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CBAM gezähmt
Der Europäische Rat hat Ende Mai bekanntgegeben, das CO₂-Grenzausgleichssystem (CBAM) zu vereinfachen. Rund 90 Prozent der bislang betroffenen Unternehmen wären dann raus aus der Meldepflicht. Gerhard Laudwein, Leiter der IHK-Außenwirtschaftsabteilung, verbucht das als Erfolg für die IHK-Organisation.
Herr Laudwein, der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus CBAM ist seit fast zwei Jahren in Kraft. Wie beurteilen Sie die bisherige Umsetzung aus Sicht der Wirtschaft?
GERHARD LAUDWEIN: Die Idee hinter CBAM ist ja absolut richtig. Die energieintensive Industrie in der EU soll davor geschützt werden, dass die Produktion und damit die Emissionen einfach ins Ausland verlagert werden, wenn hier die CO₂-Preise steigen. Die Umsetzung allerdings war von Beginn an vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen kaum zu stemmen. Die Regelung traf die Unternehmen schon bei Importen von Allerweltsprodukten wie Schrauben, Nägeln und Muttern – und das bereits ab einem Warenwert von 150 Euro. Daraus ergab sich ein enormer bürokratischer Aufwand bei kaum messbarem Klimaeffekt. CBAM drohte zu einem Bürokratiemonster zu werden.
- Was ist CBAM?
Die EU möchte die CO₂-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 reduzieren. Ein Schlüsselelement dieses „Fit-for-55-Pakets“ ist das CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism) kurz CBAM.Unternehmen, die bestimmte emissionsintensive Waren in die EU importieren, sind ab 2026 verpflichtet, CBAM-Zertifikate zu erwerben. Diese sollen die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten Kohlenstoffpreis und dem höheren Preis der Kohlenstoffzertifikate im EU-Emissionshandelssystem ausgleichen. Betroffen sind unter anderem Einfuhren von Eisen, Stahl, Zement, Aluminium, Elektrizität, Düngemittel, Wasserstoff, in reiner oder verarbeiteter Form.Schon seit Oktober 2023 müssen Unternehmen die direkten und teilweise auch die indirekten Emissionen, die im Produktionsprozess der Güter entstanden sind, berechnen und dokumentieren. Zudem müssen sie einen vierteljährlichen CBAM-Bericht einreichen über die Menge der im EU-Ausland ausgestoßenen CO₂-Emissionen und den im Herkunftsland möglichen gezahlten CO2-Preis.Die IHK Nord Westfalen hat auf online alle wichtigen Infos und Handlungsempfehlungen zu CBAM zusammengefasst.
Was bedeutete das konkret für betroffene Unternehmen?
LAUDWEIN: Für jede betroffene Einfuhr mussten umfangreiche CO₂-Berichte erstellt werden – selbst bei Kleinstmengen. Viele Unternehmen, die gar nicht im Fokus des Klimaschutzes stehen, wurden dadurch unverhältnismäßig belastet. Das betraf nicht nur Importeure aus der Industrie, sondern auch Hochschulen, Forschungsinstitute und sogar Handwerksbetriebe.
Wie hat sich die IHK Nord Westfalen hier eingebracht?
LAUDWEIN: Wir haben uns in der IHK frühzeitig und sehr intensiv mit der Verordnung befasst. Noch vor der Anlaufphase haben wir auf die Praxisferne dieser Umsetzung hingewiesen und in einer fünfseitigen Stellungnahme auf die Auswirkungen von CBAM auf die Wirtschaft hingewiesen. Die DIHK hat vieler unserer Hinweise fast wörtlich übernommen und in einem zentralen Positionspapier der IHK-Organisation im März 2024 an die EU-Kommission adressiert. Konkret ging es um praxistaugliche Vorschläge zur Entlastung der Unternehmen.
Was genau waren Ihre Forderungen?
LAUDWEIN: Wir haben uns u.a. für folgende Punkte eingesetzt:
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Standardwerte für den CO₂-Gehalt von Produkten sollten über den Sommer 2024 hinaus genutzt werden können.
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Die Bagatellgrenze von 150 Euro war viel zu niedrig – wir forderten eine Anhebung auf 5.000 Euro oder zumindest eine Gewichtsgrenze.
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Gleichartige Waren unter 50 kg sollten zusammengefasst werden dürfen.
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Der AEO-Status eines „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ sollte bei der Registrierung als CBAM-Anmelder anerkannt werden.
Wurde diesen Forderungen entsprochen?
LAUDWEIN: Erfreulicherweise ja – zumindest in wesentlichen Punkten. Die EU hat inzwischen eine Gewichtsgrenze von 50 Tonnen pro Jahr eingeführt. Das bedeutet: Wer jährlich weniger als 50 Tonnen CBAM-pflichtige Waren importiert, fällt nicht mehr unter die Berichtspflicht. Laut EU-Kommission fallen damit rund 90 Prozent der bisher Meldepflichtigen nicht mehr unter die Verordnung. Damit ist die Belastung für viele kleinere Unternehmen erheblich gesunken – ohne den Umweltzweck zu gefährden. Denn es werden nach EU-Angaben weiterhin 99 Prozent der Emissionen erfasst.
Was ist mit der Forderung nach der Nutzung von Standardwerten?
LAUDWEIN: Auch da gibt es Bewegung: Zukünftig soll die Verwendung von Standardwerten wieder erlaubt werden, wenn keine konkreten Emissionsdaten vom Hersteller vorliegen. Das ist besonders für kleine Unternehmen eine große Erleichterung. Wir plädieren dafür, diese Mittelwerte sogar dauerhaft zuzulassen und insofern solche Unternehmen zu belohnen, die mit dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand nachweislich bessere Werte erreichen.
Und der AEO-Status?
LAUDWEIN: Hier wurde ebenfalls ein Fortschritt erzielt. Unternehmen mit dem Status des „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ (AEO) profitieren nun bei der Registrierung als CBAM-Anmelder. Die Anerkennung dieses Status kann das Verfahren beschleunigen – das war ein zentrales Anliegen der Wirtschaft und auch der IHKs.
Wie lautet Ihr Fazit zur Entwicklung rund um CBAM?
LAUDWEIN: CBAM darf kein Bürokratiemonster werden. Der Schutz des Klimas ist wichtig, aber er muss mit Augenmaß erfolgen – besonders für unsere mittelständisch geprägte Wirtschaft. Dass viele unserer Vorschläge aufgenommen wurden, zeigt: Es lohnt sich, wenn wir als IHK gemeinsam mit der DIHK konsequent die Stimme der Unternehmen erheben.
IHK-Ansprechpartner:

Gerhard Laudwein
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Redaktion Wirtschaftsspiegel