Richtlinie zur Zulassung zur Abschlussprüfung
Diese Richtlinie soll die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften über die Abkürzung der Ausbildungsdauer nach § 8 Absatz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) einschließlich der Teilzeitausbildung unterstützen. Darüber hinaus werden auch die Vorgaben zur vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Absatz 1 BBiG und zur Verlängerung der Ausbildungsdauer nach § 8 Absatz 2 BBiG konkretisiert.
- A. Grundsätze
- B. Abkürzung der Ausbildungsdauer und Teilzeitausbildung gem. § 8 Absatz 1 BBiG
- C. Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer gemäß § 7 Absatz 2 BBiG
- D. Vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Absatz 1 BBiG
- E. Mindestzeit der Ausbildung
- F. Verlängerung der Ausbildungsdauer gem. § 8 Absatz 2 BBiG
A. Grundsätze
(1) Diese Richtlinie soll die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften über die Abkürzung der Ausbildungsdauer gem. § 8 Absatz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) einschließlich der Teilzeitausbildung unterstützen. Darüber hinaus werden auch die Vorgaben zur vorzeitigen Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Absatz 1 BBiG und zur Verlängerung der Ausbildungsdauer gem. § 8 Absatz 2 BBiG konkretisiert.
(2) Die Richtlinie enthält Maßstäbe für die Entscheidungen der IHK.
(3) Im Einzelfall können besondere Gesichtspunkte eine abweichende Beurteilung erfordern.
B. Abkürzung der Ausbildungsdauer und Teilzeitausbildung gem. § 8 Absatz 1 BBiG
B.1 Grundsatz und allgemeine Voraussetzungen der Antragstellung
(1) Auf gemeinsamen Antrag des Ausbildenden und des Auszubildenden hat die IHK die Ausbildungsdauer gem. § 8 Absatz 1 BBiG zu kürzen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird.
(2) Die Abkürzung der Ausbildungsdauer soll möglichst bei Vertragsabschluss, spätestens jedoch so rechtzeitig beantragt werden, dass noch mindestens ein Jahr Ausbildungszeit verbleibt.
(3) Der Antrag muss gemeinsam von beiden Vertragsparteien (Ausbildender und Auszubildender) bei der IHK gestellt werden und soll über das Online-Portal eingereicht werden. Bei Minderjährigen ist die entsprechende Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.
(4) Die Antragsteller müssen glaubhaft machen, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht werden kann, z. B. durch Vorlage von (Berufs-) Schul- und Prüfungszeugnissen, Leistungsbeurteilungen, Berufsausbildungsverträgen und betrieblichen Ausbildungsplänen.
B.2 Abkürzungsgründe bei Vertragsabschluss gem. § 8 Absatz 1 S. 1 BBiG
(1) Nachfolgende Gründe können zu einer Abkürzung in dem angegebenen Zeitrahmen führen:
Grund | Dauer |
---|---|
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bis zu 6 Monate |
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bis zu 12 Monate
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(2) Im Einzelfall kann die Ausbildungsdauer auch wegen eines Lebensalters von mehr als 21 Jahren um bis zu 12 Monaten abgekürzt werden.
(3) Fachlich einschlägige Lernleistungen hochschulischen Ursprungs im Umfang von mindestens 30 ECTS können ebenfalls als Grund für die Abkürzung der Ausbildungsdauer um bis zu 6 Monate berücksichtigt werden.
(3) Darüber hinaus kann bei Nachweis einer einschlägigen beruflichen Grundbildung oder einschlägigen Berufstätigkeit oder Arbeitserfahrung im Berufsfeld diese angemessen berücksichtigt werden. Die Anrechnungsmöglichkeiten nach § 1 Berufskolleganrechnungs- und zulassungsverordnung (BKAZVO) sind zu beachten.
(4) Bei Fortsetzung der Berufsausbildung in demselben Beruf kann die zurückgelegte Ausbildungsdauer ganz oder teilweise für eine Abkürzung berücksichtigt werden.
(5) Soweit bei einem Berufswechsel nach Abschluss des ersten Ausbildungsjahres festgestellt wird, dass die Grundbildung des Erstberufes im Wesentlichen identisch ist mit der Grundbildung des neuen Ausbildungsberufes, kann diese in vollem Umfang (12 Monate) berücksichtigt werden.
B.3 Abkürzung während der Berufsausbildung gem. § 8 Absatz 1 S. 1 BBiG
(1) Die Abkürzung der Ausbildungsdauer während der laufenden Berufsausbildung ist möglich, wenn Abkürzungsgründe nach B.1 vorliegen, das Ausbildungsziel in der abgekürzten Zeit erreicht werden kann und die Ausbildungsinhalte vermittelt werden können.
(2) Wird der Antrag erst im Laufe der letzten zwölf Monate der Ausbildungsdauer gestellt, so soll dieser in Abstimmung mit den Antragstellern vorrangig als Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung behandelt werden (siehe C. Vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung).
B.4 Zusammentreffen mehrerer Abkürzungsgründe
Mehrere Abkürzungsgründe können nebeneinander berücksichtigt werden. Eine vorzeitige Zulassung zur Prüfung (siehe unter C.) ist auch bei abgekürzter Ausbildungsdauer gem.
§ 45 Absatz 1 BBiG möglich, wenn dadurch die unter D. vorgegebene Mindestausbildungsdauer nicht unterschritten wird.
C. Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer gemäß § 7 Absatz 2 BBiG
C.1 Abgrenzung zur Abkürzung und Voraussetzungen der Antragstellung
(1) Neben einem Antrag auf Abkürzung nach § 8 Absatz 1 BBiG haben Auszubildende und Ausbildende auch die Möglichkeit, einen Antrag auf Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer nach § 7 Absatz 2 und Absatz 3 BBiG zu stellen. Eine Anrechnung beruflicher Vorbildung ist nur dann möglich, wenn die durch eine Bildungsmaßnahme vermittelten Inhalte nach ihrer inhaltlichen und zeitlichen Struktur Teilen der Ausbildungsordnung eines anerkannten Ausbildungsberufes entsprechen.
(2) Während die Abkürzung eine Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor Ablauf der eigentlich vorgesehenen Ausbildungsdauer beinhaltet, bewirkt die Berücksichtigung beruflicher Vorbildung bei einer Anrechnung, dass die Ausbildungsdauer insoweit als zurückgelegt anzusehen ist. Dies hat u. a. Auswirkungen auf die Höhe der Vergütung. Bei Vorliegen mehrerer Gründe können Anrechnung und Abkürzung auch in Kombination zur Anwendung kommen, wenn ihre Voraussetzungen jeweils vorliegen.
(3) Seit dem 1. Januar 2020 kann auf Antrag eine Anrechnung beruflicher Vorbildung durch die IHK auch dann erfolgen, wenn keine Rechtsverordnung eines Landes zur Anrechnung beruflicher Vorbildung auf die Ausbildungsdauer gem. § 7 Absatz 1 BBiG erlassen wurde.
(4) Eine Anrechnung muss immer vor Beginn eines Ausbildungsverhältnisses erfolgen und im Ausbildungsvertrag festgehaltenwerden.
(5) Der Antrag auf Anrechnung muss gemeinsam von beiden Vertragsparteien (Ausbildende/r und Auszubildende/r) bei der IHK gestellt werden. Er kann sich auf Teile des höchstzulässigen Anrechnungszeitraums beschränken.
(6) Ein Anrechnungszeitraum muss in ganzen Monaten durch sechs teilbar sein.
C.2. Formen beruflicher Vorbildung, auf deren Grundlage eine Anrechnung erfolgen kann
Eine Anrechnung beruflicher Vorbildung kann bei Vorliegen der geforderten Voraussetzungen beispielsweise erfolgen bei:
- dem erfolgreichen Besuch eines schulischen Bildungsganges wie bspw. das Berufsgrundbildungsjahr (BGJ), das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), die einjährige Berufsfachschule, welche berufliche Grundbildung vermittelt, oder die zweijährige Berufsfachschule, die nach einem weiteren Jahr zum mittleren Schulabschluss führt;
- Maßnahmen des Übergangssystems wie berufsvorbereitenden Maßnahmen (BvB) und der Einstiegsqualifizierung (EQ),
- einer nicht zu Ende geführten Ausbildung im gleichen oder in einem anderen affinen Beruf;
- einer abgeschlossenen Ausbildung in einem anderen affinen Beruf (vgl. auch § 5 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 BBiG, dies insbesondere bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen und Berufsfamilien);
- einem Wechsel des Ausbildungsbetriebes während der Ausbildung und dem erfolgreichen Absolvieren von Qualifizierungsbausteinen gem. § 69 BBiG oder im Rahmen der Nachqualifizierung absolvierten Teilqualifikationen Maßgabe des Buchstaben
C. 1 Absatz 1 Satz 2.
Hinweis: In diesem Sinne werden unter Teilqualifikationen abgegrenzte, standardisierte Einheiten innerhalb einer curricularen Gesamtstruktur verstanden, die sich an betrieblichen Arbeits- und Geschäftsprozessen ausrichten und inhaltlich sinnvolle Teilmengen eines zugrundeliegenden staatlich anerkannten Ausbildungsberufsdarstellen.
C.3 Beratung und Entscheidung der IHK
Bei Vorliegen beruflicher Vorbildung soll die zuständige Stelle ausbildende Betriebe und Auszubildende über die bestehenden Möglichkeiten und die unterschiedlichen Voraussetzungen und Auswirkungen einer Anrechnung oder Abkürzung beraten, damit ein den Interessen der Vertragspartner entsprechender Antrag gestellt wird. Da im Gegensatz zu einem Antrag nach § 8 Absatz 1 BBiG bei einem Antrag nach § 7 Absatz 2 BBiG keine individuelle positive Prognose für das Erreichen des Ausbildungsziels durch die Antragsteller erforderlich ist, wird ein Antrag auf Anrechnung in der Regel der einfachere und erfolgversprechendere Weg sein, sofern dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
Wird ein Antrag auf Anrechnung beruflicher Bildung zu Beginn der Ausbildung abschlägig beschieden, kann trotzdem zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Abkürzung in Betracht kommen, wenn die Ausbildungsleistungen dies rechtfertigen.
C.4. Zeit der Anrechnung
Die Zeit der Anrechnung darf sechs Monate nicht unterschreiten.
D. Vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Absatz 1 BBiG
D.1 Grundsatz und allgemeine Voraussetzungen der Antragstellung
(1) Der Auszubildende kann nach Anhörung des Ausbildenden und der Berufsschule vor Ablauf seiner Ausbildungsdauer zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn seine Leistungen dies rechtfertigen (§ 45 Absatz 1 BBiG).
(2) Der Antrag ist bei der IHK zu stellen und soll über das Online-Portal eingereicht werden. Ihm sind die nach der geltenden Prüfungsordnung erforderlichen Anmeldeunterlagen beizufügen.
D.2 Zulassungsvoraussetzungen
(1) Eine vorzeitige Zulassung ist gerechtfertigt, wenn der Auszubildende sowohl im Ausbildungsbetrieb als auch in der Berufsschule überdurchschnittliche Leistungen nachweist und die in der Ausbildungsordnung vorgesehenen Ausbildungsinhalte im Wesentlichen bis zur Prüfung vermittelt werden können.
(2) Überdurchschnittliche Leistungen liegen in der Regel vor, wenn das letzte Zeugnis der Berufsschule in den prüfungsrelevanten Fächern oder Lernfeldern im Durchschnitt die Note gut (2,5 und besser) enthält; dabei darf keines dieser Fächer schlechter als ausreichend bewertet worden sein. Das letzte Berufsschulzeugnis ist vorzulegen. Darüber hinaus ist durch den Ausbildenden gegenüber der IHK Nord Westfalen zu bestätigen, dass vom Auszubildenden überdurchschnittliche Leistungen im Betrieb erbracht werden und dass ihm bis zur Prüfung die noch erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden.
D.3 Zulassungsentscheidung
(1) Die Zulassungsentscheidung trifft die IHK. Hält sie die Zulassungsvoraussetzungen für nicht gegeben, entscheidet der Prüfungsausschuss (§ 46 Absatz 1 BBiG).
(2) Die vorgezogene Prüfung soll nicht mehr als 6 Monate vor dem ursprünglichen Prüfungstermin stattfinden. Darüberhinausgehende Anträge sollen von der IHK in Abstimmung mit dem Auszubildenden als Antrag auf Abkürzung der Ausbildungsdauer nach § 8 Absatz 1 BBiG behandelt werden (siehe unter B.).
E. Mindestzeit der Ausbildung
Die Ausbildungsdauer soll in der Regel, insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Abkürzungsgründe bzw. bei vorzeitiger Zulassung, folgende Mindestdauer nicht unterschreiten:
Regelausbildungsdauer | Mindestdauer der Ausbildung |
---|---|
3 ½ Jahre | 24 Monate |
3 Jahre | 18 Monate |
2 Jahre | 12 Monate |
F. Verlängerung der Ausbildungsdauer gem. § 8 Absatz 2 BBiG
F.1 Grundsatz
(1) In Ausnahmefällen kann die IHK auf Antrag des Auszubildenden die Ausbildungsdauer verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 8 Absatz 2 BBiG). § 21 Absatz 3 BBiG bleibt unberührt.
F.2 Allgemeine Voraussetzungen der Antragstellung
(1) Der Antrag ist vom Auszubildenden bei der IHK zu stellen und soll über das Online-Portal eingereicht werden. Bei Minderjährigen ist die entsprechende Zustimmung der gesetzlichen Vertreter erforderlich.
(2) Der Antrag soll rechtzeitig vor Ablauf des Berufsausbildungsverhältnisses gestellt werden.
(3) Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Ausbildende (Betrieb) zu hören (§ 8 Absatz 2 BBiG). Die Berufsschule kann gehört werden.
(4) Der Auszubildende muss glaubhaft machen, dass die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Eine Verlängerung nach § 8 Absatz 2 BBiG soll nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe gewährt werden.
F.3 Verlängerungsgründe
(1) Nachfolgende Gründe können eine Verlängerung erforderlich machen:
- erkennbare schwere Mängel in der Ausbildung
- Nichterreichen des Leistungszieles der Berufsschulklasse,
- längere vom Auszubildenden nicht zu vertretende Ausfallzeiten (z. B. längere Krankheit),
- körperliche, geistige und seelische Behinderung des Auszubildenden, die dazu führt, dass das Ausbildungsziel nicht in der vereinbarten Ausbildungsdauer erreicht werden kann,
- Betreuung eines eigenen Kindes oder eines pflegebedürftigen Angehörigen,
(2) Bei der Festlegung der Verlängerungsdauer sind die Prüfungstermine zu berücksichtigen.
G. Inkrafttreten
(1) Diese Richtlinie tritt am 1. Februar 2023 in Kraft.
(2) Gleichzeitig treten die bisherigen Regelungen außer Kraft.
Münster, 19. Januar 2023