Praxis & Ratgeber

Wie KI die Arbeitswelt verändert

Eine Untersuchung der DIHK-Digitalisierungsumfrage unter mehr als 4000 Unternehmen zeigt, dass der Einsatz von KI in Deutschland einen regelrechten Boom erlebt: Der Anteil der Unternehmen, die bereits KI einsetzen, hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt.

Darüber hinaus plant ein weiteres Drittel der befragten Unternehmen den Einsatz von KI in der Zukunft, was einem Anstieg um 24 Prozentpunkte entspricht. Besonders deutliche Zuwächse sind in der Finanzwirtschaft und der Industrie zu verzeichnen, wo jeweils 40 Prozent der Unternehmen in den nächsten drei Jahren planen, KI einzusetzen. Die Informations- und Kommunikationsbranche bleibt weiterhin Vorreiter. Jedes zweite Unternehmen dieser Branche nutzt die neue Technologie bereits.
Auch im Münsterland und der Emscher-Lippe-Region zeigt sich: Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (53%) nutzt bereits KI-Anwendungen. Mehrheitlich handelt es sich um KI-Anwendungen zur Spracherkennung und Textgenerierung (46%) oder zur Video- oder Bildverarbeitung (25%). Herausgefunden hat das die Kommunikationsagentur pr://ip - Primus Inter Pares GmbH. Sie hat Mitte Februar die Studie

Studie zeigt: 53% der Betriebe nutzen KI-Anwendungen

Wie gehen die Unternehmen in der IHK-Region mit der Entwicklung rund um Künstliche Intelligenz um? Wird KI genutzt? Und wenn in welchen Bereichen? Was spricht für, was gegen KI? Antworten auf diese und andere Fragen gibt die Studie „KI auf dem Prüfstand“. 135 Unternehmensvertreter haben sich an der Befragung beteiligt.
„KI auf dem Prüfstand – Studie zum Umgang mit KI in Unternehmen der Region Nord Westfalen“ präsentiert, die in Kooperation mit Joepgen Kommunikations- und Marketingforschung durchgeführt und von der IHK Nord Westfalen und dem Aschendorff Verlag unterstützt wurde. 135 Unternehmen aus der Region hatten sich beteiligt.

Dr. Holger Schmidt ist Experte für digitale Ökonomie. Im Interview mit Kerstin Weidner, Teamleiterin Digitalisierung und Innovation bei der IHK Nord Westfalen, erklärt er, warum man um KI nicht herumkommen wird und wie er sich weiterbildet, um nicht überholt zu werden.
Kerstin Weidner: Wo sehen Sie Chancen für kleine und mittelständische Unternehmen, wenn es darum geht, KI gewinnbringend einzusetzen?
Dr. Holger Schmidt: Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sehe ich Effektivitäts- und Produktivitätsvorteile vor allem in der Software-Entwicklung, aber auch im Marketing und im Kundenservice.
Hier gibt es Untersuchungen am Beispiel eines Call-Centers, die belegen, dass sich der Service seit dem Einsatz von KI deutlich verbessert hat. Dafür wurde zunächst eine KI mit den Kundengesprächen erfahrener Call-Center-Agents trainiert. Neue Mitarbeiter konnten die Informationen in der KI dann in der Einarbeitung nutzen. So wurden zum einen die Einarbeitungskosten gesenkt und zum anderem die Leistungsfähigkeit der neuen Agents erhöht. In der Summe hat das die Produktivität des untersuchten Call-Centers zweistellig nach oben geschoben und die Kundenzufriedenheit deutlich verbessert.
Auch wenn es noch Zukunftsmusik ist, arbeiten alle daran, in nicht allzu ferner Zukunft einen Roboter mit Sprache steuern können. Der Roboter soll natürliche Sprache in eine Aktion umsetzen können. Und das gilt nicht nur für den Roboter in der Fabrik, sondern auch für den Service-Roboter im Haushalt oder in der Pflege. Zum Schluss soll die Mensch-Maschine-Schnittstelle so vereinfacht werden, dass nicht nur Leute mit Informatikstudium den Roboter steuern können, sondern alle. Da sind wir heute noch nicht, aber da werden wir perspektivisch in den nächsten drei bis vier Jahren hinkommen.
Weidner: Und wo sehen Sie durch KI entstehende Gefahren?
Dr. Schmidt: Aus meiner Sicht gibt es derzeit zwei Arten von Risiken bei der Anwendung von KI. Zum einen sind das die Deep Fakes, wobei Anwender Schwierigkeiten haben zu erkennen, was von der Maschine kommt und was echt ist. Das Problem sieht jeder. Es gibt Versuche, herauszufinden, wie man Inhalte kennzeichnen kann, die mit KI entstanden sind, zum Beispiel mit einer Art Wasserzeichen. Hier setzen sich gerade die Medien, darunter auch Google zusammen, um Lösungen zu finden. Ein normaler Mensch kann ansonsten nicht mehr unterscheiden, ob ein Bild echt  oder ein Deep Fake ist. Es wird eine Kennzeichnungspflicht geben müssen und das bald, denn die Entwicklung schreitet ja immer weiter voran.
Das zweite Risiko ist der Druck auf den Arbeitsmarkt, den der Einsatz künstlicher Intelligenz erzeugt. Die Produktivitätsvorteile liegen auf der Hand. Es ist nicht unrealistisch, dass Jobs entfallen oder auf eine KI übertragen werden. Es werden aber auch neue Jobs entstehen. In der Summe wird es keinen großen Effekt geben, aber es wird Druck auf den Arbeitsmarkt geben, sich weiterzubilden.
Ich befürchte, dass wir uns aus Unwissenheit heraus nicht ordentlich vorbereiten. Denn: Wenn ich keine Ahnung habe, weiß ich auch nicht, was auf mich zukommt. Wir sollten nicht so naiv sein und glauben, wir kämen auch ohne KI weiter! Meine Produktivität als Journalist ist um 20 bis 25 % hochgegangen, seitdem ich KI nutze – und das tue ich jeden Tag, zum Beispiel, indem ich KI als Suchmaschine nutze oder als Korrektur-Engine für journalistische Texte. Wir müssen uns weiterbilden, um das meiste herausholen zu können.
Weidner: Wie wird dieser Druck die Arbeitswelt verändern?
Dr. Schmidt: Es ist keine Raketenwissenschaft, KI zu nutzen. Die Einstiegshürden sind in der Zwischenzeit so niedrig, dass viele KI-Technologien nutzen können, wenn sie es wollen. Die, die es wollen, werden auch davon profitieren. Diejenigen, die sagen, „Da will ich nichts mit zu tun haben“, werden zu den Verlierern gehören.
Es gab eine große Untersuchung des Internationalen Währungsfonds, die haben das mal durchgerechnet und sagen: In hochentwickelten Ländern wie Deutschland werden 60 % von den Entwicklungen Künstlicher Intelligenz betroffen sein, davon die eine Hälfte positiv, die andere negativ, weil möglicherweise Tätigkeiten, die sie vorher gemacht haben, wegfallen werden. Der Anteil geht natürlich hoch, je höher entwickelt eine Volkswirtschaft ist.
Es wird sicherlich neue Geschäftsmodelle geben, die rein digital sind. Ist die Digitalisierung zum Beispiel an der Juristerei bisher vorbeigegangen, so hat sich auch das nun durch KI geändert. Beispiel Fluggastansprüche bei verspäteten Flügen: Ich formuliere einen Text und lasse durch KI einen Einspruchstext verfassen. Die „Maschine“ erzeugt dann den Text, mit dem ich mit der höchsten Wahrscheinlichkeit mein Geld zurückbekommen werde. Bisher hat das ein Anwalt gemacht, künftig kann das eine generative KI erledigen! So werden wir zunehmend neue digitale Dienstleistungen sehen. Die KI kann ja nicht nur Texte generieren, auch Bilder gestalten und Daten analysieren. Diese Dienstleistungen werden dann günstiger sein als die von einem Menschen erbrachte Leistung. Es wird einen Markt geben für die Maschine!
Weidner: Wie können sich Betriebe auf Einsatz von KI vorbereiten?
Dr. Schmidt: Am Ende des Tages müssen die kleinen und mittelständischen Unternehmen das tun, was alle tun: testen und ausprobieren, was geht! Wir haben zum Beispiel ganz viele Open Source Modelle, die kostenfrei genutzt werden können. Diese Modelle bieten eine einfache Möglichkeit, zu üben, ohne wahnsinnig viel Geld auszugeben. Das ist übrigens der Status, in dem sich gerade viele Unternehmen bewegen! Mit ein oder zwei Abteilungen im Unternehmen starten, dann Erfahrungen sammeln und auf andere Abteilungen im Unternehmen ausweiten. Übrigens: KI-Modelle sollten nur mit Daten trainiert werden, die dem Betrieb gehören.