Abgemahnt - was tun?
Das Wichtigste vorab:
Wer zum ersten Mal eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung erhält, wird zunächst stark beunruhigt sein: Da ist die Rede von Wettbewerbsverstößen, es wird eine Frist zur Abgabe einer Unterlassungserklärung gesetzt, hohe Vertragsstrafen und gerichtliche Schritte angedroht.
Beachte: Das deutsche Wettbewerbsrecht verhindert einen sofortigen Streit vor Gericht. Zunächst muss versucht werden, den Verstoss aussergerichtlich zu klären und zu beheben. Deshalb erhält derjenige, dem ein Verstoss vorgeworfen wird, zuerst eine Abmahnung.
Statt sofort die geforderte Erklärung abzugeben, um den in Aussicht gestellten Kosten zu entkommen, sollte sich der Empfänger sorgfältig überlegen, ob die Abmahnung berechtigt ist und wie er am besten auf das Schreiben reagiert. Es lohnt sich, die Abmahnung zunächst zu prüfen - häufig handelt es sich beispielsweise um eine missbräuchliche Serienabmahnung, die zurückgewiesen werden kann.
Das vorliegende Merkblatt gibt Ihnen eine Orientierungshilfe im Umgang mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen.
Was ist eine Abmahnung?
Eine Abmahnung ist ein Schreiben, mit dem ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch außergerichtlich geltend gemacht wird. Die typische Abmahnung hat folgenden Inhalt:
- Kurze Beschreibung des zu Grunde liegenden Sachverhalts
- Rechtliche Begründung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes
- Aufforderung, eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben
- Fristsetzung für die Abgabe der Unterlassungserklärung
- Androhung gerichtlicher Schritte für den Fall des erfolglosen Fristablaufs
Wer darf abmahnen?
Die Abmahnung ist an keine bestimmte Form gebunden. Aus Beweisgründen ist es jedoch sinnvoll, diese schriftlich auszusprechen.
Folgende Personen / Stellen sind berechtigt, gegen Wettbewerbsverstöße vorzugehen:
- Direkte Mitbewerber, also jeder Gewerbetreibende, der Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt, mit ihnen handelt oder sie sonst in den geschäftlichen Verkehr bringt
- Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen (Wirtschafts- und Fachverbände, Vereine zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs). Der bekannteste Wettbewerbsverein ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.
- Verbraucherverbände, soweit es um eine Handlung geht, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden
- Industrie- und Handelskammern (IHK), Handwerkskammern
Verbraucher dürfen Unternehmen generell nicht abmahnen. Um herauszufinden, ob ein Verband abmahnen darf, können Sie sich an Ihre zuständige IHK oder die Wettbewerbszentrale wenden.
Was können Sie gegen eine Abmahnung tun?
a) Schnell reagieren - nicht tatenlos bleiben
Nach Erhalt einer Abmahnung ist eine schnelle Reaktion wichtig: Der Abgemahnte sollte innerhalb der gesetzten Frist reagieren, da sonst der Erlass einer einstweiligen Verfügung bei hohem Streitwert droht. Im Zweifel sollte er sich so schnell wie möglich bei der zuständigen IHK, einem Berufsverband oder einem Rechtsanwalt über die weitere Vorgehensweise informieren. Falls die gesetzte Frist zu kurz bemessen ist, kann versucht werden, mit dem Abmahnenden ein Fristverlängerung zu vereinbaren.
b) Überprüfung der Abmahnung
Überprüfen Sie die Abmahnung insbesondere unter folgenden Gesichtspunkten:
- Sind Sie der richtige Empfänger?
- Ist der dargestellte Sachverhalt tatsächlich korrekt?
- Liegt rechtlich ein Wettbewerbsverstoß vor?
- Ist die Abmahnung unterschrieben?
- Ist der Abmahnende ausreichend erkennbar?
- Wenn der Absender Rechtsanwalt ist: ist eine Vollmacht beigefügt?
- Ist der Abmahnende berechtigt, die Abmahnung auszusprechen?
- Ist die Unterlassungserklärung hinsichtlich des Unterlassungsversprechens und der Vertragsstrafe zutreffend formuliert und nicht zu weit gefasst?
- Ist die Höhe des Streitwertes, der Vertragsstrafe und der Abmahnkosten angemessen?
c) Aufklärungspflicht
Haben Sie in derselben Sache bereits zuvor eine Abmahnung erhalten?
Dann sind Sie dazu verpflichtet, den Zweitabmahner von einer bereits erfolgten Unterwerfung unverzüglich schriftlich zu unterrichten. Der Abmahnende muss alle Informationen erhalten, die ihm ein Urteil darüber ermöglichen, ob die Wiederholungsgefahr beseitigt ist. Eine Verletzung dieser Pflicht führt ebenfalls zu einer Ersatzpflicht der vergeblich aufgewandten Prozesskosten des zweiten Abmahnenden.
d) Reaktionsmöglichkeiten
Es gibt drei Möglichkeiten, auf eine Abmahnung zu reagieren:
Möglichkeit 1: Eine Unterlassungserklärung wird abgegeben und die Kosten werden übernommen.
Diese Vorgehensweise ist angeraten, wenn der wettbewerbsrechtliche Verstoß offensichtlich vorliegt. Vor Abgabe der Erklärung müssen alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen werden, um das beanstandete Verhalten sofort zu beseitigen. Bei schuldhafter Wiederholung des Verstoßes wird eine Vertragsstrafe fällig!
Da die vorgefertigten Unterlassungserklärungen häufig zu weit gefasst sind, bietet sich die Abgabe einer sog. modifizierten Unterlassungserklärung an, die sich auf die konkret begangene Verletzungshandlung beschränkt. Da die Höhe der zu übernehmenden Abmahnkosten insbesondere vom Streitwert abhängt, ist auch hier zu prüfen, inwieweit der Streitwert und damit die Abmahnkosten reduziert werden können. Schließlich sollte auch die Vertragsstrafenhöhe geprüft und ggf. nach unten angepaßt oder durch eine Klausel ersetzt werden, die sich auf den sog. Hamburger Brauch bezieht. Bei allen Änderungen ist jedoch zu empfehlen, sich mit dem Abmahnenden zu einigen, da sonst die Gefahr der gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche besteht.
Möglichkeit 2: Eine Unterlassungserklärung wird abgegeben, aber die Kosten werden nicht übernommen.
Dies ist der richtige Weg in folgenden Fällen:
- ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß liegt vor, die Kosten erscheinen aber zu hoch:Wettbewerbsvereine können nur einen Aufwendungsersatzanspruch geltend machen, der ca. 150 bis 200 Euro betragen kann. Abmahnungen durch Rechtsanwälte sind in der Regel kostenintensiver, da die Gebühren sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) richten, das seit dem 1. Juli 2004 die alte Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ersetzt hat. Es bleibt das Risiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden.
- der Abgemahnte hat Zweifel, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt und möchte das Risiko einer teuren Auseinandersetzung minimieren. Es bleibt das Risiko, auf Erstattung der Kosten verklagt zu werden.
Auch bei dieser zweiten Möglichkeit sollte geprüft werden, ob die Unterlassungserklärung und die Höhe des Streitwerts, der Abmahnkosten und der Vertragsstrafe angepaßt werden.
Möglichkeit 3: Die Abmahnung wird zurückgewiesen und die Kosten werden nicht übernommen.
Liegen Gründe vor, die Unterlassungserklärung nicht abzugeben, kann der Empfänger den Abmahnenden darüber aufklären, dass er die Erklärung nicht unterzeichnen wird. Alternativ kann der Empfänger auch schweigen und damit signalisieren, dass er eine außergerichtliche Auseinandersetzung ablehnt. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass er eine einstweilige Verfügung erhält.
In Zweifelsfällen kann der Abgemahnte die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer anrufen. Da dennoch die Gefahr einer einstweiligen Verfügung nicht ausgeräumt ist, sollte dann eine vorläufige Unterlassungserklärung abgegeben werden, die bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens gültig ist.
Möglichkeit 4: Weitere Reaktionsmöglichkeiten sind, beim Landgericht eine Schutzschrift zu hinterlegen, eine Negative Feststellungsklage oder - in Ausnahmefällen - eine Schadensersatzklage zu erheben. Wer diese Varianten wählt, benötigt regelmäßig anwaltliche Unterstützung.
Was ist eine Unterlassungserklärung?
Ein Wettbewerbsverstoß kann entweder durch die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung oder Gerichtsurteil wieder behoben werden.
Die Unterlassungserklärung muss enthalten:
- die Beschreibung der einzelnen Wettbewerbshandlung, zu deren Unterlassung sich der Abgemahnte verpflichten soll und
- ein Vertragsstrafeversprechen für jeden zukünftigen Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung. In der Praxis üblich sind Vertragsstrafen ab EUR 2.500,-
Was tun bei fehlerhafter Abmahnung?
Bei fehlerhafter Abmahnung sollten Sie den Abmahnenden unverzüglich unterrichten. Dies gilt beispielsweise, wenn eine Abmahnung, etwa wegen eines Faxproblems, nur verstümmelt angekommen ist.
Abmahnungwesen
a) Wie erkenne ich unseriöse Anwälte bzw. Abmahnvereine? Wie verhalte ich mich richtig?
Abmahnungwesen ist das massenhafte Versenden wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen an Gewerbetreibende über Anwälte oder direkt. Unseriösen Rechtsanwälten und Abmahnvereinen geht es dabei nur scheinbar um die Lauterkeit des Wettbewerbs. Dahinter verbirgt sich das Interesse, Einnahmen aus Abmahngebühren, Vertragsstrafen und Prozesskosten zu erzielen. Gegenstand sind meist geringfügige Wettbewerbsverstöße oder Verstöße gegen Ordnungsvorschriften.
b) Wie erkenne ich unseriöse Anwälte bzw. Abmahnvereine?
Häufig sind in derartigen Serienschreiben Anzeichen erkennbar, die auf die Unlauterkeit der Abmahnung schließen lassen:
- Anwälte treten im eigenen Namen auf
- Anwälte treten im Namen von Mandanten auf, bei denen der Mitbewerberstatus nicht gegeben ist
- Bei den abgemahnten werblichen Ankündigungen handelt es sich um Kleinanzeigen oder Internetauftritte
- Es ist zweifelhaft, ob das abgemahnte Verhalten tatsächlich Mitbewerberinteressen verletzt oder sonst in relevanter Weise den Wettbewerb beeinträchtigt.
c) Was kann ich dagegen tun?
- Ergibt sich aus der Abmahnung keine Klagebefugnis, sollte der Abmahnende schriftlich aufgefordert werden, die Vollmacht nachzureichen bzw. die Klagebefugnis beizubringen.
- Informieren Sie die für Sie zuständige IHK oder Berufsverband unter Beifügung der Abmahnung und der abgemahnten Werbemaßnahme – dort liegen evtl. bereits ähnliche Anfragen anderer Mitgliedsunternehmen vor.
- Die Wettbewerbszentrale informiert regelmäßig im Internet bei der Wettbewerbszentrale über aktuell kursierende unlautere Abmahnschreiben.
- Erkundigen Sie sich, ob weitere Gewerbetreibende Opfer derselben Serienabmahnung geworden sind. Auf der Homepage der Forschungsstelle Abmahnwelle e.V. erhalten Sie beispielsweise die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Weitere Informationen finden Sie unter:
bei der Wettbewerbszentrale : Wettbewerbszentrale
beim Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität: Abgemahnt was nun