Großbritannien

Ist mein Unternehmen vom Brexit betroffen?

Mein Unternehmen hat Handelsbeziehungen mit Großbritannien

Betroffen sind insbesondere Unternehmen, die britische Lieferanten und/oder Kunden haben und über keinerlei oder wenig Erfahrung bei der Abwicklung von Geschäften mit Drittländern verfügen. Zusätzlich betroffen sind aber auch Unternehmen, die zwar mit der Abwicklung von Drittlandsgeschäften vertraut sind, aber die Besonderheiten des Brexit in ihre Geschäftsabläufe integrieren müssen.

Neuer Zolltarif veröffentlicht

Am 19.5.2020 hat das Vereinigte Königreich einen neuen Zolltarif veröffentlicht, der ab dem 1.1.2021 nach dem Ende der Übergangsphase weltweit gilt Dieser entspricht weitgehend dem EU-Zolltarif, sieht jedoch Zollreduzierungen in einigen Bereichen vor. Insbesondere in den Bereichen Automobilwirtschaft und Landwirtschaft jedoch werden Zölle eingeführt. 

Zollformalitäten

EORI-Nummer

Für die Abgabe von Zollanmeldungen (Ausfuhr und/oder Einfuhr) im elektronischen Zollsystem ATLAS ist eine sogenannte EORI-Nummer erforderlich. Diese wird von den Unternehmen beim Zoll beantragt und dient zur Identifizierung des Unternehmens beim Zoll. Die Bearbeitungszeit der Zollverwaltung für die Erteilung beträgt grundsätzlich fünf bis zehn Arbeitstage. 

Ausfuhr- und Einfuhrmeldungen

Für jede Warenlieferung aus der EU ist ab einem Warenwert von 1.000 Euro oder ab einem Gewicht von 1.000 kg eine Ausfuhranmeldung über das elektronische Zollsystem ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem) zu erstellen und abzugeben. Das würde auch dann gelten, wenn Großbritannien, wie etwa Norwegen, im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verbleiben sollte. Weitere Informationen zu möglichen Verfahrenserleichterungen bei der Ausfuhr sind hier zu finden.
Ähnliches gilt für Warenbezüge aus Großbritannien, für welche dann unabhängig vom Warenwert ebenso eine elektronische Einfuhrzollanmeldung abzugeben wäre. Daraus würde sich die Pflicht zur Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer ergeben. Denkbar wäre zudem, dass Großbritannien außerhalb des Europäischen Binnenmarktes für bestimmte Warengruppen Einfuhrzölle erheben könnte. Andererseits könnten für Warenimporte aus Großbritannien Einfuhrzölle der EU erhoben werden.
Unternehmen sollten sich neben dem Vorhandensein einer EORI-Nummer auch Gedanken über den Zugang zum elektronischen Zollsystem ATLAS machen. Grundsätzlich bestehen hier drei Zugangsmöglichkeiten:
  1. Vertretermodell
    Bei dieser Variante muss der Ausführer oder Einführer alle erforderlichen Unterlagen wie zum Beispiel Rechnungen, Frachtpapiere und gegebenenfalls Ausfuhrgenehmigungen dem Zolldienstleister (Vertreter) zur Verfügung stellen. Daraufhin erstellt der Zolldienstleister die elektronische Aus- oder Einfuhranmeldung und übermittelt diese an die zuständige Zollstelle. Diese Variante wird für Wirtschaftsbeteiligte empfohlen, die nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügen oder bewusst diesen Tätigkeitsbereich auslagern möchten.
  2. Internetzollanmeldungen
    Die zweite Möglichkeit, die Unternehmen haben, sind die webbasierten Lösungen der Zollverwaltung, um Aus- oder Einfuhranmeldungen zu platzieren. Weitere Einzelheiten stehen auf der Homepage der Zollverwaltung.
  3. Softwarelösungen
    Alternativ zu der zweiten Möglichkeit können Unternehmen auch Softwarelösungen von Anbietern nutzen, die von der Zollverwaltung zertifiziert sind. Eine Liste der Softwareunternehmen ist hier zu finden. Bei den Softwarelösungen sollten Unternehmen zwischen der Teilnehmer-Lösung, Dezentraler Kommunikationspartner-Lösung (DezKP) und der Inhouse-Lösung unterscheiden.
    Teilnehmer-Online-Lösung:
    Bei diesem Lösungsmodell ist der Aus- oder Einführer der ATLAS-Teilnehmer. Er muss über eine EORI-Nummer und über eine eigene BIN (Beteiligten-Identifikations-Nummer) verfügen. Die Beteiligten-Identifikationsnummer ersetzt die handschriftliche Signatur bei dem Nachrichtenaustausch mit der Zollverwaltung. Die BIN wird von der Bundesfinanzdirektion Südost vergeben. Der Antrag für eine Teilnahme an ATLAS ist bei der Koordinierungsstelle in Weiden unter Verwendung des Vordrucks 0872 zu stellen. Nach einer positiven Antragstellung ist der Aus- oder Einführer bei der Atlas Koordinierungsstelle „Kost Atlas“ in Weiden als Teilnehmer registriert.
    DezKP-Online-Lösung:
    Bei der DezKP (Dezentraler Kommunikationspartner) Lösung muss der Aus- oder Einführer über eine EORI-Nummer verfügen. Er muss einen zivilrechtlichen Vertrag mit einem DezKP abschließen. Bei dieser Anmeldevariante hat der Aus- oder Einführer selbst weder eine BIN (BeteiligtenIdentifikations-Nummer) noch ist er bei der Koordinierungsstelle in Weiden für die Atlas-Teilnahme registriert. Der DezKP verfügt über eine eigene EORI-Nummer, darüber hinaus über eine BIN und ist als Teilnehmer bei der KoSt Atlas (Atlas Koordinierungsstelle) erfasst. Bei dieser Variante fungiert der Softwareanbieter (DezKP) als technischer Briefträger für die Anmeldung, jedoch ist er nie der zollrechtliche Vertreter des Aus- oder Einführers.
    Inhouse-Lösung:
    Diese Variante ist die kostspieligste unter den bisher vorgestellten Lösungsmöglichkeiten. Der Teilnehmer benötigt ein eigenes Rechenzentrum, welches die Kommunikation mit der Zollverwaltung bei Aus- und Einfuhranmeldungen in der korrekten EDIFACT (Electronic Date Interchange for Administration, Commerce and Transport) Verschlüsselung beim Nachrichtenaustausch ermöglicht. Diese Variante sollte bei sehr häufigen Zollanmeldungen in Drittländer in Erwägung gezogen werden.

Codenummer/Zolltarifnummer (Warennummer)

Jede Ware wird im grenzüberschreitenden Warenverkehr außerhalb der EU mit einer sogenannten Codenummer/Zolltarifnummer (Warennummer) in der Zollanmeldung versehen. Für die Einfuhrseite erfolgt die Verschlüsselung der Ware auf der 11-stelligen Codenummer und im Bereich der Ausfuhr auf der 8-stelligen Zolltarifnummer (Warennummer). Die Kombinierte Nomenklatur ist ein systematisch aufgebautes Warenverzeichnis für den Außenhandel und schafft die Basis des EU-Zolltarifs.
Anhand von Codenummern/Zolltarifnummern für Waren bestimmen sich je nach Geschäftsrichtung (Einfuhr oder Ausfuhr) die Zölle, Steuern, Verbote und Handelsbeschränkungen, Genehmigungs- und Lizenzverfahren, Zollkontingente sowie Präferenzkalkulationen. Daher ist die korrekte Einreihung von Waren in den EU-Zolltarif im Handel mit Drittländern von großer Bedeutung. Eine frühzeitige Einreihung (Codenummern/Zolltarifnummern) der Waren sollte vorgenommen werden. 

Ausfuhr- und Einfuhrgenehmigungen

Von britischen Zollbehörden ausgestellte Einfuhrlizenzen mit bislang EU-weiter Gültigkeit verlieren bei einem „harten Brexit“ ihre Gültigkeit für die EU. Entsprechendes gilt für die Ausfuhr: Ist Großbritannien Drittland, bedarf die Ausfuhr bestimmter Güter nach Großbritannien einer Ausfuhrgenehmigung vom BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle). Weitere Einzelheiten zu den grundsätzlichen Bestimmungen der Exportkontrolle stehen hier, die dann bei einem harten Brexit auf das Vereinigte Königreich zum größten Teil zutreffen würden.

Zusätzlich benannte die EU-Kommission eine Reihe von Waren, die von Genehmigungserfordernissen im Falle eines „harten“ Brexits betroffen wären
  • Abfälle
  • Gefährliche Chemikalien
  • Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen
  • Quecksilber und bestimmte Quecksilbergemische
  • Ausgangsstoffe für Drogen
  • Genetisch veränderte Organismen
  • Gefährdete Tier- und Pflanzenarten
  • Exemplare wildlebender Tier- und Pflanzenarten
  • Kulturgüter
  • Rohdiamanten
  • Dual-Use-Güter (Güter mit doppeltem Verwendungszweck)
  • Schusswaffen und Munition
  • Militärtechnologie und -güter
  • Güter, die zur Vollstreckung der Todesstrafe oder für Folter verwendet werden.
Hinweise dazu finden sich auf der Seite des BAFA hier. Die Britische Regierung hat für den Fall des "harten Brexits" hier das weitere Prozedere bei der Ausfuhr kontrollpflichtiger Güter aus UK erläutert: www.gov.uk
Des Weiteren wären bei der Einfuhr von betroffenen Eisen-, Stahl- und Aluminiumerzeugnissen Überwachungsdokumente beim Bundesamt für Wirtschaft- und Ausfuhrkontrolle zu beantragen. Weitere Einzelheiten stehen hier.

Ursprungszeugnis

Die EU verlangt bei der Einfuhr von Waren aus Drittländern grundsätzlich keine Ursprungszeugnisse; so wird es auch bei diesem Grundsatz für Waren aus dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit bleiben. Allerdings kann es durchaus sein, dass das Vereinigte Königreich nach dem Brexit bei der Einfuhr von bestimmten Erzeugnissen aus der EU Ursprungszeugnisse fordern wird. Deshalb sollten Unternehmen sicherstellen, dass für ihre Waren, die sie schon heute in das Vereinigte Königreich liefern geeignete Ursprungsnachweise für die Beantragung von Ursprungszeugnissen vorliegen, sofern derartige Maßnahmen in Kraft treten sollten. Weitere Einzelheiten zu Ursprungszeugnissen sind hier zu finden.

Handelsrechnung

Bei Einfuhr von Waren sind Handelsrechnungen zum Zwecke der Verzollung erforderlich. Weitere Einzelheiten zur Erstellung von Handelsrechnungen sind hier zu finden.

Carnet A.T.A.

Nach der Übergangsphase ohne weitere Vereinbarung können Waren vorübergehend für Berufsausrüstung, Messegut und Warenmuster entweder über ein sogenanntes Carnet A.T.A. oder über die nationalen Zollverfahren in das Vereinigte Königreich oder die EU verbracht oder eingeführt werden.
Das Carnet A.T.A. ist ein internationaler Zollpassierschein, der für die vorübergehende Verbringung von geeigneten Waren ins Ausland zur Anwendung kommt. Die Industrie- und Handelskammern sind für die Ausstellung zuständig. Weitere Einzelheiten zum Carnet A.T.A. sind hier zu finden.
Waren, die nicht als Berufsausrüstung, Messegut und Warenmuster nach den Carnet-Vorschriften eingestuft werden, könnten dann nur noch über die nationalen Zollverfahren vorübergehend aus- bzw. eingeführt werden.

Holzpaletten

ISPM15 - Standard zur Verwendung behandelter Holzpaletten

Holzpaletten, die aus Drittstaaten in die EU eingeführt werden, müssen dem Standard ISPM15 entsprechen, also Hitze behandelt oder begast sein. Im Vereinigten Königreich stehen aber nur wenige dieser Paletten zur Verfügung. Im Falle eines ungeordneten Austritts könnte dies die Exporte in die EU stark beeinträchtigen. Verlader und Spediteure aus der EU werden Probleme haben, ihre eigenen Paletten zurück zu bekommen. Bei einem Austritt mit ausgehandeltem Abkommen dürfen dagegen alle bisher verwendeten Paletten genutzt werden.

Rückwaren nach dem Brexit

Kürzlich informierte die Zollverwaltung über die Anmeldung von Rückwaren nach dem Brexit. Für Waren, die vor dem Brexit in das Vereinigte Königreich verbracht wurden, ist für eine einfuhrbefreite Einfuhr ein Nachweis zum einstweiligen Unionscharakter der Waren erforderlich. Deshalb ist in einer Einfuhrzollanmeldung als Nachweis des Unionscharakters die Unterlagen-Codierung „9DCA“ anzugeben.

Mögliche ungeordnete EU-Handelsbeziehungen

Mit Blick auf mögliche ungeordnete EU-Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich ab 01. Januar 2021 hat die EU-Kommission aktuelles Informationsmaterial zusammengestellt. Sieben der wichtigsten “Notices” wurden überarbeitet, um Unternehmen auf das Ende der Übergangsphase hinzuweisen. Enthalten sind u.a. Informationen zu industriellen Produkten, Luftverkehr und Medizin sowie dem künftigen Status Nordirlands. 

Weitere Informationsquellen

DIHK-Brexit-Newsletter

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) berichtet auf einer Brexit-Sonderseite über die bisherigen Ereignisse, die nun folgenden Schritte und hält Sie mit einem Brexit-Newsletter auf dem Laufenden.

Informationen des BMWi

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bietet  Informationen zum Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union an. Neben einem Überblick über die aktuellen Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien werden mögliche Auswirkungen für Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger beleuchtet.

Zoll

Welche Änderungen im Warenverkehr können auf die Unternehmen zu kommen? Mit welchen neuen Anforderungen könnte die Wirtschaft konfrontiert werden? Der Zoll hält Sie auf dem Laufenden.

Hinweise für einzelne Wirtschaftssektoren

Die Europäische Kommission veröffentlicht fortlaufend technische Mitteilungen zu einzelnen Sektoren, damit Wirtschaftsteilnehmer sich rechtzeitig auf den Austritt des Vereinigten Königreichs vorbereiten können. Die Mitteilungen sind an einer Stelle gebündelt auf der Website der Kommission zu finden.