Mehr Mut, mehr Finanzmittel

Existenzgründerinnen erhalten oft noch weniger Finanzierungsmittel als männliche Kollegen. Dabei dürfen gerade Frauen gerne größer denken.
Elena-Christina Siebelt war gerade einmal 24 Jahre alt, als sie vor beinahe zehn Jahren das Hotel Residenz Bocholt von ihrer Mutter übernahm. Bereits zwei Jahre später eröffnete sie auf demselben Grundstück ein weiteres Hotel: Das Motel B hat wie das Traditionshaus 50 Zimmer, ist aber insgesamt etwas moderner und die Abläufe sind digitaler organisiert. „Mir war wichtig, dass ich nicht nur in die Fußstapfen meiner Eltern trete, sondern auch etwas Eigenes schaffe“, sagt die Geschäftsfrau. Ein großes Kapitel sowohl bei der Nachfolge als auch für die Neugründung war die Finanzierung ihrer Ideen.
Elena Siebelt steht vor ihrem Motel B in Bocholt.
Elena Siebelt vor ihrem Motel B in Bocholt © betz
„Für eine Modernisierung der Residenz und den Neubau des Motel B brauchte ich Kredite in siebenstelliger Höhe“, erinnert sich die Siebelt. Angst gemacht hat ihr das jedoch nicht: Den Businessplan hat sie sehr akribisch erstellt und mit ihrem wichtigsten Sparringspartner, ihrem Vater Ralf, mehrfach durchgesprochen. „Ich wusste daher sehr genau, was ich brauche und was sich mein Unternehmen leisten kann“, begründet sie. Zudem sei sie in einem Unternehmerinnen- und Managerhaushalt aufgewachsen. „Meine Eltern haben mich frühzeitig in Finanzierungsüberlegungen oder steuerliche Thematiken mit eingebunden.“
Die Finanzierung hat sie über Existenzgründerdarlehen (von der Kreditanstalt für Wiederaufbau) sowie über Kredite der Volksbank Bocholt gestemmt. Zu den ersten Gesprächen ist ihr Vater mitgekommen. „Allerdings weniger, weil ich als Frau männliche Verstärkung haben wollte, sondern weil ich die wirtschaftliche Erfahrung meines Vaters nutzen wollte“, so Siebelt. Letztlich hat alles reibungslos geklappt. Mit ihrer Präsentation zu Vorhaben und Kalkulationen konnte sie auf ganzer Linie überzeugen. „Basis für den Erfolg als Gründerin ist ein fester Glaube an das, was man plant und kann sowie eine gute Vorbereitung. So strahlt man die Selbstsicherheit aus, die am Ende auch Finanzierer überzeugt“, ist die Hotelinhaberin überzeugt.

Ich wusste sehr genau, was ich brauche und was sich mein Unternehmen leisten kann.

Elena Siebelt

Für Michael Meese, Teamleiter Gründung und Unternehmensförderung bei der IHK Nord Westfalen, ist Elena-Christina Siebelt ein starkes Vorbild: „Wir brauchen mehr Frauen, die gründen.“ Denn Existenz- und Start-up-Gründungen sind ein wichtiger Motor für die Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Digitalisierung in Deutschland. Die Finanzierung der Selbstständigkeit ist dafür ein entscheidender Schlüssel. Doch anders als bei der Bocholterin scheint der Kapitalzugang insgesamt für Frauen nach wie vor noch schwieriger zu sein als für Männer.

Förderung statt Wagniskapital

Die Unternehmensberatung EY kam kürzlich in einer Studie zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2024 rund 6,2 Milliarden Euro Risikokapital an von Männern gegründete Unternehmen floss, 834 Millionen an gemischte Gründerteams und gerade einmal 43 Millionen Euro an Gründerinnen. Damit sank der Anteil der nur von Frauen gegründeten Jungunternehmen am gesamten Investitionsvolumen von zwei auf ein Prozent. Eine aktuelle Studie des Instituts für Mittelstandsforschung zeigt indes zugleich: Frauen setzen zur Finanzierung öfter als Männer auf öffentliche Förderung sowie auf Freunde und Verwandte. Gründer hingegen beziehen stärker Bankkredite oder Beteiligungskapital mit ein. Die Erfolgschancen, einen Kredit zu erhalten, seien prinzipiell bei beiden Geschlechtern gleich hoch, so die Studienautoren. Gründerinnen sehen nach der IfM-Analyse indes eher als männliche Kollegen von einer Kreditbeantragung ab, weil sie vorauseilend damit rechnen, dass ihnen der Kredit nicht gewährt wird.
Viele Gründerinnen können ihre Ideen ruhig größer verkaufen.

Michael Meese, Teamleiter Gründung und Unternehmensförderung bei der IHK Nord Westfalen


„Angehende Unternehmerinnen stehen oft vor der Herausforderung, sich in einer männlich dominierten Finanzierungslandschaft zu behaupten“, weiß Pamela Kelbch, Gründerin des Human Ressource-Systemhauses „42Fusion“ und selbst Investorin. Ein entscheidender Faktor für ihren Erfolg liege darin, sich mutig und selbstbewusst in dieser Landschaft zu präsentieren – insbesondere auch in unsicheren Situationen. Dass sich Frauen generell mehr zutrauen dürfen, davon ist Michael Meese überzeugt: „Ich erlebe viele Gründerinnen, die fantastisch vorbereitet sind, tolle Ideen haben und diese ruhig größer verkaufen können.“

Gründen mit Mut, Konzept und Kreativität

Solche Gründerinnen sind auch Anna Repgen (32) und Julia Rohde (34). Die beiden Münsteranerinnen haben sich Anfang 2020 in einer ehemaligen Industriehalle in Münster auf gut 750 Quadratmetern Fläche eine Boulder-Landschaft errichtet – also künstliche Felsen, auf denen Sportler ohne Seil und Gurt klettern können. Für ihre Boulder Factory war Fremdkapital in sechsstelliger Höhe erforderlich. „Eine Summe, mit der wir bislang in unserem Leben nicht wirklich jonglieren mussten. Da hatten wir schon Respekt“, berichtet Anna Repgen. Die Mittel aufzutreiben erforderte einiges an Geduld und auch Kreativität, erinnern sich die Unternehmerinnen. Ein Mix aus Existenzgründerdarlehen, Bankkredit und einem besonderen Mietmodell hat den Start schließlich gesichert.
Anna Repgen
Anna Repgen, eine der beiden Geschäftsführerinnen der boulder factory Münster. © Möller/IHK Nord Westfalen
Dass sie als weibliches Gründungsduo irgendwie besonders sind, darüber haben sie sich zu keiner Zeit Gedanken gemacht. „Wir hatten ein gutes Konzept und konnten damit überzeugen – als Geschäftsleute“, betont Julia Rohde. Ab und an hatten die beiden zwar schon das Gefühl, von männlichen Verhandlungspartnern irgendwie auf die Probe gestellt zu werden. Aber es gab auch andere Erfahrungen: Bei ihrem Pitch im Rahmen des IHK-MentorenNetz Nord Westfalen haben sie einen sehr erfahrenen Experten als Berater gewinnen können, der von dem Auftritt des Duos auf Anhieb überzeugt war.
Kurz nach ihrer Gründung mussten die Boulderinnen erst die Coronakrise bewältigen und sich seit Kurzem gegen eine neue große Konkurrenz in Münster durchsetzen. „Bei allen Herausforderungen hilft uns, dass wir authentisch bleiben, ganzheitlich denken und pragmatische Lösungen suchen“, glaubt Anna Repgen. Durchsetzungsvermögen lasse sich lernen.
Frauen werden stärker hinterfragt.

Pamela Kelbch

Pamela Kelbch kennt beide Seiten einer Gründungsfinanzierung. Ihre HR-Beratung 42Fusion ist bereits das dritte Unternehmen, dass die 48-Jährige gegründet hat. Kernstück ist die selbst entwickelte Performance-Methode Skillploy®, die Teameffizienz, Mitarbeitermotiviation sowie Automatisierungspotenziale sichtbar machen und steigern soll. Seit Jahren ist Kelbch zugleich selbst als Business Angel aktiv und investiert – oft gemeinsam mit anderen Frauen – kleinere fünfstellige Summen in Start-ups.
Gerade in dieser Gründerszene beobachtet sie nach wie vor eine gewisse Ungleichbehandlung von Frauen- und Männerteams: „Frauen und ihre Ideen werden in den Finanzierungsrunden oft stärker hinterfragt als Männer. Sie müssen mehr überzeugen.“ Hinzu komme, dass Frauenteams mit ihrem Business häufig Themen besetzen, die oft gesellschaftlich hochrelevant sind, aber in den noch immer eher männlich dominierten Investorenkreisen bislang unterbewertet sind, weil sie als weniger wachstumsstark eingeschätzt werden: Personalthemen zum Beispiel, mentale Gesundheit oder Dienstleistungen. Wenn zwei Teams mit identischer Idee pitchen, so Kelbch, dann gewinne in der Regel das Team, das dem Investorenkreis vom Profil her am ähnlichsten ist. Und der Investorenkreis besteht meist aus Männern mit Finance- oder Tech-Hintergrund.
Kelbch will andere Gründerinnen ermutigen, sich mehr zu trauen, verstärkt (Frauen-)Netzwerke auf dem Weg in die Selbstständigkeit oder bei der Finanzierung zu nutzen und alte Glaubenssätze über Bord zu werfen: „Viele von uns haben zu oft gehört: Sei nett, sei zurückhaltend, sei angepasst – davon dürfen wir uns getrost verabschieden!“
Elena-Christina Siebelt hatte damit kein Problem. „Meine Mutter war ein großes Vorbild für mich. Die Idee, dass sich Frauen etwas nicht trauen oder Männern in unternehmerischer Hinsicht in irgendeiner Weise nachstehen könnten, kam mir nie in den Sinn.“

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