicklung an den Grenzen. Da langwierige Zollkontrollen entfallen, wird der Transport und die Logistik deutlich effizienter gestaltet. Das spart Zeit und Kosten durch Verzögerungen.
„Durch die vereinfachte Nutzung des Carnet A.T.A. wird der bürokratische Aufwand für Unternehmen stark verringert.“

Janna Kuhn, IHK Nord Westfalen


Das Carnetverfahren umfasst allerdings nicht alle Arten von Gütern, bestimmte Warenkategorien sind ausgeschlossen. Zudem ist es nicht in allen Ländern gültig. Wichtig ist es, die Wiederausfuhr von Waren ordnungsgemäß zu dokumentieren, sonst kann es zu Strafzöllen und weiteren Sanktionen kommen. Zusätzlich stellen einige Zielländer besondere Anforderungen an die Carnetunterlagen, die über die Standardvorgaben hinausgehen können. Die IHK Nord Westfalen bietet hierbei Unterstützung und Beratung, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Dokumente korrekt und vollständig vorliegen.
Antragsteller können das Carnet elektronisch bei der IHK Nord Westfalen beantragen. Das Formular wird dann von der IHK ausgedruckt und zur Abholung bereitgestellt oder per Post zugestellt. Die Internationale Handelskammer (ICC) strebt eine vollständige Digitalisierung des internationalen Zollverfahrens Carnet A.T.A. an – von der Antragstellung bis zur abschließenden Abwicklung des „Re-Imports“ der vorübergehend eingeführten Güter. Da es sich um ein internationales Verfahren handelt, ist die einheitliche Abwicklung in sämtlichen Ländern jedoch Voraussetzung, was den Prozess der vollständigen Digitalisierung komplex macht.