Folge VII: Mangelwirtschaft, Zwangsarbeit und Luftangriffe

Die Region in der NS-Kriegswirtschaft

Die deutsche Regierung war im August 1914 von einem schnellen Sieg ausgegangen – doch es war anders gekommen. Nach vier Jahren erbitterter Kämpfe hatte sich die Rohstoff-, Energie- und Ernährungslage so verschlechtert, dass es 1918 zu Unruhen in der Bevölkerung gekommen war. Nationale Kreise entwickelten daraus die „Dolchstoßlegende“, wonach die „von Sozialisten und Juden aufgewiegelte Heimatfront“ dem „im Felde unbesiegten Heer in den Rücken gefallen“ sei und so die militärische Niederlage herbeigeführt habe.
Hitler war von dieser Geschichtsfälschung so überzeugt, dass er der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und der Grundversorgung der Bevölkerung für den kommenden Krieg große Bedeutung beimaß. Und als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, existierten längst fertige Pläne für die Kriegswirtschaft. Und obwohl die Industrie in den Vorkriegsjahren massiv auf Kriegsproduktion eingeschworen war, war der Kriegsbeginn für die Menschen und die Betriebe an Lahn und Dill ein erneuter gravierender Einschnitt.  Die Unternehmen verloren nun auch den Rest der ihnen verbliebenen unternehmerischen Freiheiten - mit unterschiedlichen Folgen. Während viele Unternehmen und Rüstungsbetriebe, die bereits seit 1933 Wehrmacht, Marine und Luftwaffe belieferten, gut mit der neuen Situation umgingen und ihre Umsätze zeitweise vervielfachen konnten, wurden andere durch die notwendigen Umstellungen vor besonders starke Herausforderungen gestellt. Am schlimmsten traf es Kleingewerbliche und Handwerksbetriebe: Viele von ihnen mussten mangels Arbeitskräften, maschineller Ausstattung oder Rohstoffen ganz aufgeben. 
Blicken wir zurück: Bereits am 26. August 1939 erhielten die Unternehmen vom Gießener Rüstungskommando den Mobilisierungs-, wenige Tage später den „X-Befehl“. Damit wurden die im Vorfeld festgelegten Maßnahmen für die Rüstungsindustrie ausgelöst. Der Umstand, dass es keine zentrale Rüstungsbehörde gab, begünstigte den Konkurrenzkampf von Wehrmacht und Partei um Einfluss und Macht. Der Kompetenzwirrwarr verunsicherte die Unternehmen, ermöglichte ihnen aber auch eine begrenzte Einflussnahme auf die Organisation der Rüstungsproduktion und die Verteilung der Aufträge. Im Frühjahr 1940 wurde die Bildung von acht Arbeitsgemeinschaften der Munitionshersteller angeordnet. Buderus stellte mit seinen Vorständen Koehler und Gorschlüter die Vorsitzenden von gleich zwei Arbeitsgemeinschaften für die Fertigung von Munition, Bomben und Wurfgranaten. Gleichzeitig bildete sich eine Arbeitsgruppe für optische und feinmechanische Geräte. Damit war die gesamte Wirtschaft des Deutschen Reichs vollständig auf Kriegsproduktion ausgerichtet.
Haas + Sohn hatte bereits 1938 die Fertigung von Bunkeröfen für den Westwall aufgenommen und stellte schon kurz nach Kriegsbeginn Granatwerfer her. Im Puddel- und Walzwerk entstanden Ankerketteneisen, und die bereits 1932 geschaffene Abteilung  für Großkochgeräte erlebte im Krieg eine Blütezeit. 1943 wurde das Unternehmen als „Kriegsmusterbetrieb“ ausgezeichnet und Direktor Dr. Rathscheck zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.   Bei den Burger Eisenwerken hatte die Kriegsfertigung Anfang 1939 mit der Herstellung von Koch- und Munitionskisten sowie Bojen begonnen. 1941 kamen Abwurfgeräte dazu. Mit der Fertigung der 1937 in die Produktion aufgenommenen Großkochanlagen boomte während des Krieges ein Produktionszweig, auf dem nach dem Krieg aufgebaut werden konnte. Ab 1943 durften sich auch die Burger Eisenwerke „Kriegsmusterbetrieb“ nennen, nachdem zuvor schon ihr Werk Schelderhütte die begehrte Auszeichnung erhalten hatte: Dort hatte man die Graugussfertigung zugunsten der Verarbeitung von Leichtmetall völlig eingestellt. Zunächst wurden Flugzeugräder aus Silumin gegossen, später kamen der Flugzeug-Zellenguss und der Guss von Zylinderköpfen für Flugzeugmotoren hinzu.
Auch Meissner & Krämer arbeitete für die Luftwaffe. 1922 als Fabrik für Modelleinrichtungen und Gießereimaschinen gegründet, stellte das Unternehmen nunmehr Modelle für Flugzeugtriebwerke her.  Dagegen war die Maschinenfabrik Carl Doering in Sinn ein Betrieb, der während des Krieges nur geringfügig umstellen musste. Zwar wurden auch dort Granatkörper u.ä. gefertigt, doch das wichtigste Produkt, Wendelrutschen aus Hartguss, konnte wegen seiner Bedeutung für den kriegswichtigen Steinkohlebergbau weiterhin produziert werden.
Die Buderus‘schen Eisenwerke hatten – als bedeutendster Rüstungsbetrieb der Region – schon 1938 mit der Waffenfertigung begonnen. Nach Kriegsbeginn konnten sie ihre Kapazitäten schnell ausweiten, so auch durch die Anwendung des Schleudergussverfahrens bei der Herstellung von Kanonenrohren.  Der Krieg generierte bei Buderus Wachstum, veränderte aber auch die Strukturen. Eisenerzbergbau sowie Eisen- und Stahlerzeugung erlangten im Verhältnis zur Fertigwarenproduktion immer mehr Gewicht. Trotz größter Personalknappheit förderte Buderus während des Krieges jährlich 400.000 t Eisenerz und erschmolz 150.000 t Roheisen. 1944 gingen 70 Prozent der Produktion direkt an die Wehrmacht. Die Produktion für den zivilen Bedarf wurde immer mehr eingeschränkt. Die Buderus-Werke, die weiterhin Güter für den zivilen Bedarf herstellten, gerieten zunehmend unter Druck. Nur der politische Einfluss des Konzerns verhinderte ihre drohende Stilllegung.
Auch die Röchling-Buderus AG zählte zu den großen Rüstungsunternehmen – nicht zuletzt dank ihres Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Röchling, der über beste Kontakte zu NSDAP und zur Wehrmacht verfügte. Röchling, ein Vertrauter Hitlers und bekennender Antisemit, war 1935 dem Rüstungsbeirat beigetreten und wurde zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Er verfasste für Hitler mehrere Denkschriften, darunter 1936 eine mit dem Titel „Gedanken über die Vorbereitung zum Kriege und seine Durchführung“, in der er zum Krieg gegen die Sowjetunion riet, um das „Weltjudentum“ zu bekämpfen.  Wie Buderus verfügte auch die Röchling-Buderus AG über eine breite Palette kriegswichtiger Erzeugnisse – angefangen bei Panzerblechen und Panzergleisketten über Geschützrohre bis zu Granaten und Bomben.
Es waren aber nicht nur die Unternehmen der  Eisen- und Stahlindustrie, die Wetzlar zu einem Zentrum der Rüstungsindustrie machten. Die optische und feinmechanische Industrie, allen voran Leitz und Hensoldt, belieferten schon lange vor Kriegsbeginn Wehrmacht, Marine und Luftwaffe mit optischen Geräten und weiteten ihr Angebot im Krieg aus. Für den zivilen Bereich wurde immer weniger gefertigt. 1943 stellte Leitz die Leica-Produktion ein. Personal und Maschinen wurden an anderen Stellen dringender gebraucht – so auch für die Herstellung von Zielfernrohren.  Die Pfeiffer-Apparatebau GmbH wuchs bis zum Frühjahr 1944 infolge der vielfältigen Spezialaufträge für die Luftwaffe zu einem Großbetrieb mit über 1.100 Beschäftigten heran. Auch die großen Eisengießereien wie die Burger Eisenwerke, die Frank´schen Eisenwerke und Haas + Sohn entwickelten sich im Krieg zu wichtigen Rüstungsunternehmen und konnten ihre Beschäftigtenzahlen gegenüber 1935 nahezu verdoppeln. 
Als 1943 die Produktion jener Flugbombe begann, die als „V(ergeltungswaffe) 1“ in die Kriegsgeschichte einging, fasste das Reichs-Luftfahrtministerium die Zulieferbetriebe in drei „Nachbau-Ringen“ zusammen, die dem VW-Werk Fallersleben zuarbeiteten, wo die Gesamtmontage stattfand.  Die beteiligten Betriebe im Dillgebiet bildeten den Nachbau-Ring III. Die Frank´schen Eisenwerke bauten das Rumpfmittelstück, den Lastraum und den Treibstofftank, die Burger Eisenwerke die Leichtmetall-Rumpfspitzen und Rumpfverstrebungen, das Buderus-Werk Ewersbach (Neuhütte) die Tragflächen und die Firma Berkenhoff & Drebes die Drahtumwicklung der Druckluft-Kugelbehälter. Thielmann in Sechshelden stellte zerlegbare, leicht montierbare Kräne her, mit denen die V 1 auf die Abschussrampen gehoben wurde. Die Bauteile wurden durch Kugelverbindungen gehalten. Der gesamte Kran konnte in einer kleinen Holzkiste transportiert werden. Nach dem Krieg eroberte dieses Baukastensystem die Welt. Es findet sich am Brüsseler „Atomium“ der Weltausstellung wie auch bei den riesigen Hallenbauten in Saudi-Arabien und an vielen anderen Orten.
Zum Bau des Nachfolgemodells V 2, das ab 1944 zum Einsatz kam, lieferte die Herborner Pumpenfabrik die beiden Treibstoff-Förderpumpen für das Aethylalkohol-Wasser-Gemisch und den Flüssigsauerstoff, die hohe physikalische Belastungen aushalten mussten.
 
Zwangsarbeit
Allen Planungen und Vorkehrungen zum Trotz war die Kriegswirtschaft eine Mangelwirtschaft. Von Beginn an fehlte es an Arbeitskräften, Transportkapazitäten, Rohstoffen, Energie und Kohle. Das gravierendste Problem war der durch die Einberufungen vieler Beschäftigter verursachte Arbeitskräftemangel, der seit dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 immer drückender wurde. So waren Ende 1941 bei Buderus 1.139 Beschäftigte einberufen worden, ein Jahr später waren es bereits 2.098. Zum Jahreswechsel 1943/44 fehlten 34 Prozent der Vorkriegsbelegschaft. Wie schon im Ersten Weltkrieg begegnete man dem Arbeitskräftemangel zunächst mit einer Aufweichung der tariflichen Schutzbestimmungen, die u.a. zur Einführung der 60-Stundenwoche führte, und der Einbeziehung von Frauen in den Arbeitsprozess. Letzterem standen die Nationalsozialisten grundsätzlich ablehnend gegenüber, denn die Berufstätigkeit von Frauen widersprach ihrer Ideologie, wonach sich Frauen um Kindererziehung und Haushalt kümmern oder in sozialen und pflegerischen Berufen tätig sein sollten. Andererseits befürchteten sie die Unzufriedenheit der Soldaten an der Front, die ihre Frauen durch die bestehenden Regelungen gut versorgt glaubten und es ungern sahen, wenn sie gezwungen waren, in Fabriken zu arbeiten. Doch der Arbeitskräftemangel war bedrückend – und dramatischer als die Aufweichung von Grundsätzen. Und so nahmen in vielen Betrieben Frauen die Arbeit auf, und auf der Burger Hütte begannen im Herbst 1941 erstmals drei junge Frauen eine Ausbildung als Teilzeichnerinnen. Doch weder die Verlängerung von Arbeitszeit und die Dienstverpflichtung von Frauen konnten den Ausfall der vielen zur Wehrmacht eingezogenen Fachkräfte kompensieren. Und so zog das NS-Regime ab dem Frühjahr 1941 immer mehr Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter (die meisten Zwangsarbeiter, weil die wenigsten freiwillig nach Deutschland kamen) zur Arbeit in Industrie und Landwirtschaft heran. Schon im Juni 1940 unterhielten die Buderus´schen Eisenwerke ein Ausländerlager für polnische Zivilarbeiter an der Hermannsteinerstraße 13 in Niedergirmes. Ein weiteres Lager wurde wenige Monate später errichtet. Insgesamt beschäftigte das Unternehmen Anfang 1943 rund 1.500 Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter. Bis Ende des Jahres stieg ihre Zahl auf 4.200. Bei der Röchling-Buderus-AG war der Anteil der deutschen Beschäftigten bis Ende 1942 auf 53, 5 Prozent gesunken. Haas + Sohn beschäftigte 1944 jährlich etwa 1.400 Männer und Frauen. Davon waren die Hälfte ausländische Zivilarbeiter und russische Kriegsgefangene, die in einem Barackenlager in Sinn untergebracht waren. Im Sommer 1944 gab es in Deutschland rund 1,9 Millionen Kriegsgefangene und 5, 7 Millionen Zwangsarbeiter. Letztere kamen überwiegend aus Polen und den besetzten Gebieten der Sowjetunion. Mehr als die Hälfte von ihnen waren Frauen und viele unter 20 Jahre alt. Die eingezäunten Barackenlager, in denen die Masse der Zwangsarbeiter lebte, glichen oftmals Gefängnissen. In den Kreisen Biedenkopf, Dillenburg und Wetzlar unterhielten im September 1942 40 Unternehmen insgesamt 44 solcher Lager, die von der deutschen Arbeitsfront kontrolliert wurden. Dazu gehörten auch die Frank´schen Eisenwerke, das Autogenwerk Karl Cloos, die Herborner Pumpenfabrik J. H. Hofmann GmbH, die Firma Gebrüder Neuendorf in Herborn, die Hensoldt & Söhne AG in Wetzlar, die Ernst Leitz GmbH in Wetzlar, die Herkules GmbH Wilhelm Momma und die Stadtwerke Wetzlar. Bis zum 1. April 1943 hatte sich die Zahl der Ausländerlager in den Kreisen Biedenkopf, Dillenburg und Wetzlar auf 94 mehr als verdoppelt, was zeigt, wie die Abhängigkeit der deutschen Kriegswirtschaft von ausländischen Arbeitssklaven  mit fortschreitendem Krieg wuchs.
Infolge des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden bei Behandlung, Ernährung und Unterbringung der Zwangsarbeiter Unterschiede zwischen den Volksgruppen gemacht. Am schlimmsten traf es die „Ostarbeiter“ aus der Sowjetunion und die Polen. Sie waren gezwungen, sichtbar an ihrer Kleidung die Buchstaben „O“ bzw. „P“ zu tragen. Etwas besser hatten es die Zivilarbeiter aus Westeuropa, vor allem aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden, die sich relativ frei bewegen konnten und manchmal in Privatquartieren wohnten. Polnische Arbeiterinnen und Arbeiter durften während der Sperrzeit ihre Unterkünfte nicht verlassen, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Theater, Kinos oder Gaststätten besuchen und keinen persönlichen Umgang mit der deutschen Bevölkerung pflegen. Bei eigenmächtigem Verlassen der Arbeitsstätte drohten ihnen Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager, bei sexuellen Beziehungen zu Deutschen die Todesstrafe. Bei den Burger Eisenwerken stieg die Arbeitszeit der ausländischen Zwangsarbeiter in manchen Monaten des Jahres 1944 auf bis zu 72 Wochenstunden an - abzüglich 1 ¼ Stunden Pause täglich. Trotz dieser Beanspruchung war die Ernährung der meisten Zwangsarbeiter so unzureichend, dass selbst die Rüstungsinspektion III (Berlin) zwar nicht zu hochwertigen, so doch zu „ausreichenden“ Mahlzeiten riet. Es folgte eine Reihe von Vorschlägen, wie die Nahrung der Ostarbeiter verbessert werden könnte. U.a. wurde empfohlen, den von der deutschen Gefolgschaft benutzen Kaffee-Ersatz für die Ostarbeiter nochmals, als zweiten Aufguss, zu verwenden und die Abfälle aus den Werkskantinen in den Ostarbeiterküchen zur Zubereitung der Mahlzeiten für die Zwangsarbeiter weiter zu verarbeiten.
Mit dem „totalen Kriegseinsatz“ ab 1944 verschlechterten sich die Lebensbedingungen für die Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen noch mehr. Hunger, Erschöpfung und Krankheit kennzeichneten die Lage in den Ausländerlagern. Weitgehend rechtlos, wurden die ausländischen Arbeitskräfte oft von deutschen „Kollegen“, Vorgesetzten, Wachleuten und Lagerverwaltern misshandelt. In vielen  Betrieben des Lahn-Dill-Gebiets sind solche Übergriffe aktenkundig geworden.
 
Das Kriegsende
Die alliierten Luftangriffe hatten das Lahn-Dill-Gebiet bis zum Frühjahr 1944 weniger massiv getroffen als die Großstädte und Ballungsräume. Zwar gab es schon im Januar 1944 Fliegeralarm, doch meist stellte sich heraus, dass die Bomberverbände andere Ziele hatten. Einer der ersten Luftangriffe der Region galt am 28. Mai 1944 den Stahlwerken Röchling-Buderus. Am 20. Juli 1944, dem Tag des Attentats auf Hitler, waren die Leitz-Werke das Ziel. Die Zerstörungen waren gering, jedoch kamen einige Betriebsangehörige ums Leben. Die Buderus´schen Eisenwerke waren am 19. September 1944 Ziel eines Angriffs. Der, wie der Vorstandsvorsitzende Dr. Giesbert dem Aufsichtsratsvorsitzen Dr. Paul Marx von der Commerzbank  AG berichtete, zum Erliegen sämtlicher Betriebe führte. „Zwei Bunker haben Volltreffer erhalten (…), sodass leider auch sehr viele Tote zu beklagen sind.“ Mit seiner Vermutung, dass der Angriff nicht der Sophienhütte, sondern dem aus der Lahntalbahn und der Deutz-Gießener Bahn gebildeten Gleisdreieck gegolten habe, lag er vermutlich richtig, denn am gleichen Tag bombardierte die US-Luftwaffe die Bahnanlagen bei Niederscheld und Dillenburg  – ein Angriff, bei dem fünf Mitarbeiter der Frank´schen Eisenwerke getötet wurden und die Adolfshütte schwerste Schäden davon trug. Kurz darauf gingen 150 Sprengbomben auf Haiger nieder und töteten neun Menschen. Am 21. Februar 1945 griffen Tiefflieger einen vollbesetzten Zug mit Wehrmachtsangehörigen in Sechshelden an. Dabei gab es 35 Tote und 80 zum Teil schwer Verletzte. Am nächsten Tag starteten die alliierten Luftstreitkräfte unter dem Codenamen „Operation Clarion“ ihre größten und weiträumigsten Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs. Dabei wurden auch Ziele im Lahn-Dill-Gebiet mit seinen wichtigen Eisenbahnverbindungen unter Beschuss genommen. Die Bahnanlagen in Haiger wurden so stark zerstört, dass die gesamten Gleisanlagen nicht mehr nutzbar waren. Spätestens seit Herbst 1944 war in den Betrieben wegen des ständigen Fliegeralarms an einen geregelten Betriebsablauf nicht mehr zu denken. In Wetzlar wurde von Anfang 1944 bis Ende März 1945 330mal Fliegeralarm ausgelöst. Die Wartezeit in den Luftschutzbunkern betrug 450 Stunden. Im März steigerten sich die alliierten Luftangriffe derart, dass u. a. die Belegschaft der Burger Eisenwerke den Bunker kaum noch verlassen konnte. Die feindlichen Jagdbomber nutzten das Dilltal als Einflugschneise für ihre Angriffe auf den Dillenburger Bahnhof. Am 8. März wurde der dortige Verschiebebahnhof völlig zerstört. Dabei traf es auch wieder die Adolfshütte in Niederscheld, die anschließend in Trümmern lag. Vom 12. bis 16. März flogen die Alliierten weitere schwere Angriffe auf den Bahnhof Dillenburg und die Eisenbahnbrücke in Niederscheld. Deren strategische Bedeutung war der Grund dafür, dass Niederscheld der am schwersten von Luftangriffen betroffene Ort im Lahn-Dill-Gebiet war. Insgesamt wurden dort 80 Prozent der Wohnhäuser zerstört. Bei Kriegsende lebten in Niederscheld, das 1944 noch 1.800 Einwohner hatte, nur noch 83 Menschen. Die anderen waren tot oder bei Verwandten untergekommen. In Herborn fanden zahlreiche russische Zwangsarbeiter bei einem Angriff auf den Bahnhof den Tod. Sie waren in einer Turnhalle untergebracht, die einen Volltreffer erhielt.  Auf die bis dahin verschont gebliebene Burgerhütte fielen am 22. März die ersten Bomben. Am 27. März erreichten amerikanische Truppen  die Dill und sicherten die Übergänge bei Sinn, Edingen, Katzenfurt, Aßlar und Hermannstein. Dillenburg wurde am 28. März von einer Einheit unter dem Kommando von Oberst Robert L. Howze eingenommen. Am 29. März besetzte das 393. US-Infanterie-Regiment Wetzlar, und einen Tag später war das gesamte Lahn-Dill-Gebiet unter US-Kontrolle. Widerstand regte sich nur vereinzelt. In Herborn, wo sich deutsche Soldaten verschanzt hatten, wurden durch amerikanischen Granatbeschuss einige Häuser zerstört. In Ewersbach, Eiershausen und Eibelshausen fielen bei letzten Kanmpfhandlungen noch mehrere deutsche und amerikanische Soldaten. Cyrill Stoletzky