Schwieriger Neubeginn

Mit dem Zusammenbruch Deutschlands war auch die Wirtschaft im heutigen Mittelhessen weitgehend zum Erliegen gekommen. Schwere Schäden an Wohngebäuden, Produktionsstätten und Verkehrswegen, die Schwächung des Arbeitspotentials der Bevölkerung und die Ungewissheit über die politische Zukunft machten den Wiederaufbau zum fast aussichtslos scheinenden Unterfangen.
Der Krieg hatte bei allen katastrophale seelische Schäden hinterlassen. Millionen Arbeitsfähige waren gefallen, weitere Millionen befanden sich in den Kriegsgefangenenlagern der Alliierten. Heimatvertriebene und Entwurzelte irrten ziellos umher. Hoffnungslosigkeit machte sich breit. Dass der Wiederaufbau dennoch gelang, und sich schließlich zum „Wirtschaftswunder“ aufschwang, zählt zu den bedeutendsten Leistungen der Nachkriegsgeschichte – bis heute.
Die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 markierte nicht nur das Ende des Nazi-Regimes, sondern auch das vorläufige Ende deutscher Staatlichkeit. Die vier Siegermächte teilten das Land in vier Besatzungszonen auf. Abgesehen von den Kommunalverwaltungen gab es zunächst noch keine überregionalen deutschen Behörden. Nur die Industrie- und Handelskammern konnten ihre Arbeit mit Duldung der Besatzungsmacht nach kurzer Unterbrechung fortsetzen. Die IHK Dillenburg nahm am 21. April 1945 ihre Arbeit wieder auf, zur gleichen Zeit organisierte sich auch die IHK Wetzlar neu.
In den ersten Tagen nach dem Vormarsch der US-Truppen herrschte Chaos. Die Amerikaner besetzten alle Fabriken, sodass schon deshalb keine Produktion möglich war. Am 29. März um 11 Uhr besetzten US-Panzer auch die Sophienhütte in Wetzlar. Während die ausgehungerten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter die Vorratsräume der Werkskantine plünderten, richtete sich die Militärregierung in der Hauptverwaltung der Buderus´schen Eisenwerke ein. Zutritt zum Werksgelände wurde nur ausgesuchten Werksangehörigen erlaubt. Die Burgerhütte war bereits am 28. März von Amerikanern besetzt worden. Nach der Räumung des Betriebes führten polnische Zwangsarbeiterinnen in der Fabrik ein strenges Regiment. „Unter ihren Befehlen“, erinnert sich der Buchhalter F. Göbel, „musste eine kleine Anzahl von Arbeitern Aufräumungsarbeiten verrichten. Erst am 13. August räumten die Polinnen das Werk.“ Ähnlich wie Buderus und den Burger Eisenwerken erging es vielen Unternehmen im Lahn-Dill-Gebiet. Selbst die Leitzwerke blieben geschlossen, bis ihre Rolle im Nationalsozialismus geklärt war. Erst nach drei Wochen durften 30 Arbeiter mit Sondererlaubnis das Werk wieder betreten, um Trümmer zu beseitigen.
Als die meisten Zwangsarbeiter/innen und Kriegsgefangenen in ihre Heimatländer zurückgekehrt waren, setzte der Zustrom von Vertriebenen aus den Ostgebieten und dem Sudetenland ein. 80.000 Flüchtlinge waren bereits vor Inkrafttreten des vom Alliierten Kontrollrat beschlossenen Ausweisungsplans am 20. 11. 1945 nach Hessen gekommen. Am 9. 2. 1946 traf dann der erste offizielle Transport von 893 Heimatvertriebenen in Wetzlar ein, denen bis Mitte Oktober 1946 weitere 19.855 Vertriebene folgten. Sie kamen zunächst in das bis 1947 bestehende Auffanglager Naunheim, von wo sie auf die Gemeinden des Kreises verteilt wurden. Ende 1946 lebten in Wetzlar 2.229 Heimatvertriebene. Vier Jahre später stellten sie mit 5.502 Einwohnern ein Fünftel der Wetzlarer Gesamtbevölkerung.
In den ersten drei Nachkriegsjahren kam die Wirtschaft nur schleppend in Gang. Im Oktober 1946 erreichte die hessische Industrieproduktion nur 40 Prozent des Vorkriegsniveaus, um vier Monate später sogar auf 25 Prozent des Niveaus von 1936 zurückzufallen. Schuld daran war ein sehr kalter Winter, der zu Ausfällen bei Bahn und Schifffahrt führte und die bestehenden Transport- und Energieversorgungsprobleme verschärfte. Auf den eisigen Winter folgte ein extrem trockener Sommer mit Missernten. Doch dank des milden Winters 1947/48 stieg die hessische Industrieproduktion dann im ersten Halbjahr 1948 auf 46 Prozent des Niveaus von 1936.
Angesichts der vielen Bilder zerstörter Städte, die nach Kriegsende in ganz Europa für Aufsehen sorgten, wäre es naheliegend, die Probleme auf zerstörte Produktionsanlagen zurückzuführen. Dem war nicht so. Denn im Vergleich zu den meisten Großstädten hatten sich die Schäden der Industrieanlagen im Lahn-Dill-Gebiet in Grenzen gehalten. Zwar hatten die Luftangriffe in Wetzlar 195 Deutschen und 62 Ausländern das Leben gekostet, 349 Wohngebäude zerstört, knapp 900 stark bis mittelstark und 3737 leicht beschädigt, jedoch, wie im Verwaltungsbericht der Stadt Wetzlar zu lesen ist, „nicht zur Zerstörung größerer industrieller Anlagen geführt“. So fanden die US-Truppen die Leitz-Werke wie auch eine unterirdische Panzerfabrik in tadellosem Zustand vor.
Auch die Demontage hatte kaum Auswirkungen auf die industrielle Entwicklung. Zwar hatte der Industrie- und Reparationsplan der Besatzungsmächte vorgesehen, die Industrieproduktion auf die Hälfte des Standes von 1938 zu begrenzen. Daher sollten alle Produktionsanlagen, die für die Erzeugung dieser Menge nicht notwendig waren, demontiert und als Reparation den von Deutschland zerstörten Ländern zur Verfügung gestellt werden. Jedoch konnten sich die Alliierten nicht über die Modalitäten des Plans einigen, und so wurden die Lieferungen an die Sowjetunion ausgesetzt. Das Demontageprogramm von Oktober 1947 listete schließlich nicht mehr die anfangs geforderten 112, sondern nur noch 51 Unternehmen auf, von denen die Hälfte reine Rüstungsbetriebe waren. Im Lahn-Dill-Gebiet wurden nur die Buderus´schen Eisenwerke, die Frank´schen Eisenwerke, Haas & Sohn und die Müller oHG zu einem symbolischen Beitrag verpflichtet: Zusammen traten diese Unternehmen Maschinen im Wert von 285.000 RM ab. Die Buderus´schen Eisenwerke verloren das Stahlwerk auf der Sophienhütte.
Problematischer war der Zusammenbruch der Verkehrsinfrastruktur. Bahnstrecken waren unterbrochen, Lokomotiven und Waggons unbrauchbar, Wasserstraßen durch gesprengte Brücken und havarierte Schiffe nicht befahrbar. Die Straßen im Lahn-Dill-Gebiet befanden sich in einem bedauernswerten Zustand. Zudem fehlte es an Lastkraftwagen. Nur 303 angemeldete Lkws und 512 Pkws gab es im Kreis Wetzlar. Da die Post nur wenige Busstrecken betrieb, mussten die Unternehmen den Berufsverkehr ihrer Mitarbeiter - bis zur Gründung der Wetzlarer Verkehrsgesellschaft 1949 – mit werkseigenen Lkws selbst organisieren. Diese Verkehrsengpässe behinderten die Kohlezufuhr aus dem Ruhrgebiet. Oft mussten Betriebe im Lahn-Dill-Gebiet mangels Kohle die Produktion unterbrechen. Weil auch die Kraftwerke zu wenig Kohle erhielten, litt die Stromversorgung. Im Sommer 1947 wurden die Zuteilungen gekürzt, weil die Wasserkraftwerke infolge lang anhaltender Trockenheit weniger Strom erzeugten. Neben fehlenden Transportmitteln behinderten auch die Zonengrenzen den Warenaustausch. Reglementierungen führten zu Handelshemmnissen, die erst durch die Vereinigung der amerikanischen und britischen Zone zur Bizone am 1. 1. 1947 beseitigt wurden.
Entnazifizierung
Die Entnazifizierung entzog den Betrieben erfahrenes Führungspersonal. Am intensivsten wurde sie in der amerikanischen Zone betrieben. Dort regelte das Gesetz vom 26.9.1947 die politische Säuberung der Wirtschaft. Alle Angestellten, die vor dem 1. Mai 1937 der NSDAP beigetreten waren, wurden entlassen und durften nur noch als Arbeiter beschäftigt werden. Das galt auch für Unternehmer. An ihre Stelle traten Treuhänder, die auf Vorschlag der Industrie- und Handelskammern eingesetzt wurden. Viele Firmen standen plötzlich ohne bisherige Leitung da. Betroffen waren Einzel- und Großhandelsgeschäfte, Apotheken und Gaststätten, aber auch die Stahlwerke Röchling-Buderus AG, die Hensoldt & Söhne Optische Werke AG, die Spinnerei und Weberei KG in Wetzlar und die Herkules-Werk GmbH. Mit der Durchführung der Entnazifizierung wurden die Industrie- und Handelskammern beauftragt. Natürlich mussten sich auch deren Mitarbeiter und Beiratsmitglieder einer Überprüfung unterziehen. Die Syndici der Bezirke Dillenburg und Wetzlar der Gauwirtschaftskammer Rhein-Main – die Industrie- und Handelskammern waren 1942 formal aufgelöst worden – wurden nicht übernommen. Die IHK Dillenburg wurde der Kammer Wetzlar zugeordnet. Auch Präsidium und Beirat mussten neu besetzt werden. Bei der IHK Wetzlar hatten die Amerikaner den Vorsitzenden der Bezirksstelle Wetzlar, Dipl. Ing. Fritz Rickeberg, zunächst im Amt belassen. Als seine Mitgliedschaft in der NSDAP bekannt wurde, musste er zurücktreten. Zu seinem Nachfolger wurde am 26. August Maximilian Wiedling von der Ernst Leitz GmbH ernannt.
Bis Januar 1946 wurden im Kreis Wetzlar im Rahmen der Entnazifizierung 580 Personen „in den Stand des gewöhnlichen Arbeiters“ zurückversetzt. Allein in der Stadt Wetzlar waren im März 1946 83 Einzelhandelsgeschäfte geschlossen; im Kreis Wetzlar waren es 345 Einzelhandelsgeschäfte, 240 Handwerks- und fünf Großhandelsbetriebe. Die Buderus´schen Eisenwerke mussten am Standort Wetzlar 100 Angestellte entlassen. Die meisten Betroffenen legten gegen die Entscheidung Widerspruch ein. Darüber entschieden von der US-Militärregierung eingesetzte „Antifa“-Ausschüsse. Sie hatten die Aufgabe, unter Heranziehung aller Beweismittel zu prüfen, ob es sich bei dem Antragsteller um einen aktiven Nazi oder nur um einen Mitläufer handelte. Innerhalb der Wetzlarer Antifa-Ausschüsse sowie zwischen Ausschüssen und Militärregierung kam es häufig zu Differenzen über die Einordnung der Fälle. Diese gingen so weit, dass die Ausschüsse am 14.12. 1945 beschlossen, ihre Arbeit vorübergehend einzustellen. Ihre Arbeit, beklagten sie, sei sinnlos, solange die Militärregierung allein auf der Basis formaler Kriterien entscheide. 1947 begann das Interesse der Amerikaner an der Entnazifizierung zu erlahmen. Die Mehrzahl der aus den Unternehmen verbannten Eigentümer und Angestellten kehrte in ihre früheren Positionen zurück. Carl Hensoldt, der in einem Lager für NS-Täter in Darmstadt interniert worden war, wurde 1949 als Minderbelasteter eingestuft und musste 15 Prozent seines Vermögens abtreten. Trotz seiner zwielichtigen NS-Vergangenheit überreichte ihm Bundespräsident Theodor Heuss später das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Produktionsaufnahme
In zähen Verhandlungen mit der amerikanischen Militärregierung erreichte die IHK Wetzlar, dass bis September 1945 98 Prozent der 101 Wetzlarer Industriebetriebe ihre Arbeit wieder aufnehmen konnte. Von den großen Betrieben lagen zu diesem Zeitpunkt nur noch das Hochofenwerk der Buderus´schen Eisenwerke und die Stahlerzeugung von Röchling-Buderus still. Der erste Hochofen auf der Sophienhütte wurde am 8. März 1946 wieder angeblasen; nach Inbetriebnahme des zweiten stieg der monatliche Gesamtausstoß auf 8.500 t Roheisen. Im November 1947 wurde auf der Sophienhütte ein zweiter Hochofen angeblasen, sodass die Roheisenproduktion nach kurzer Zeit den Stand des Jahres 1936 erreichte. Die Stahlwerke Röchling-Buderus nahmen im Mai 1947 zunächst den kleinsten der drei Elektroöfen und einen Monat später den Siemens-Martin-Ofen wieder in Betrieb. Der 15-t-Elektroofen konnte am 1. 9. 1948 die Produktion wieder aufnehmen. Doch die Lage hatte sich gewandelt: Improvisationsgeschick und ein Gespür für die Bedürfnisse des Nachkriegsmarkts waren erforderlich, um die Betriebe durch die schwierigen Jahre nach dem Krieg zu führen. Der Neubeginn der Gießereiindustrie wurde durch die starke Nachfrage nach Herden, Öfen, Kochtöpfen, Eimern und anderen Haushaltswaren begünstigt. Probleme bereitete der Mangel an Walzwerkerzeugnissen, die entweder auf dem Kompensationsweg oder aus gebrauchten Blechdosen und Aluminumschrott gewonnen wurden.
Auf der Burgerhütte lief die Produktion am 6. August 1945 mit 30 Mitarbeitern wieder an. Gegen Jahresende verließen monatlich fast 10.000 Öfen, fast 10.000 Herde und mehr als 900 Betonkocher das Werk. Die 70-köpfige Belegschaft der Schelderhütte fertigte seit dem 24. April 1945 Kochtöpfe, Bratpfannen, Bräter und andere Produkte aus Aluminiumlegierungen, die noch aus Kriegsbeständen vorrätig waren. Später erweiterte sie ihr Programm auf Stahlblechbecken, Kunststein-Wasserbrunnen, gusseiserne Badewannen und sonstigen Sanitäts- und Kanalguss. Bei den hessischen Industriewerken und den Stahlwerken Röchling-Buderus wurden 1945 und 1946 Eisenbahnwaggons in Stand gesetzt. Haas + Sohn widmete sich der Reparatur von Güterwaggons, bis die Bundesbahn diese Aufgabe selbst übernahm. 1948 gelang Haas + Sohn mit dem ölbeheizten Zimmerofen ein großer Erfolg. Die Firma Selzer in Roth, die während des Krieges Metallteile für Flugzeuge und Panzer gefertigt hatte, stellte 1945 Schuhplättchen her. Die Robert Kling GmbH in Oberbiel verlor mit dem alliierten Verbot der Kugellagerproduktion ihr Hauptbetätigungsfeld. Doch sie entwickelte aus der Not heraus eine kreative Alternative: Aus noch vorhandenen Kugelgitternetzen baute sie Metallbaukästen für Jugendliche, die bis zu Beginn der 1950er Jahre guten Absatz fanden. Ihr Kerngeschäft in den Nachkriegsjahren waren allerdings unter der Marke „Rokli“ vertriebene Rechenmaschinen. 1948 konnte Kling die Kugel- und Rollenlagerfabrikation wieder aufnehmen; 1953 beschäftigte das Unternehmen bereits über 700 Mitarbeiter. Die Optische Industrie Wetzlars fand 1945 günstige Ausgangsbedingungen vor – nicht zuletzt deswegen, weil ihre Produkte, allen voran die Leica-Kameras, bei den Angehörigen der Besatzungsmacht sehr beliebt waren. Die Ernst Leitz GmbH konnte dank guter Kontakte zur US-Militärregierung bereits im Frühjahr wieder produzieren. Ende Juni beschäftigte Leitz wieder 1.569 Mitarbeiter; bis zur Währungsreform am 20. Juni 1948 brachte es das Unternehmen auf eine Exportquote von 29 Prozent. Hensoldt nahm im Juni 1945 mit 125 Beschäftigten die Herstellung von Feldstechern wieder auf.
Ohne Kompensationsgeschäfte war es für die Unternehmen fast unmöglich, Material zu beschaffen und Fachkräfte an sich zu binden. Herd- und Ofenhersteller lieferten ihre Erzeugnisse meist in landwirtschaftliche Gebiete und ließen sich mit Gemüse und Obst bezahlen, das sie dann als Teil des Lohns an die Belegschaft abgaben. Bei Haas + Sohn erhielten die Beschäftigten an Stelle von Lohn Radreifen und Hufeisen, die sie bei Bauern gegen Lebensmittel eintauschen konnten.
Unternehmensneugründungen
Nach 1945 kam es zu zahlreichen Unternehmensneugründungen. Die meisten hielten sich nicht lange. Einige jedoch erwiesen sich als wettbewerbsfähig und trugen langfristig zur industriellen Vielfalt des Lahn-Dill-Gebiets bei. Die Mehrzahl der Neugründungen entfiel auf den Einzelhandel. Im Kreis Wetzlar wurden bis Anfang 1947 nur zwei Dutzend neue Einzelhandelsgeschäfte zugelassen. Fast 600 Anträge wurden abgewiesen, um eine Überbesetzung aller Handelszweige zu verhindern. Auch die Industrie im Kreis Wetzlar verzeichnete Zugänge. Bis zum 1. Juli 1947 gab es 72 Neugründungen. Von den 14.660 Industriearbeitsplätzen des Kreises Wetzlar entfielen Mitte 1947 immerhin 860 auf Neubetriebe, obwohl viele Anfragen wegen fehlender Flächen oder Betriebsräume abgewiesen wurden.
Mit der Ansiedlung des Radiowerks der Deutschen Philips GmbH erhielt das Lahn-Dill-Gebiet eine nennenswerte elektrotechnische Industrie. Der holländische Konzern hatte seit 1934 in Aachen Radiogeräte hergestellt. Nach der Zerstörung des Betriebs verlegte er die Produktion 1944 zunächst nach Thüringen und als Thüringen der sowjetischen Besatzungszone zugeordnet werden sollte, nach Niedereisenhausen an der Scheldetalbahn. Am 18. März bezog das Unternehmen die Fabrikgebäude der Pfeiffer-Apparatebau in der Brühlsbachstraße. Am 1. August 1947 lief das erste Radio vom Band. Die starke Nachfrage machte den Bau des neuen „Werks Nord“ erforderlich, wo 1952 das erste Autoradio vom Band lief. 1956 beschäftigte Philips 3.000 Menschen, davon 70 Prozent Frauen. Von 1946 bis 1981 entstanden in Wetzlar 7 Millionen Rundfunkgeräte und 14 Millionen Lautsprecher. Auch die Hailo-Werke Rudolf Loh GmbH & Co KG in Haiger und die Rittal GmbH & Co KG in Herborn sind in der Nachkriegszeit entstanden. Der gebürtige Wetzlarer Rudolf Loh gab 1947 seine Teilhaberschaft bei der Metallwarenfabrik Siegas auf und gründete in Haiger die Rudolf Loh Metallwarenfabrik GmbH, die er 1960 in Hailo-Werk Rudolf Loh umbenannte. In einer Kriegsruine stellte er zusammen mit seiner Frau und drei Mitarbeitern Sanitärmöbel und Metallbetten her. Serienproduktion ermöglichte ihm bereits 1949 eine Jahresproduktion von 100.000 Stück. 1960 wurden außerdem Sicherheitsleitern, Tische, Stühle und Hocker ebenfalls in Großserie produziert. 1961 gründete er in Rittershausen die Rudolf Loh KG, die Schaltschränke in Serie herstellte. 1969 firmierte das Unternehmen in „Rittal-Werke Rudolf Loh KG“ um. Im selben Jahr lieferte es den ersten modularen Schaltschrank in Gerüstbauweise. Damit gelang der heutigen Friedhelm Loh Group der Durchbruch zum mittelständischen Weltunternehmen. Die heutige Müller Safe GmbH geht auf das Jahr 1946 zurück. Damals begann der aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Gerhard Müller in Herborn mit der Herstellung kunstgewerblicher Erzeugnisse. Nach mehreren Ortswechseln baute er 1954 eine zerstörte Halle in Dillenburg auf und wandte sich der Herstellung von Tresoren und Sicherheitsschränken zu. Die Errichtung von Zweigwerken 1976 in Hirschberg/Dillkreis und 1980 in Herborn belegen den Erfolg seines Unternehmens, das 1985 120 Menschen beschäftigte, Wertschränke, Kassenschränke und Tresore herstellte und über einen Exportanteil von über 45 Prozent verfügte. Die Firmen Gebrüder Thielmann in Sechshelden, Weyel in Haiger und Linde + Wiemann in Dillenburg existierten zwar schon vor dem Krieg, entwickelten sich aber erst nach 1945 zu Industriebetrieben. Ungewöhnlich war der Werdegang von Walter Weyel aus Breitscheid, der durch Erfindungsreichtum und kluge Anpassung an die Nachkriegsbedingungen vom ambulanten Händler zum Top-Unternehmer aufstieg. 1924 bereiste er als Schultafellackierer und Hausierer mit Tinte, Kreide, Schwämmen und Lappen den Westerwald. Seit 1936 stellte er in einer Scheune in Haiger mit bescheidenem Erfolg selbst Schiefertafeln her. Aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt, nahm er seine frühere Tätigkeit wieder auf. Diesmal waren die Umstände günstiger: Die ausgebombten Schulen mussten neu ausgestattet werden – und so war die Nachfrage nach Schultafeln groß. Weil Schiefer Mangelware war, entwickelte er eine Glastafel, die guten Absatz fand. Sein Geschäft blühte. Und mit der Verbesserung der Schiebegestelle, der Herstellung elektrischer Tafelanlagen für Hochschulen und der didaktischen Optimierung der Schulwandtafeln verbesserte er ständig seine Marktposition. 1970 verlegte er Sitz und Produktion nach Haiger, wo eine neue Fabrikhalle und ein Verwaltungsgebäude entstanden. Cyrill Stoletzky