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Produktion in den USA nur langfristige Option
Die USA bleiben für viele exportorientierte Unternehmen aus Nord-Westfalen ein zentraler Markt – trotz bleibender handelspolitischer Spannungen und daraus resultierender Unsicherheit. Gerhard Laudwein, Leiter der Außenwirtschaftsabteilung der IHK Nord Westfalen, erklärt im Interview, warum mittelständische Betriebe unter der aktuellen US-Handelspolitik besonders leiden und weshalb eine Verlagerung der Produktion in die USA für sie allenfalls langfristig eine Option ist. | Interview: Guido Krüdewagen
Herr Laudwein, Sie betreuen viele mittelständische Unternehmen aus Nord-Westfalen, die in den USA aktiv sind. Welche Rolle spielen Zölle für diese Firmen?
Was hat sich mit der Einführung der Strafzölle unter der Regierung Trump verändert?
LAUDWEIN: Unternehmen mussten kurzfristig ihre Lieferketten überdenken. Die Einführung von Strafzöllen, insbesondere auf Waren aus China, hat viele Mittelständler unvorbereitet getroffen. Unternehmen, die aus Effizienzgründen in Asien fertigen lassen, sehen sich plötzlich mit Einfuhrabgaben konfrontiert, die in Extremfällen sogar den Warenwert übersteigen. Für diese Firmen ist das wirtschaftlich nicht tragbar – es geht um eine echte Existenzfrage im US-Geschäft.
Warum wird die Produktion nicht einfach in die USA verlagert?
LAUDWEIN: Für große Konzerne mag das unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Mittelständische Unternehmen verfügen jedoch häufig nicht über die nötigen Ressourcen – sei es finanziell, personell oder organisatorisch. Hinzu kommt, dass das industrielle Umfeld in den USA in manchen Bereichen schlicht nicht vorhanden ist: Zuliefererketten, Maschinen, Komponenten oder auch Fachkräfte fehlen oder sind nur schwer verfügbar. Vor allem in technisch anspruchsvollen Nischenmärkten ist die notwendige Infrastruktur in Asien oft deutlich weiterentwickelt.
Die Strafzölle erhöhen die Kosten. Könnten die höheren Preise nicht an die Kunden weitergegeben werden?
LAUDWEIN: Nur begrenzt. Moderate Preissteigerungen lassen sich eventuell noch abfedern, bei Zöllen von 100 Prozent oder mehr ist das kaum möglich. Besonders im Konsumgüterbereich entscheidet häufig der Preis. Wenn Produkte aufgrund von Zöllen zu teuer werden, greifen auch die US-Verbraucher zu billigeren Alternativen, unabhängig von der Qualität.
Im industriellen Segment – etwa bei technisch anspruchsvollen Investitionsgütern für professionelle Anwender – kann sich eine US-Produktion lohnen. Dort sind die Stückzahlen kleiner, die Margen größer, und die Wertschöpfungstiefe erlaubt höhere Preise. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Massenmarkt, wo Preiselastizität und Produktionskosten stärker ins Gewicht fallen. Mittelständler kalkulieren hier sehr genau, ob eine US-Fertigung überhaupt tragfähig ist.
Im industriellen Segment – etwa bei technisch anspruchsvollen Investitionsgütern für professionelle Anwender – kann sich eine US-Produktion lohnen. Dort sind die Stückzahlen kleiner, die Margen größer, und die Wertschöpfungstiefe erlaubt höhere Preise. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Massenmarkt, wo Preiselastizität und Produktionskosten stärker ins Gewicht fallen. Mittelständler kalkulieren hier sehr genau, ob eine US-Fertigung überhaupt tragfähig ist.
Wie bewerten Sie die aktuelle Zollpraxis in den USA?
LAUDWEIN: Viele Unternehmen berichten uns von einer hohen Unsicherheit. Zolltarife ändern sich teilweise während der Verschiffung. Unternehmen wissen oft erst beim Eintreffen der Ware, welche Abgaben anfallen. Das bindet Ressourcen und erschwert jede langfristige Planung. Großunternehmen können eigene Zollabteilungen unterhalten – der Mittelstand muss das mit bestehendem Personal bewältigen.
Wie reagieren Unternehmen auf diese Herausforderungen?
LAUDWEIN: Viele Unternehmen überdenken ihre Lieferketten. Zumal auch noch Gegenzölle der EU auf US-amerikanische Waren drohen und somit auch die Beschaffung aus den USA mit Kostensteigerungen verbunden sein könnte. Ein Ausweichen auf andere Märkte, um möglichst viele Standbeine zu besitzen, ist empfehlenswert, aber nicht kurzfristig umsetzbar. Das Ziel ist, die Belastung zu minimieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.
Ist ein Rückzug aus dem US-Markt für manche Unternehmen denkbar?
LAUDWEIN: Das ist nicht unbedingt empfehlenswert. Die USA bieten nicht nur einen riesigen Binnenmarkt, sondern auch effiziente Vertriebsstrukturen. Mit wenigen Großkunden lassen sich große Volumina abdecken – das ist in Europa deutlich kleinteiliger und kostenintensiver. Viele Unternehmen halten deshalb trotz der Zölle an ihrem US-Geschäft fest, auch wenn es Anpassungen erfordert.
Die US-Politik verspricht, durch Zölle Industriearbeitsplätze zurückzuholen. Ist das realistisch?
LAUDWEIN: In der Breite ist das kaum möglich. Produktionskompetenz, die über Jahrzehnte abgewandert ist, lässt sich nicht per Zollbeschluss kurzfristig reaktivieren. In vielen Regionen der USA herrscht jetzt schon Fachkräftemangel, der sich auch in steigenden Lohnkosten ausdrückt. Deutsche Unternehmen betrachten dies als größtes Investitionshindernis.
Was erwarten Sie von der Politik?
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Gerhard Laudwein
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Redaktion Wirtschaftsspiegel