„Energiewende so nicht finanzierbar“
Baumgürtel: DIHK-Studie als Einladung an die Politik
Münster/Berlin. – „Kein Stopp-, aber ein nicht zu übersehendes Umleitungsschild für einen dringenden Kurswechsel in der Energiepolitik“ ist aus Sicht der IHK Nord Westfalen eine neue Studie, deren Ergebnisse die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) heute (3. September) in Berlin vorgestellt hat.
„Keinesfalls darf das Ziel der deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik geändert werden, wohl aber der Weg dorthin“, betonte IHK-Präsident Lars Baumgürtel, der heute in Berlin an der Podiumsdiskussion über die Studie „Neue Wege für die Energiewende“ teilgenommen hat. Mit dieser Studie, so Baumgürtel, sei wissenschaftlich belegt, „was viele Unternehmen immer wieder betonen und im Wettbewerb schon lange spüren: Der Umbau des Energiesystems, so wie derzeit geplant, kann weder von den Unternehmen noch vom Staat so weiter finanziert werden.“
Lars Baumgürtel, Präsident der IHK Nord Westfalen und Geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ GmbH & Co KG (Gelsenkirchen).
Als fundamentales Dilemma der Energiewende bezeichnete Baumgürtel das stark schwankende Angebot an Erneuerbarer Energie auf der einen Seite und die noch nicht erschlossenen Flexibilitätspotentiale auf der Verbraucherseite, um den Energieträger zu nutzen, der jeweils am kostengünstigsten zur Verfügung stehe: „Es ist effizienter, überschüssigen Strom direkt zu nutzen als Windräder abzuschalten oder die Energie zwischenzuspeichern.“ Er forderte deshalb „ein flexibles Energiesystem, in dem Energieträgerkopplung und Energieimporte von kohlenstoffarmen und kohlenstofffreien Energieträgern das von Volatilitäten geprägte Stromsystem in Deutschland resilient machen“.
Die Energiewende benötige ein neues Gesamtkonzept. „Das neue Konzept muss einfacher als das bisherige sein, auf Innovation und Wettbewerb setzen und einen Politikrahmen schaffen, der nicht zu Deindustrialisierung führt“, forderte der Präsident der IHK Nord Westfalen. „Mit jedem Tag steigt ansonsten die Gefahr, dass die politisch gesetzten Klimaziele nicht erreicht werden.“
Laut Studie steigen die Kosten für die Stromnetze und andere Energienetze in Deutschland bis zur Mitte des Jahrhunderts auf 1,2 Billionen Euro, wenn Deutschland seine bisherige Energiepolitik fortsetzt. Der offizielle Netzentwicklungsplan der Bundesnetzagentur geht aktuell von Investitionen in die Stromübertragungs- und Verteilnetze in Höhe von knapp 530 Milliarden Euro bis 2045 aus.
„Die Studie zwingt alle Akteure dazu, sich an einen Tisch zu setzen. Es geht um effiziente und resiliente Lösungen, die im Einklang mit den Klimaschutzzielen stehen. Politik muss die Umsetzung dieser Lösungen ermöglichen, bevor uns mit den Unternehmen auch die Finanzierungsgrundlagen nach und nach verloren gehen“, erklärt der IHK-Präsident, der Geschäftsführender Gesellschafter der ZINQ GmbH & Co. KG (Gelsenkirchen) ist. Erste Verlagerungen von Produktionen ins Ausland und damit verbundene Werkschließungen verdeutlichen aus Sicht der IHK „die zunehmenden Risiken der Energiewende“. So lag die Produktion der energieintensiven Industrie in NRW schon im Mai 2025 um fast 16 Prozent niedriger als im Februar 2022. Das Produktionsniveau der übrigen Industrie war fast neun Prozent niedriger. Die Energiekosten in Deutschland sind aus Sicht der IHK dabei einer der treibenden Faktoren.
„Wir müssen die Energiewende aus der Sackgasse führen, in die wir derzeit immer weiter hineinfahren“, resümiert der IHK-Präsident. Er sieht die Studie als Einladung der Wirtschaft an die Politik, „jetzt intensiv ins Gespräch zu kommen, wie die Energiewende neu ausgerichtet werden kann“.