Nachhaltige Wirtschaft
Best Practices
Die große Transformation hin zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft bedarf den Beitrag aller Beteiligten. Ökonomie und Ökologie ist kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Was aber kann, branchenübergreifend, jedes Unternehmen umsetzen, um Welt und Wirtschaft nachhaltiger zu machen? Das Thema Nachhaltigkeit bietet vielfältige Möglichkeiten für unternehmerisches Engagement. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen verschiedene Möglichkeiten aus der Praxis vor.
- Nachhaltig? Check!
Nachhaltig? Check!
Der Münsteraner Hautpflegespezialist Dermasence lässt seine Ökobilanz seit Jahren auf Herz und Nieren prüfen. Aus den Ergebnissen leitet er verschiedene Nachhaltigkeitsmaßnahmen für alle Unternehmensbereiche ab.Detlef Isermann weiß, dass der Versand ein ökologisch sensibler Bereich ist. Die Verpackungsfolie aus der neuen Maschinen besteht zu 53 Prozent aus Recyclingmaterial.Mit Wirkstoffen kennt sich Detlef Isermann aus. Er leitet das Unternehmen Dermasence, ein Spezialist für medizinische Hautpflege. Der 59-Jährige weiß, wie wichtig es ist, dass die Ankündigungen auf der Verpackung halten, was sie versprechen. „Genau so ist es mit der Nachhaltigkeit“, sagt er. „Wenn wir uns Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben, müssen wir das Versprechen auch einlösen.“ Nicht umsonst hat Dermasence sich daher bereits vor über zehn Jahren einer Zertifizierung als Ökoprofit-Betrieb unterzogen. „Seit der Gründung 1991 haben wir ökologische und soziale Ziele ganz selbstverständlich im Blick gehabt“, erläutert der Unternehmenschef. „Diese generelle Haltung wollten wir mit dieser ersten Zertifizierung dann wirklich systematisch und strategisch angehen und anhand der Ergebnisse betrieblich sinnvolle Maßnahmen ableiten.“ Den Ansatz hat das Team im Laufe der Zeit immer weiter professionalisiert und ging im Jahr 2019 noch einen Schritt weiter: Dermasence unterzog sich dem Nachhaltigkeitscheck CheckN. Mit diesem Analysetool haben die Münsteraner ihre eigenen Nachhaltigkeitsmaßnahmen nochmals speziell anhand der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen konkretisiert.Hinter CheckN verbirgt sich eine Art Nachhaltigkeitskompass, den der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M) gemeinsam mit der B.A.U.M Consult entwickelt hat. Das Analysetool bewertet den Stand der betrieblichen Nachhaltigkeit anhand der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Diese Sustainable Development Goals (SDG) sind international anerkannt und in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie als Bemessungsgrundlage für Nachhaltigkeit in Deutschland festgelegt. Die Unternehmen, die sich diesem Check unterziehen, definieren die für sie besonders relevanten Ziele und übertragen diese auf die betriebliche Ebene. Zudem werden konkrete Maßnahmen entlang der SDGs abgeleitet.Die aus diesem Check abgeleiteten Maßnahmen betreffen alle Bereiche des Unternehmens – vom Gebäude über die Produktion bis zur Verpackung. So entsteht zum Beispiel aktuell im Münsteraner Hafen ein neues Firmengebäude, das dem Baukonzept eines Passivhauses folgt und eine weitgehende energetische Unabhängigkeit erreichen soll. Seit Juli 2020 nutzt Dermasence zudem Ökostrom und hat nach dem Check den Anteil an emissionsarmen Fahrzeugen in der Fahrzeugflotte mit inzwischen drei Hybrid- und zwei E-Fahrzeugen auf zehn Prozent erhöht. Außendienst-Kollegen haben darüber hinaus generell die Wahlmöglichkeit, sich für ein Hybridauto zu entscheiden. Ein anderer ökologisch sensibler Bereich ist der Versand, der von Münster aus gesteuert wird. Hier hat sich das Nachhaltigkeitsteam jüngst zum Beispiel die Luftpolsterfolie vorgeknöpft, die in den Versandpaketen als Füll- und Schutzmaterial dient. „Wir nutzen heute eine Folie, die komplett klimaneutral hergestellt wird“, sagt Isermann.Konkret bedeutet das: Den CO2 -Ausstoß, den der Produzent des Füllmaterials verursacht, kompensiert dieser zu 100 Prozent durch Investitionen in weltweite Aufforstungsprojekte. Unabhängig davon besteht die neue Folie zu 53 Prozent aus Recyclingmaterial und ist außerdem aufgrund der Anordnung der Luftpolster so konzipiert, dass im direkten Vergleich mindestens ein Viertel weniger Folie benötigt wird als zuvor. Neben dem Nachhaltigkeitscheck und dem Ökoprofit-Zertifikat hat das Unternehmen 2019 erstmalig auch eine eigene CO2 -Bilanz erstellen lassen. Ergebnis: Die CO₂-Emissionen am Firmensitz in Münster beliefen sich auf rund 195 Tonnen. „Diese Zahl wollen wir natürlich so weit es geht reduzieren“, sagt Isermann. Mit Erfolg: Bereits die Folgebilanz 2020 wies 35 Tonnen CO2 weniger auf.Unvermeidliches Kompensieren
Dennoch macht sich der Geschäftsführer nichts vor. „In der unternehmerischen Praxis es ist schlichtweg nicht möglich, sämtliche Emissionen zu umgehen.“ Daher werden unvermeidbare CO2 -Emissionen seit 2019 über Umweltzertifikate kompensiert. Das Unternehmen arbeitet dabei mit dem gemeinnützigen Verein Primaklima zusammen, der sich wiederum an Klimaschutzprojekten auf der ganzen Welt beteiligt. Der Verein setzt auf das Pflanzen neuer Mischwälder mit heimischen Baumarten. „Die CO2 -Bilanz wollen wir nun regelmäßig erstellen, um unsere Maßnahmen weiter zu evaluieren“, bestätigt Isermann. Zugleich soll jetzt ein weiterer großer Bereich in den Fokus rücken: Die Klimabilanz der Lieferkette. « - Erfolgsfaktor EMAS
Ressourcen intelligent mit dem Umweltmanagementsystem EMAS einsparen. (Von Dominik Dopheide)Es ist schon eine Menge Holz, die bei der Parador GmbH in Coesfeld zu Parkettböden, Wand- und Deckenpaneelen verarbeitet wird. Die Produkte sind mit Designpreisen hoch dekoriert, die Nachfrage ist groß. Zugleich ist der Geschäftsleitung klar: Die Ressource Holz braucht Zeit und Raum zum Nachwachsen. Schrumpfen dagegen müssen die CO2 -Werte in der Atmosphäre. „Als traditionell Holz verarbeitendes Unternehmen haben wir ein besonderesIn Phase eins hat Parador auf Grundlage der Leitlinien der GRI (Global Reporting Initiative) die Prioritäten gesetzt. Das Unternehmen hat dazu interne und externe Stakeholder - Kunden, Belegschaft, aber auch Umweltorganisationen - befragt. Schon mit der ersten Maßnahme, die nach der Strategieentwicklung umgesetzt wird, untermauert Parador seinen Anspruch, in der Branche die Nachhaltigkeits-Nr.1 zu werden: „Wir sind bis heute der einzige Hersteller unserer Branche in Deutschland, der nach EMAS III zertifiziert ist“, sagt Leonhardt.Weil die Effekte jeder einzelnen EMAS-Maßnahme gemessen und transparent gemacht werden, weiß der Umweltmanager genau, wie viel ein Invest einbringt – der Umwelt und dem Unternehmen. Eine große Produktionshalle bei Parador am Standort Coesfeld liefert ein leuchtendes Beispiel. Hier hat das Unternehmen die Leuchtstoffröhren, die an sechs Tagen pro Woche rund um die Uhr in Betrieb waren, durch eine präsenzgesteuerte LED-Anlage ersetzt. „Diese Investition hat sich sehr schnell amortisiert, wir haben in dieser Halle den Energieverbrauch um 90 Prozent gesenkt“, berichtet Leonhardt. Voß fügt weitere Beispiele smarter Ressourcennutzung an: So werde, dank neuer Technik, beim Lackieren nur noch ein Bruchteil der vormaligen Wassermenge verbraucht, und auch der Holzverschnitt sei stark reduziert worden. Stichwort „smart“: „Generell werden unsere Nachhaltigkeitsziele nach der SMART-Methode geplant und umgesetzt“, erläutert Leonhardt. Es wird also geprüft, ob die Maßnahmen spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch und terminierbar sind. „Durch unsere EMAS-Zertifizierung sparen wir jährlich einen hohen Betrag ein“, zieht Voß ein Fazit.Neue Ziele sind definiert: Die Standorte Coesfeld und Güssing sollen bis 2025 klimaneutral nach Scope 1 und 2 werden, wobei das Unternehmen auch für nicht vermeidbare Emissionen Kompensationsformen einsetzen will. „Dabei liegt der Fokus auf Projekten oder Zertifikaten, die eine echte und zusätzliche CO2-Reduzierung darstellen“, erklärt Voß. Mit Scope 3 wird ein weiteres Ziel ins Visier genommen: die Reduktion des CO2-Fußabdrucks auch entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten.
- Das Comeback des Windrads
Das Comeback des Windrads
Aller Anfang ist schwer – vor allem für jene, die ihrer Zeit ein paar Ideen voraus sind. So hat sich 1992 das Bio-Menü von apetito mangels Nachfrage noch nicht durchgesetzt. Auch ein Windrad wurde am Hauptsitz des Anbieters von tiefgekühlten Menüs und Verpflegungskonzepten in Rheine aufgebaut, aber schließlich wieder zurückgebaut. Es war noch keine echte Alternative im Energiemix, aber ein starkes Symbol: Dem Familienunternehmen ist schon damals bewusst, dass sich etwas drehen muss im Umgang mit Ressourcen. Somit ist die apetito AG von der Pole-Position ins nachhaltige Wirtschaften gestartet.Die Berichterstattung orientiert sich an den Leitlinien der „Global Reporting Initiative (GRI)“, an den Prinzipien des „UN Global Compact“ und an den „UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung“ (Sustainable Development Goals – SDG). Zudem stellt sich das Unternehmen seit mehr als 20 Jahren regelmäßig den Zertifizierungen nach der europäischen EMAS-Verordnung und nach dem Standard des ZNU (Zentrum für Nachhaltige Unternehmens„Doch wir müssen auch den wirtschaftlichen Aspekt sehen und die Balance finden zwischen Ökologie und Ökonomie.“ So hat die apetito AG Klimaneutralität am Standort Rheine auch deshalb erreicht, weil sie CO2-Kompensationsprojekte gekauft hat. Ist das Greenwashing? Nein, meint Reich. „Ich glaube, der Atmosphäre ist es egal, wo wir das CO2 einsparen“, sagt er. Doch steuert apetito dem Klimawandel auch in Deutschland gegen: „Wir werden im kommenden Jahr in mehreren Pilotprojekten E-Mobilität in der Auslieferung, Distribution und bei der Dienstwagenflotte einsetzen, um zu sehen, wie es funktioniert“, erläutert Reich und ist somit bei den Schritten drei bis fünf seiner Nachhaltigkeits-Roadmap angekommen: messen, messen, messen. Einmal jährlich wird kontrolliert, was die Maßnahmen bringen, im Bedarfsfall werden sie angepasst oder Ziele neu formuliert.Dabei gibt es Ansätze, die für den niederschwelligen Einstieg bestens geeignet sind. Mit Digitalisierung etwa könne, bei geringem Kostenaufwand, der CO2-Fußabdruck geschmälert werden – auch in vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten, die so wichtig sind für die Senkung der Scope-3-Emissionen. „Wir versenden Rechnungen nicht mehr auf Papier und schlagen vor, die gesamte Kommunikation so digital wie möglich zu gestalten“, berichtet Reich. Eine andere Maßnahme, die er empfiehlt: Wo immer möglich, Lieferintervalle vergrößern, weil das Emissionen und Kosten reduziert. Viele Kunden hat er mit diesen Ideen überzeugt. „Sie wollen ja ihre eigenen Nachhaltigkeitsstorys“, erklärt der Manager. Seine Belegschaft schwört apetito auf Ressourcenschonung ein, ruft zu Verbesserungsvorschlägen auf.Das Unternehmen manage Nachhaltigkeit in sechs Handlungsdimensionen, darunter beispielsweise „Aktiver Umweltschutz“ und „Nachhaltigere Lieferkette“. Ihnen sind Themen zugeordnet, etwa „Betriebliche Abfälle“ und „Wassermanagement“. Jeder Handlungsdimension stehen mindestens zwei Nachhaltigkeitsverantwortliche vor. Werden Ziele nicht erreicht, wirkt sich das auf den Bonus der Manager aus. Ideen, um die CO2-Bilanz zu verbessern, hat apetito auch auf dem Rezeptblock notiert. „Wir müssen den Fleischkonsum deutlich reduzieren“, sagt der Geschäftsleiter. Im eigenen Betriebsrestaurant hat das Unternehmen längst bewiesen, wie lecker Nachhaltigkeit sein kann. Täglich wird eine vegetarische Alternative angeboten. Reich glaubt nicht, dass apetito bei den Marktanteilen abspecken muss, wenn das vegetarische Angebot ausgebaut wird. „Wir gehen davon aus, dass die Kunden Nachhaltigkeit wollen“, sagt er.Und weil auch die Technik sich gewandelt hat, wird bei apetito gerade das Comeback des Windrads geprüft. Vielleicht kann Thomas Reich sie eines Tages eigenhändig abmontieren: den Diesel- und den Gashahn. « - Nachhaltig mit Spaß
Kommunikation als entscheidender Faktor für den Umsetzungserfolg.Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit haben bei RK Verpackungssysteme stets oberste Priorität“, schreibt der in Gelsenkirchen ansässige Hersteller von Holzpackmitteln auf seiner Website. Aber ist dieser Anspruch wirklich immer zu erfüllen? Ist das Verhältnis zwischenDie Familie Schulte hat direkt nach der Übernahme des Unternehmens im Jahr 2002 begonnen, in Nachhaltigkeit zu investieren und als erste Maßnahme die Heizung von Gas und Öl auf eine Anlage umgestellt, in der Holzreste energetisch verwertet werden. Die Investition hat sich so schnell amortisiert, dass RK in der Folge ein Nachhaltigkeitsprojekt nach dem anderen auf den Weg gebracht hat. Niederschlagswasser fließt von 4000 Quadratmeter Dachfläche nicht in die Kanalisation, sondern in eine eigens angelegte Versickerungsgrube. Gesparte Gebühren fließen ins Budget für neue Projekte. Sämtliche Flurförderfahrzeuge hat RK auf Elektroantrieb umgestellt, auf dem Hof stehen E-Auto und Ladesäule. Auf dem Dach hat Schulte vor zehn Jahren eine 220-kW-PhotovoltaikAnlage installieren lassen.Seit Langem sensibilisiert er die Belegschaft für den verantwortungsvollen Umgang mit Energie und Rohstoffen. „Die meisten unserer Mitarbeiter haben ein starkes Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt und tragen das auch in ihr privates Umfeld“, berichtet der Geschäftsführer. Ohnehin ist für ihn Kommunikation ein entscheidender Faktor. So habe etwa das Projekt „Ökoprofit“ die RK-Gruppe ein weiteres gutes Stück vorangebracht. „Wir haben viele Anregungen mitgenommen“, erzählt Schulte. Insgesamt rechnet die Unternehmensgruppe infolge der im Projekt erarbeiteten Maßnahmen mit einer jährlichen Energieersparnis von 40 750 kWh und einer Reduktion der CO2 -Emissionen um 14,3 Tonnen.Für alle Unternehmen, die noch nicht wissen, wo sie starten sollen, hat Schulte einen Tipp parat: auf dem Dach. Denn Photovoltaik bringe Ökologie und Ökonomie schnell zusammen. Bei Christoph Schulte jedenfalls ist der Motivationsspeicher für nachhaltiges Wirtschaften aufgeladen: „Es macht einfach Spaß, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.“
- Chancenradar
Alle Ressourcen im Sinne der Umweltfreundlichkeit vollständig nutzen. (Von Melanie Rübartsch)Der Begriff „Nachhaltigkeit“ hat im Wald seine Wurzeln. Hans Carl von Carlowitz forderte bereits im Jahr 1713, nur so viel Holz zu schlagen, wie nachwachsen kann. Die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens ist also eng mit diesem Rohstoff und seinen Branchen verbunden. „Seit Generationen ist es in unserem Familienunternehmen üblich, alle Ressourcen, die uns zur VerfügungIm Nottulner Einrichtungshaus ist der Chef zugleich der „Chancenradar“, der neue Technik auf den Nutz- und Nachhaltigkeitswert für das eigene Geschäft prüft. Für Ahlers ist das keine Belastung, es macht ihm Spaß - auch deshalb, weil die Risiken gering seien. Ein Invest in Nachhaltigkeit lohne sich immer betont er. Zudem sieht er gerade den Einzelhandel in guter Position, das Thema noch weiter in die Gesellschaft zu tragen. „Ich kann ja entscheiden, was ich verkaufe“, erklärt der Unternehmer. So setzt er ausschließlich auf inhabergeführte Familienbetriebe als Lieferanten, weil sie nach seiner Erfahrung in der Regel offen sind für nachhaltiges Wirtschaften. Er überzeugt sich vor Ort davon, was auf welche Weise produziert wird.„Nachhaltigkeit hört ja nicht beim Umweltschutz auf, es geht auch um Arbeitsbedingungen und Personalstruktur, dass nämlich auch Menschen mit Handicap oder Fluchthintergrund beschäftigt werden“, sagt Ahlers, bevor er zurückkommt auf die Wurzeln der Idee. „Wir wissen, wo die Bäume gewachsen sind, aus denen wir Möbel bauen“, nennt er ein Verkaufsargument, das mit dem Klimawandel immer stärker wird: Regionalität.In den Baumbergen bei Nottuln zum Beispiel werde nur so viel Holz geschlagen, wie nachwachsen kann, weiß Ahlers. Ohnehin müsse nicht immer alles gleich neu gekauft werden: In seiner Polsterei würden viele Möbel fit gemacht für die Übergabe an kommende Generationen. Und genau so sollte es auch mit unserer Umwelt sein, findet der Vater und Unternehmer.
- Ein Plan für sauberes Papier
Für diese Notizblöcke und Briefumschläge muss kein Baum gefällt werden: Aus alten Plänen und frischem Zuckerrohr wird in zwei Unternehmen im Münsterland nachhaltiges Papier. (Von Tobias Hertel)Bei DRP in Havixbeck stapeln sich alte, ausgediente Landkarten. Nordseeküste, Franken und das deutschtschechische Grenzgebiet sind aktuell vertreten. DRP, das steht für „Direkt Recycelte Papierprodukte“. Was Geschäftsführer Olaf Hagedorn knapp als „Direktrecycling“ zusammenfasst: Denn aus den Plänen werden ohne Umwege unter anderem Briefumschläge produziert, denen man ihre ursprüngliche Nutzung deshalb nochDer Wunsch, seinen Heimat- oder Urlaubsort im Umschlag wiederzufinden, ist allerdings angesichts der Mengen an Karten eher nicht erfüllbar. Den „Rohstoff“ für die Produkte bekommt DRP aus ganz Deutschland. Zum Beispiel von Behörden, die alte Straßenkarten ausmustern. Reste aus Überproduktionen oder auf Vorrat gedruckte Karten lagerten manchmal schon über Jahrzehnte in Behördenkellern. „Da wurden die Kosten fürs Recycling gescheut“, berichtet Walpuski. Unter den Verwaltungen hat es sich aber mittlerweile herumgesprochen, dass sich mit den übrig gebliebenen Plänen dank DRP sogar noch etwas Geld verdienen lässt. Die Zeiten, in denen Hagedorn die Bestände von Altpapierhändlern durchforstet hat, um an Material zu kommen, sind deshalb lange vorbei. „Die Behörden melden sich längst bei uns“, betont Hagedorn.Ganz andere Quellen für ihr Produkt hat colonia2go: Die Papierrollen im Lager des Coesfelder Unternehmens, aus denen Kartons, Notizbücher oder Verpackungen entstehen sollen, sind komplett aus kolumbianischem Zuckerrohr, genauer gesagt aus Bagasse. Das ist ein Nebenprodukt aus ausgepresstem Zuckerrohr. Und den gibt es in rauen Mengen. „Weltweit 650 Millionen Tonnen Bagasse könnten vom Reststoff zum Wertstoff werden“, rechnet Filip Vidovic vor, Geschäftsführer von colonia2go. Denn2013 hatte er das Unternehmen mit einem Freund aus Kölner Studienzeiten gegründet – daher das „Colonia“ im Namen der Firma, die um den Jahreswechsel vom Industriepark Nord.Westfalen an einen größeren Standort im Coesfelder Ortsteil Lette wechselte. Nach dem Studium hatten beide zunächst bei einem amerikanischen Papiergroßhändler gearbeitet, der unter anderem die Coffee2-Go-Industrie mit plastikbeschichteten Bechern beliefert – woher das „2Go“ in der Firmierung rührt. Denn darauf basiert die ursprüngliche Geschäftsidee der beiden Start-up-Gründer: Sie wollen Einwegbecher deutlich umweltfreundlicher machen. Bei der Suche nach Lösungen dafür stießen sie auf einer Messe in New York auf einen kolumbianischen Papierhersteller, der komplett auf Zuckerrohrfaser setzt. So forscht zwar colonia2go in Zusammenarbeit mit BASF und weiteren Unternehmen, die sich mit nachhaltigen Papierbeschichtungen befassen, weiterhin an umweltfreundlichen Kaffee-Bechern. Der heutige Schwerpunkt liegt allerdings darin, dass das Unternehmen „baumfreies Papier“ importiert und Serviceleistungen übernimmt. So werden die Rollen passend zurechtgeschnitten oder bestimmte Bogenformate vorgehalten. Abnehmer sind diverse papierverarbeitende Unternehmen, darunter Hersteller von Faltschachteln, Broschüren, Kartons und Tragetaschen. Die Kunden kommen aus Europa und immer häufiger auch aus den USA. Teils werden sie von Coesfeld aus versorgt, teils erhalten sie, wie Kunden aus Italien und Spanien, ihre Ware direkt aus Kolumbien. Mit „Calima“ hat colonia2go zudem eine Eigenmarke entwickelt, unter der das Unternehmen den kompostierbaren Becherkarton, Kopierpapier, Notizbücher, Briefumschläge, Blöcke und Tüten anbietet. Entwickelt werden diese Produkte mit Partnern, teils in Kolumbien und teils in Europa, die diese dann auch produzieren.Monatlich vertreibt colonia2go etwa 150 bis 200 Tonnen Papier aus Zuckerrohr. „Das sind noch minimale Mengen“, sieht Vidovic Luft nach oben, vor allem im Vergleich zum Großhandel. In den kommenden zwei Jahren peilt er eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Umsatzes an. Allein in dem Tal in Kolumbien, in dem das Zuckerrohr geerntet und die Fabrik die Bagasse direkt verarbeitet, wird erst ein kleiner Teil der Pflanzen für die Papierproduktion genutzt. Dass dieses Papier aus umweltfreundlichen Rohstoffen besteht, darf der Kunde ihm gern ansehen. „Wenn er zwischen weißem und naturfarbenem Kopierpapier die Wahl hat, entscheidet er sich meist für den ungebleichten Naturton“, stellt Vidovic fest. Der Transport aus Südamerika trübt die gute Ökobilanz nicht: Gemeinsam mit der Stiftung „Plant for the Planet“ pflanzt er zur Kompensation Bäume an. Das Ergebnis: „Wir sind sogar klimapositiv.“