Bundeskabinett hat Energieeffizienzgesetz beschlossen
Nach langwierigen Diskussionen hat das Bundeskabinett im April den Entwurf des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) (PDF-Datei · 903 KB) beschlossen. Mit dem EnEfG sollen wesentliche Anforderungen der europäischen Energieeffizienz-Richtlinie national umgesetzt werden. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat zum Referentenentwurf Stellung (PDF-Datei · 647 KB) bezogen. Die wichtigsten Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf betreffen die Beseitigung von Interpretationsspielräumen zur Umsetzungspflicht von Maßnahmen sowie die Einführung einer Bagatellgrenze bei den Pflichten zur Abwärmenutzung. Der Entwurf geht nun ins parlamentarische Verfahren und zwar ohne Bundesratsbeteiligung.
Energieeffizienzziele
Das Gesetz normiert absolute Primär- und Endenergieeinsparziele und setzt den maximalen Endenergieverbrauch für 2030 auf 1.867 TWh und den maximalen Primärenergieverbrauch auf 2.252 TWh.
Einsparverpflichtung für Bund, Länder und öffentliche Stellen
Bund und Ländern sollen zudem ab 2024 jährliche Endenergieeinsparung von zusammen mindestens 50 TWh „bewirken“. Öffentliche Stellen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 1 GWh sind bis zum Jahr 2045 zu jährlichen Endenergieeinsparungen von 2 Prozent verpflichtet und müssen ein vereinfachtes Energiemanagementsystem (EMS) bzw. ab 3 GWh ein umfassendes EMS/UMS einführen.
Managementpflichten für Unternehmen
Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 15 GWh müssen ein EMS/UMS mit zusätzlichen Anforderungen (detaillierte Abwärmeerfassung, technisch realisierbare Einspar- und Abwärmemaßnahmen, Maßnahmenbewertung nach DIN EN 17463) einführen. Unternehmen mit einem jährlichen Gesamtendenergieverbrauch größer 2,5 GWh müssen für alle nach DIN EN 17463 als wirtschaftlich identifizierten Maßnahmen binnen 3 Jahren Umsetzungspläne entwickeln und veröffentlichen, die wie auch wegen fehlender Wirtschaftlichkeit nicht erfasste Maßnahmen durch Zertifizierer oder Energieauditoren zu bestätigen sind.
Externe und unternehmensinterne Rechenzentren
Die Kabinettfassung fordert umfangreiche und weitgehende Energieeffizienzanforderungen sowie Berichtspflichten für bestehende und neue Rechenzentren (mit einer nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung ab 200 Kilowatt) sowie weitergehende Abwärmenutzungsanforderungen für neue Rechenzentren. Zudem müssen Rechenzentren ab nächstem Jahr 50 Prozent ihres Stromverbrauchs bilanziell durch ungeförderten EE-Strom decken, ab 2027 100 Prozent. Rechenzentren (sowie “Betreiber von Informationstechnik” mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 50 Kilowatt in Rechenzentren) müssen außerdem ab 1. Juli 2025 ein EMS/UMS betreiben. Für Rechenzentren von Unternehmen mit einer nicht redundanten elektrischen Nennanschlussleistung ab 1 Megawatt sowie für “Betreiber von Informationstechnik” mit einer nicht redundanten Nennanschlussleistung ab 500 Kilowatt besteht bereits ab 1. Januar 2025 die Pflicht zur Zertifizierung bzw. Validierung ihres EMS/UMS.
Abwärme
Unternehmen mit einem Gesamtendenergieverbrauch von mehr als 2,5 GWh haben Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden, auf den Anteil technisch unvermeidbarer Abwärme zu reduzieren und nach Möglichkeit durch Abwärmenutzung – auch durch Dritte – wiederzuverwenden. Sie müssen auf Verlangen detaillierte Abwärmeinformationen an Betreiber von Wärmenetzen, Fernwärmeversorgungsunternehmen und sonstige potenziell wärmeabnehmende Unternehmen weitergeben und diese Informationen außerdem jedes Jahr bis zum 31. März an die Bundesstelle für Energieeffizienz übermitteln, die sie auf einer öffentlichen Plattform zur Verfügung stellt.
Klimaneutrale Unternehmen
Das EnEfG enthält eine Verordnungsermächtigung (mit BR-Zustimmung) zur Definition „klimaneutraler Unternehmen“ und zu Ausnahmen und Befreiungen von den Anforderungen an Rechenzentren und hinsichtlich der Abwärme-Nutzung.
Bußgelder
Bei einem Verstoß gegen die Regelungen des EnEfG können Bußgelder von bis zu 100.000 Euro verhängt werden.
DIHK-Einschätzung:
- Mit dem Europäischen und dem Nationalen Emissionshandel besteht ein funktionierender Rahmen für die Senkung der CO2-Emissionen in der Wirtschaft. Weitere Maßnahmen und Ziele - insbesondere ordnungsrechtliche Vorgaben - sind daher aus Sicht der DIHK nicht notwendig und werden von der Wirtschaft ganz überwiegend kritisch gesehen.
- Die vorgesehene gesetzliche Festlegung eines absoluten Endenergielimits bzw. -ziels ist der falsche Weg und sollte durch ein indikatives, nationales Einsparziel ersetzt werden, wie es auch die europäische Energieeffizienzrichtlinie vorsieht. Die Festsetzung von Endenergieeinsparzielen kann dazu führen, dass wirtschaftliches Wachstum eingeschränkt wird. So wäre bei gegebener Endenergieproduktivitätssteigerung von 1,6 Prozent pro Jahr (Trend 1990 bis 2021) das Endenergieziel von höchstens 1.867 TWh zwangsläufig nur mit einer verringerten Wirtschaftsleistung gegenüber 2021 von rund 350 Mrd. Euro oder mehr als minus 10 Prozent erreichbar. Eine politisch normierte Limitierung des Endenergieeinsatzes hat daher gesamtwirtschaftlich eine Reduktion des Bruttoinlandsproduktes zur Folge. Damit das deutsche BIP noch zulegen kann, müsste sich die Endenergieproduktivität mindestens verdoppeln.
- Die im Referentenentwurf noch enthaltene Umsetzungsverpflichtung für vom Gesetzgeber definierte wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen hat die DIHK abgelehnt, weil sie einen massiven Eingriff in die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen darstellt. Es kann aus betrieblicher Sicht sinnvoller sein, trotz ggf. bestehender Wirtschaftlichkeit in andere Maßnahmen wie PV-Anlagen oder Forschung und Entwicklung zu investieren. Auch hinsichtlich der Herausforderungen der Energiewende kann eine Investition in Flexibilität ggf. sinnvoller sein als absolute Einsparung.
- Die Spezialvorschriften für Rechenzentren stellen eine Benachteiligung dieser Betriebe im europäischen Wettbewerb dar. Die DIHK sieht diese Regelungen daher kritisch. Generelle Offenlegungspflichten für konkrete Maßnahmenpläne, Abwärmepotenziale oder spezifische Informationen zu Rechenzentren sollten gestrichen werden. Sie umfassen sensible Daten, die Rückschlüsse auf Standorte, Produktionsverfahren und Betriebsparameter zulassen, und damit die Wettbewerbsfähigkeit gefährden oder sogar die Sicherheit kritischer Infrastrukturen.Da Maßnahmenpläne außerdem integraler Bestandteil der Normenanforderungen sind, reichen die geforderten Nachweise über Audit oder Managementsystem gegenüber staatlichen Stellen völlig aus und vermeiden unnötige Bürokratie in Politik und Verwaltung.
- Vor dem Hintergrund der unbestimmten Rechtsbegriffe „möglich und zumutbar“ führen die umfassenden Abwärmeverpflichtungen zu unnötiger Rechtsunsicherheiten und können die Betriebe überfordern. Zudem sind die Offenlegungspflichten der Abwärmepotenziale nach § 17 Absatz 1 überflüssig. Denn identische Daten sind nach Absatz 2 an die Bundesstelle für Energieeffizienz zu übermitteln und werden über eine öffentlich zugängliche Plattform verfügbar gemacht. Circa 75 Prozent des industriellen Endenergieverbrauchs ist Wärmeanwendungen zuzurechnen, der überwiegende Anteil davon wiederum der Prozesswärme. Mithin liegt die effiziente Erzeugung und Nutzung von Wärme im ureigensten Interesse der Betriebe – einschließlich der Vermeidung unnötiger Abwärme sowie der „Wiederverwendung“ unvermeidbarer Abwärme. Die im Energieeffizienzgesetz vorgesehene umfassende und undifferenzierte Pflicht zur Vermeidung und Wiederverwendung von Abwärme, ohne jegliche Verhältnismäßigkeits- oder Wesentlichkeitskriterien, berücksichtigt dagegen keine individuellen Einflussgrößen im Unternehmen. Ferner blenden die undifferenzierten Abwärmeverpflichtungen die Möglichkeit aus, dass trotz Vermeidung und umfassender Nutzung immer noch unvermeidbare und nicht nutzbare Abwärme im Unternehmen anfällt. Sinnvoller wäre es, Abwärme den erneuerbaren Energien grundsätzlich und uneingeschränkt gleichzustellen und eine Abnahmeverpflichtung durch Wärmenetzbetreiber einzuführen.
- Die DIHK hat zudem darauf hingewiesen, dass an vielen Stellen qualifiziertes Personal in den Betrieben, aber auch bei Dienstleistern und Auditoren, fehlt und gesetzliche Anforderungen am Fachkräftemangel scheitern können.
(Quelle DIHK)