Produktsicherheit

Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) dient der Umsetzung von Europäischen Richtlinien zum Inverkehrbringen und Bereitstellen von sicheren Produkten auf dem deutschen Markt.

Rechtlicher Rahmen

Egal ob Hersteller, Importeur oder Händler – jeder, der Produkte auf den deutschen Markt bringt, hat hohe Verbraucherschutz- und Sicherheitsstandards zu beachten.
Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) setzt die EU-Richtlinie zur Allgemeinen Produktsicherheit (2001/95/EG) in deutsches Recht um. Das Gesetz bildet auch den Rahmen, um bestimmte produkt- bzw. gefährdungsspezifische europäische Richtlinien  in deutsches Recht (Verordnungen zum ProdSG) umzusetzen, wie zum Beispiel:
  • Richtlinie für elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen (2014/35/EU)
  • Richtlinie für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (2014/34/EU)
  • Richtlinie über einfache Druckbehälter (2014/29/EU)
  • Richtlinie über Druckgeräte (2014/68/EU)
  • Richtlinie über Maschinen (2006/42/EG)
  • Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen (EU) 2016/425
Ab 13. Dezember 2024 wird die Richtlinie durch die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit abgelöst. Sie gilt dann in jedem Nationalstaat der EU unmittelbar. Bestimmte Vorgaben der EU-Verordnung müssen jedoch in nationales Recht umgesetzt werden. Bisher liegt ein Entwurf der Bundesregierung für ein neues Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) vor.

Anwendungsbereich

Das Produktsicherheitsgesetz ist bis zum 12. Dezember 2024 die zentrale Regelung für den Vertrieb von Non-Food-Produkten in Deutschland. Sie regelt das Inverkehrbringen bzw. Bereitstellen grundsätzlich von Produkten im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung, soweit nicht in anderen Rechtsvorschriften „entsprechende oder weitergehende Anforderungen“ an die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit vorgesehen sind. Gelten für ein Produkt spezielle Regelungen, wie beispielsweise die Maschinenrichtlinie, haben diese Vorrang.
Das Gesetz gilt nicht für
  • Medizinprodukte,
  • Druckgeräte, Verpackungen und Tanks für die Beförderung gefährlicher Güter,
  • Lebens- und Futtermittel,
  • Pflanzenschutzmittel,
  • lebende Pflanzen und Tiere,
  • Antiquitäten und
  • gebrauchte Produkte, die vor ihrer Verwendung instand gesetzt oder wiederaufgearbeitet werden müssen, sofern der Wirtschaftsakteur denjenigen, an den sie abgegeben werden, darüber ausreichend unterrichtet.

Begriffsbestimmungen

Das ProdSG findet Anwendung, wenn Produkte im Rahmen einer Geschäftstätigkeit auf dem Markt bereitgestellt, ausgestellt oder erstmals verwendet werden. Es gilt nicht nur für Verbraucherprodukte. Wichtige Begriffe:
Produkte: Waren, Stoffe oder Gemische, die durch einen Fertigungsprozess hergestellt worden sind
Bereitstellen auf dem Markt: jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produktes zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Europäischen Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit
Inverkehrbringen: erstmalige Bereitstellung auf dem Europäischen Markt. Die Einfuhr in den Europäischen Wirtschaftsraum steht dem Inverkehrbringen eines neuen Produktes gleich.
Ausstellen: Aufstellen oder Vorführen von Produkten zu Zwecken der Werbung
Verbraucherprodukte: neue, gebrauchte oder wiederaufgearbeitete Produkte, die direkt für den privaten (End-)Verbraucher bestimmt sind (z. B. Möbel) oder die vernünftigerweise unter vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnten, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind (z. B. Gerüste). Dazu zählen auch Produkte, die im Rahmen von Dienstleistungen zur Verfügung gestellt werden (z. B. Leihgeräte). Diese Produktgruppe muss besondere Anforderungen erfüllen.

An wen richtet sich das Produktsicherheitsgesetz?

Hersteller ist, wer ein Produkt herstellt und dieses unter dem eigenen Namen in Verkehr bringt. Dabei muss er das Produkt nicht selbst herstellen, sondern kann es auch unter seinem Namen beziehungsweise seiner Marke in Verkehr bringen (als sog. Quasi-Hersteller). Auch als Hersteller gilt, wer ein Produkt wiederaufarbeitet oder die Sicherheitseigenschaften eines Verbraucherprodukts beeinflusst und dieses anschließend auf dem Markt bereitstellt.
Der Bevollmächtigte ist im Europäischen Wirtschaftsraum niedergelassen und wird vom Hersteller schriftlich beauftragt, in seinem Namen die Verpflichtungen des Herstellers zu erfüllen; er ist Ansprechpartner für die Behörden.
Der Einführer (Importeur) ist ebenfalls in der EU niedergelassen und bringt ein Produkt aus einem Drittland auf dem Gemeinschaftsmarkt in Verkehr. Er muss die Marktaufsichtsbehörden auf Nachfrage mit den notwendigen Informationen versorgen.
Händler ist jeder, der geschäftsmäßig ein Produkt auf dem Markt bereitstellt und nicht Hersteller, Bevollmächtigter oder Einführer ist. Ein Händler darf kein Produkt verkaufen, von dem er weiß, dass es nicht sicher ist.
Fulfilment-Dienstleister bieten im Rahmen einer Geschäftstätigkeit mindestens zwei der folgenden Dienstleistungen an: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten, an denen sie kein Eigentumsrecht haben. Ein Fulfilment-Dienstleister darf kein Produkt weitergeben, von dem er weiß, dass es nicht sicher ist.

Beurteilung der Sicherheit eines Produktes

Nach § 3 des ProdSG sind grundsätzlich vier Aspekte zu beachten:
  1. Eigenschaften eines Produktes
    Zusammensetzung, Verpackung, Anleitungen für den Zusammenbau, Installation, Wartung, Gebrauchsdauer
  2. Mögliche Ein- und Wechselwirkungen auf andere Produkte
    sofern eine Verwendung mit anderen Produkten zu erwarten ist
  3. Produktbezogenen Angaben
    Aufmachung, Kennzeichnung, Warnhinweise, Gebrauchs- und Bedienungsanleitung, Angaben zur Beseitigung sowie sonstige produktbezogenen Angaben oder Informationen
  4. Verbraucher bzw. besonders gefährdete Verwendergruppen
Sind für die sichere Verwendung oder Instandhaltung eines Produktes bestimmte Regeln zu beachten, so muss eine Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache beigelegt werden, die die potenziellen Gefahrenquellen und/oder spezielle Sicherheitshinweise enthält. Für die Erstellung dient die Norm DIN EN 82079-1 als Orientierung.

Besondere Anforderungen an Verbraucherprodukte

§ 6 ProdSG stellt für Verbraucherprodukte zusätzliche Anforderungen an die Wirtschaftsakteure der Lieferkette.
Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher: Grundsätzlich haben der Hersteller, sein Bevollmächtigter oder der Importeur eine Informationspflicht gegenüber dem Verbraucher: Sie müssen über mögliche Gefahren bei der Verwendung eines bestimmten Produktes aufklären. Dies erfolgt in einer deutschsprachigen Gebrauchsanweisung.
Produktkennzeichnung: In der Regel ist jedes Produkt direkt und dauerhaft zu kennzeichnen.
  • Kontaktanschrift (postalische Anschrift des Herstellers bzw. des Bevollmächtigten oder des Einführers bei Einfuhr aus einem Drittstaat). Eine Internetadresse reicht nicht aus.
  • eindeutige Identifikationskennzeichnung (z. B. Marke, Modell und Typ).
Wenn die Anbringung auf dem Produkt nicht möglich ist, kann die Kennzeichnung auch auf der Verpackung erfolgen. Die Angaben zur Produktkennzeichnung können ausnahmsweise entfallen, wenn der Wegfall vertretbar ist, insbesondere weil sie dem Verbraucher bereits bekannt sind oder weil der Aufwand, sie anzubringen, unverhältnismäßig wäre.
Vorkehrungen zur Vermeidung von Risiken: Hersteller können diese Pflicht am besten dadurch erfüllen, in dem sie die Risiken des Produktes in allen Phasen des Produktlebenszyklus analysieren, dokumentieren und auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse halten. Dies ist jedoch im Rahmen des ProdSG kein Muss, wenn dies nicht spezifischere Regelungen erfordern.
Um die Sicherheit der Produkte am Markt zu überwachen, müssen Hersteller, Bevollmächtigte und Einführer Stichproben durchführen und Beschwerden prüfen.
Hersteller, Bevollmächtigte und Einführer müssen Vorkehrungen für geeignete und angemessene Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken treffen, wie z. B. Rücknahme, angemessene und wirksame Warnungen oder Rückruf.
Die entsprechende Information an die zuständige Behörde, die Rücknahme von Produkten  und insbesondere Rückrufaktionen können sehr aufwändig sein und sollten vorab geplant und durchgespielt werden. So sollten Ansprechpartner benannt und ein Kommunikationsplan erstellt werden, der die zu kontaktierenden Zielgruppen und die Art und Weise der Kontaktaufnahme festlegt.
Wenn der Hersteller, Einführer, Fulfillment-Dienstleister oder Händler weiß (oder auf Grund vorliegender Informationen oder aus Erfahrung wissen muss), dass von einem bereits auf dem Markt bereitgestellten Produkt eine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit von Personen ausgeht, muss er unverzüglich die Marktüberwachungsbehörde unterrichten. Er hat dabei insbesondere über Maßnahmen zu informieren, die er zur Abwendung dieser Gefahren getroffen hat. Die Behörde darf diese Informationen jedoch nicht zur strafrechtlichen Verfolgung nutzen.

Maßnahmen zum Schutz gegen Haftungsrisiken

Durch das ProdSG können sich Haftungsrisiken ergeben, nicht zuletzt auch durch die vernünftigerweise vorhersehbaren Anwendungen eines Produktes.
Tipps:
  • Bringen Sie nur sichere Produkte auf den Markt.
    Prüfen Sie ein Produkt vor der Markteinführung mit einer Risikobeurteilung.
  • Nutzen Sie ein ganzheitliches Risikomanagement.
    Untersuchen Sie alle potenziellen Fehlerquellen, v.a. auch fremdproduzierte Teile eines Produktes. Beachten Sie dabei unbedingt alle Phasen der Anwendung: Transport, Installation, Rüsten, Betrieb, Wartung, Reinigung, Fehlersuche, Instandsetzung und Demontage.
  • Beachten Sie die in § 6 ProdSG aufgezählten Pflichten beim Bereitstellen des Produktes auf dem Markt.
  • Holen Sie externen Rat von Behörden und Organisationen ein.
    Starten Sie damit schon in der Entwicklungsphase, vor allem für Produkte, die Sie in Drittländer verkaufen.
  • Setzen Sie sich die Verbraucherbrille auf.
    Rechnen Sie bei Ihren Produkten auch mit einer anderen Verwendung durch den Verbraucher. Dies gilt vor allem für sog. Migrationsprodukte, die vom Hersteller zwar für die gewerbliche Nutzung bestimmt sind, die aber unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen auch von privaten Verbrauchern benutzt werden können, wie Handmaschinen im Heimwerkerbereich.
  • Prüfen Sie jede Änderung eines Produktes unter Sicherheitsaspekten.
  • Beheben Sie jeden Fehler sofort.
    Ein Warnhinweis allein genügt nicht.
  • Im Schadensfall haften Sie.
    Als Hersteller können Sie sich nicht darauf berufen, dass Sie ein Produkt auftragsgemäß, also nach Wunsch des Kunden, gefertigt haben.
Achten Sie auf eine vollständige Dokumentation. Dazu gehören unter anderem:
  • Gebrauchs- bzw. Bedienungsanleitung
  • Sicherheitshinweise Beschreibung des Produkts
  • Technische Daten
  • Name und Anschrift des Herstellers
  • Serviceadressen und Lieferanten von Zubehör- und Ersatzteilen
  • Montageanweisung, Garantie- und Gewährleistungshinweise
  • Informationen zur Außerbetriebnahme sowie zur Reinigung und Entsorgung

EU-Produktsicherheits-Verordnung

Im Mai 2023 ist die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden. Die Verordnung muss ab 13. Dezember 2024 in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar angewendet werden. Die Verordnung gilt vollumfänglich für alle ab diesem Datum in Verkehr gebrachten oder auf dem Markt bereitgestellten Verbraucherprodukte, für die keine spezifischen unionsrechtlichen Bestimmungen über die Sicherheit der betreffenden Produkte gelten (z. B. Maschinenrichtlinie, Niederspannungsrichtlinie o.ä.). Neu: Künftig müssen Hersteller beispielsweise eine Risikobewertung des Produkts vornehmen und eine technische Dokumentation erstellen und diese den Überwachungsbehörden zur Verfügung stellen.

Wo finde ich EU-Produktanforderungen?

Die Datenbank von Access2Markets listet EU-weit harmonisierte Anforderungen an Produktgruppen oder Produktmerkmale auf. Darüber hinaus sind ggf. national geltende Vorschriften zu beachten, die nicht EU-weit harmonisiert sind. Die Datenbank enthält Informationen zu:
  • Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das jeweilige Produkt,
  • zuständigen Behörden, die über spezifische Produktanforderungen informieren,
  • Mehrwert- und Verbrauchssteuersätzen, die im jeweiligen EU-Land erhoben werden.
Die Access2Markets-Datenbank ist anhand der Zollcodes strukturiert.