27. September 2024
„Lauter werden“ – genau das empfahl auch Jan Fleischhauer den Unternehmerinnen und Unternehmern. Der langjährige Wirtschaftskorrespondent, Spiegel-Redakteur und heutige Focus-Kolumnist kritisierte in fast kabarettistischer Art politische Entscheidungen und sprach über die Industrie in den Medien: „Die Industrie ist dort deutlich unterrepräsentiert.“ Er formulierte pointiert: „Industrie kann ihre Produktion nicht nach dem Stand der Sonne und der Kraft des Windes richten“, „Alle in Europa werden reicher, nur Deutschland ärmer“, „Ein Staat, der eine Billion Euro Steuern einnimmt, sollte damit auch hinkommen“. Mit all diesen Aussagen, das räumte er ein, befinde er sich in einer Minderheit unter seinen journalistischen Berufskollegen.
Warnung vor fahrlässiger Deindustrialisierung
Sommerfest der Industrie mit Jan Fleischhauer in Münster
Münster. – Das Wetter beim Sommerfest der Industrie gestern Abend (26. September) in Münster war besser als vorhergesagt. Ganz im Gegensatz zur aktuellen wirtschaftlichen Lage: „Für viele Industrieunternehmen sind die Standortbedingungen in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig“, verdeutlichte Lars Baumgürtel. Der Sprecher der nord-westfälischen Industrie-Initiative und Vizepräsident der IHK Nord Westfalen warnte vor einer „bald womöglich nicht mehr so schleichenden Deindustrialisierung“. Diese werde von einer „sich ausbreitenden Gleichgültigkeit“ begleitet, die für ihn „grob fahrlässig und beängstigend“ ist.
© Mohn / IHK
Kein Verständnis zeigte Baumgürtel insbesondere für die Einschätzung von Ökonomen, die das Verschwinden von energieintensiven Industriebranchen im Laufe der Energiewende auch noch als gut bezeichnen. „Das ist eine gefährliche Wette auf die Zukunft des Wirtschaftsstandorts“, kritisierte er eine „fahrlässige Deindustrialisierung“. Die Herausforderungen durch die Transformation der Wirtschaft seien groß, die Energiepreise nicht mehr wettbewerbsfähig. Dies betreffe besonders den industriellen Mittelstand, der Deutschland mit seinen Hidden Champions durch die vergangenen Krisen getragen habe. Baumgürtel verwies auf deutlich gestiegene Investitionen auch mittelständischer Unternehmen im Ausland. „Wenn ein neues Werk nicht in Deutschland gebaut wird, ist das oft eine Entscheidung für 30 Jahre. Und die wird weitere Investitionen am modernsten Unternehmensstandort nach sich ziehen, der sich dann im Ausland befindet“, so Baumgürtel. „Jedes Unternehmen, das Deutschland verloren geht, bleibt verloren“, fasste er zusammen.
Ein Irrglaube sei es, dass nur energieintensive Branchen betroffen seien. Die grundstoffnahe Industrie, die derzeit im Fokus der Diskussion stehe, sei nur ein Teil von hochkomplexen, störanfälligen Wertschöpfungsketten. „Wer die energieintensiven Branchen aufgibt, verliert schnell auch den Rest“, machte der Unternehmer aus Gelsenkirchen klar. Diese Industriebranchen seien unverzichtbar für Vieles – vom Autobau über Komponenten für Windkraftanlagen bis hin zu Krebsmedikamenten. Ein sinkender Industrieanteil an der Volkswirtschaft werde in Deutschland spürbare Einbußen bei der gesamtwirtschaftlichen Leistung zur Folge haben.
Last but not least, so Baumgürtel, stehe die deutsche Industrie für gut bezahlte Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung, die wegzufallen drohen. Industrie-Arbeitsplätze sind nach IHK-Angaben im Schnitt rund zwanzig Prozent besser bezahlt als der Durchschnitt aller Jobs. Dennoch stelle er fest, dass dies viel zu wenig wahrgenommen werde. „Industrie hat mit Akzeptanz zu kämpfen.“ Sein Rezept dagegen: „Wir müssen deutlich lauter werden, uns positionieren und vor allem Ökonomen Lügen strafen, die behaupten, wir könnten auf Industrie verzichten“, meinte er in Anspielung auf entsprechende Aussagen.
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In der Öffentlichkeit geben nach seiner Einschätzung deshalb eher Gruppen den Ton an, „die erstaunlich klein, aber gut vernetzt und wahrnehmbar“ seien. Sein Rat: „Überlassen Sie nicht anderen das Feld, machen Sie Ihren Einfluss geltend“ – zum Beispiel mit der Industrie-Initiative. „Produzieren wir genug Wohlstand, um das Land zusammenzuhalten“, appellierte er zum Abschluss und sorgte damit für reichlich Stoff für die anschließenden Gespräche.
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