Volles Engagement für die Ausbildung
Teambuilding-Treffen, Patenschaften, Unterstützung bei schulischen Problemen – viele Unternehmen setzen sich in besonderer Weise für ihre Azubis ein.
Die Premiere war ein voller Erfolg: Die Autohaus-Gruppe Senger hatte in diesem Jahr erstmals einen standortübergreifenden Ausbildungsbeginn im Münsterland organisiert. Anfang August kamen 200 Auszubildende aus ganz Deutschland für drei Tage im „Dorf Münsterland“ zusammen, um gemeinsam in ihre Ausbildung zu starten. Das Auftaktprogramm bot Workshops, interaktive Schulungen und Freizeitaktivitäten wie Kicker, Karaoke in Fahrzeugen und Teambuilding-Spiele. Erklärte Ziele waren die überregionale Vernetzung und ein motivierender Einstieg ins Berufsleben.
Beim diesjährigen Groß-Event habe man festgestellt, dass die Gemeinschaft untereinander deutlich gestärkt wurde. „Wir haben viele motivierte, junge Menschen erlebt“, so Weitens Fazit. Auch die Rückmeldungen der Ausbilderinnen und Ausbilder seien durchweg positiv: „Die neuen Azubis kamen bestens vorbereitet in ihre Betriebe. Themen wie Werte, Verhaltensregeln oder Systemanmeldungen waren bereits bekannt und so konnten die Teams direkt in die Praxis starten. Dieses Wir-Gefühl, das gleich zu Beginn entstanden ist, hält auch im Alltag an.“ Bei Senger läuft das unter dem Hashtag „ZUSAMMENSTARK“.
Nur knapp jeder zweite Betrieb im IHK-Betrieb kann alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzen. Das zeigen die regionalen Ergebnisse der IHK-Ausbildungsumfrage aus dem Frühjahr 2025. Über 84 Prozent der Unternehmen sehen insgesamt Mängel bei der Ausbildungsreife der Bewerberinnen und Bewerber. Das betrifft schulische Basiskenntnisse in Mathematik ebenso wie das Ausdrucksvermögen, Mängel beim Sozialverhalten, eine mangelhafte Motivation und Belastbarkeit.
Aktuell bildet die Gruppe rund 580 Auszubildende an 39 Standorten mit 59 Betrieben in 17 verschiedenen Berufsfeldern aus. Die Übernahmequote von „stabil über 70 Prozent“ werten die Verantwortlichen als Beleg dafür, dass der Einsatz für die Azubis Früchte trägt. „Die Förderung junger Menschen ist bei uns seit der Firmengründung fest verankert. Mit unserer Ausbildung möchten wir nicht nur einen gelungenen Start ins Berufsleben ermöglichen, sondern auch gezielt unseren eigenen Nachwuchs aufbauen“, sagt Weiten. „Dabei begleiten und fördern wir unsere Azubis sehr intensiv und individuell.“
„Ghosting“ vermeiden
Senger zeigt exemplarisch, welch hohes Engagement Unternehmen bei der Ausbildung an den Tag legen und wie moderne Ausbildungsbegleitung aussehen kann. Zahllose Angebote und kreative Ideen sind in der Region zu beobachten. Die Bandbreite reicht von internen Schulungsprogrammen bis hin zu Ausbildungspaten, die als Schnittstelle zwischen Azubis und Ausbildenden fungieren. „Unternehmen unterstützen ihre Azubis zunehmend stärker. Eine enge Beziehung zwischen Azubi und Unternehmen verringert das Risiko von Ausbildungsabbrüchen und ,Azubi-Ghosting’“, sagt Stefan Brüggemann, Leiter der Abteilung Berufsbildung der IHK Nord Westfalen.
Stefan Brüggemann, Leiter der Abteilung Berufsbildung
Die Fuchs + Sanders Schrauben-Großhandels-GmbH + Co.KG, ein weiterer Beispielbetrieb, nutzt darüber hinaus auch die sogenannte „Assistierte Ausbildung“ (kurz AsA) der Bundesagentur für Arbeit (siehe Interview). Derzeit werden auf diese Weise eine angehende Fachkraft für Lagerlogistik und eine angehende Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement in dem Unternehmen in Lotte unterstützt. Der Hintergrund: Beide Azubis zeigen in der Berufsschule wesentliche Lerndefizite, die ihren Ausbildungsabschluss deutlich gefährden. „Die Assistierte Ausbildung unterstützt unsere Auszubildenden, ihre Defizite in den schulischen Fächern zu beseitigen. Einmal in der Woche nehmen sie am Stützunterricht teil“, erklärt Frank Weßeling, Leitung Logistik und Ausbilder.
- Assistierte Ausbildung
Stefanie Nahrmann, Bereichsleiterin bei der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster, erklärt die Assistierte Ausbildung.Stefanie Nahrmann, Bereichsleiterin bei der Agentur für Arbeit Ahlen-MünsterWie lange gibt es die Assistierte Ausbildung schon?Eine solche Unterstützungsmöglichkeit für Betriebe und Auszubildende existiert bereits seit mehreren Jahren. Manche kennen sie vielleicht noch unter der Bezeichnung „ausbildungsbegleitende Hilfen“. Sie wurde über die Jahre immer wieder angepasst mit dem Ziel einer möglichst individuellen Förderung. Mit der Assistierten Ausbildung in der jetzigen Form ist eine sehr gute Gestaltung im Sinne der Bedürfnisse der einzelnen Auszubildenden erreicht worden. Um eine konkrete Zahl zu nennen: Im Bereich Ahlen, Beckum, Warendorf und Münster haben wir aktuell rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.Was beinhaltet das Programm?Die assistierte Ausbildung hilft Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ihre Ausbildung abzuschließen. Möglich sind dabei sowohl eine sozialpädagogische Begleitung, die unter anderem regelmäßige Gespräche mit den Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben umfasst, als auch fachlicher Förderunterricht. Man könnte auch „Nachhilfe“ sagen. Dabei geht es um größere schulische Schwierigkeiten, also nicht etwa darum, sich von einer 2 auf eine 1 zu verbessern. Die von uns beauftragten Bildungsträger stellen Lehrkräfte für die verschiedenen Berufe zur Verfügung, von angehenden Kfz-Mechatronikern bis zu Steuerfachangestellten.Wie können Unternehmen AsA für ihre Azubis nutzen?Betriebe profitieren von der Assistierten Ausbildung, indem sie zur Fachkräftesicherung beiträgt. Hier gibt es ganz bewusst keine hohen Hürden. Betriebe können sich an uns, also die Agentur für Arbeit vor Ort, wenden, am besten direkt gemeinsam mit dem oder der Auszubildenden. Ein Einstieg in das Programm ist jederzeit möglich und mit keinerlei Kosten fürs Unternehmen verbunden. Auch einen bürokratischen Aufwand gibt es nicht. Wichtig ist, dass sich die Unternehmen für die jungen Leute einsetzen und ihnen ihr Weiterkommen am Herzen liegt.
Defizite beseitigen
„Unsere Auszubildenden durchlaufen alle Bereiche, um den gesamtheitlichen Zusammenhang eines Wirtschaftsunternehmens, das durch kaufmännische sowie logistische Abläufe gleichermaßen geprägt ist, kennen und verstehen zu lernen. Wenn wir feststellen, dass weitere fachliche Unterstützung benötigt wird, helfen wir sofort“, sagt Stefanie Mithöfer-Loll, die bei Fuchs + Sanders den Bereich Personal und Ausbildung verantwortet. Das Unternehmen hat AsA schon mehrmals in Anspruch genommen und durchweg positive Erfahrungen mit dieser Art des Stützunterrichts gemacht, „da die Unterstützung immer individuell, je nach Förderbedarf, erfolgt“, wie Michaela Ruwe betont, Ausbilderin für die kaufmännischen Berufe. „Mithilfe von AsA konnten unsere betroffenen Auszubildenden bis dato immer einen erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung erreichen“, fügt Mithöfer-Loll hinzu. Daher könne man AsA jedem Unternehmen nur weiterempfehlen.
Fuchs + Sanders (mehr als 200 Mitarbeiter und derzeit 13 Auszubildende bzw. dual Studierende) setzt bei der Nachwuchsgewinnung verstärkt auf Schüler-Praktika, Logistikführungen für Klassen sowie IHK-Ausbildungsbotschafter ein. „Außerdem nehmen wir aktiv an mehreren Ausbildungsmessen im Jahr teil“, so die Ausbildungsleiterin. „Über diesen Informationsprozess wollen wir nicht nur auf uns als attraktiven Ausbildungsbetrieb aufmerksam machen, sondern auch transparent über unser Ausbildungsangebot, Benefits, den Azubi-Alltag und über die Perspektiven nach der Ausbildung bei uns informieren.“
„Wege unterscheiden sich“
Mithöfer-Loll, Ruwe und Weßeling tragen zudem durch ihr ehrenamtliches Engagement als Prüfer bzw. Schlichter für die IHK aktiv zur Weiterentwicklung der Ausbildungsqualität bei. Ihre Tätigkeit gibt ihnen wertvolle Einblicke in die verschiedenen Aspekte der Ausbildung und ermöglicht es, die Bedürfnisse und Herausforderungen von Betrieben und Auszubildenden besser zu verstehen.
„Die jungen Menschen heute haben andere Vorstellungen vom Berufsleben als frühere Generationen“, sagt Senger-Ausbildungsleiter Weiten. „Ziele und Ambitionen sind nach wie vor da, aber die Wege dorthin unterscheiden sich. Wir merken, dass persönliche Begleitung und individuelle Förderung heute eine größere Rolle spielen. Gleichzeitig müssen wir Werte wie Pünktlichkeit oder Verlässlichkeit stärker vermitteln, weil sie nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Das bedeutet für uns, im Einzelfall noch mehr auf Dialog und persönliche Ansprache zu setzen.“ Vor diesem Hintergrund werde die Ausbildung im Haus stetig weiterentwickelt. „Aktuell prüfen wir zum Beispiel, wie wir den Wunsch einiger Azubis nach einem Auslandspraktikum umsetzen können.“
„Die jungen Menschen heute haben andere Vorstellungen vom Berufsleben als frühere Generationen“, sagt Senger-Ausbildungsleiter Weiten. „Ziele und Ambitionen sind nach wie vor da, aber die Wege dorthin unterscheiden sich. Wir merken, dass persönliche Begleitung und individuelle Förderung heute eine größere Rolle spielen. Gleichzeitig müssen wir Werte wie Pünktlichkeit oder Verlässlichkeit stärker vermitteln, weil sie nicht mehr selbstverständlich vorausgesetzt werden können. Das bedeutet für uns, im Einzelfall noch mehr auf Dialog und persönliche Ansprache zu setzen.“ Vor diesem Hintergrund werde die Ausbildung im Haus stetig weiterentwickelt. „Aktuell prüfen wir zum Beispiel, wie wir den Wunsch einiger Azubis nach einem Auslandspraktikum umsetzen können.“
„Ausbildungsbetriebe sollten den Übergang von der Schule ins Berufsleben für die jungen Menschen aktiv gestalten. Dazu gehören strukturierte Onboarding-Programme, regelmäßige Feedbackgespräche und spezielle Fördermaßnahmen wie die Assistierte Ausbildung“, so IHK-Experte Brüggemann.
Praxistipp: IHK-Mitarbeiterin Sarah Timmer berät Unternehmen, die ihren Auszubildenden ein Auslandspraktikum ermöglichen möchten.
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