Kandidatenhearing bei der IHK Lahn-Dill

Politiker stellen sich den Fragen der Wirtschaft

Auf einer Podiumsdiskussion bei der IHK Lahn-Dill in Dillenburg haben sich die Bundestagskandidaten von CDU, SPD, FDP, Grünen, AfD und Linken aus der Region den Fragen der heimischen Wirtschaft gestellt. Die IHK Lahn-Dill hatte die Politiker aus den beiden Wahlkreisen Lahn-Dill (172) und Marburg-Biedenkopf (171) zu dem Schlagabtausch eingeladen. „Wir möchten von Ihnen wissen, wo sie uns in Zukunft in unserem Tun unterstützen werden“, sagte IHK-Präsident Eberhard Flammer zur Begrüßung. „Denn Wirtschaft bedeutet in erster Linie Steuergelder und Beschäftigung. Und eine gut funktionierende Wirtschaft ist ein Garant für Wohlstand.“
Kandidatenhearing bei der IHK Lahn-Dill
Steuererhöhungen – ja oder nein?
Bereits bei der Eingangsfrage zu möglichen Steuererhöhungen und der Einführung einer Vermögenssteuer oder -abgabe zeigte sich bei der von IHK-Pressesprecherin Iris Baar moderierten Veranstaltung, wo die Trennlinie zwischen den Parteien verläuft: „Steuererhöhung gleich welcher Art sind Gift für die Wirtschaft“, hieß es von den CDU-Parteikollegen Hans-Jürgen Irmer aus dem Lahn-Dill-Kreis und Dr. Stefan Heck aus Marburg-Biedenkopf. „Wer Betriebsvermögen besteuert, geht an die Substanz und verhindert die Schaffung von Arbeitsplätzen.“ „Wir müssen entlasten, entfesseln und investieren“, schloss sich Carsten Seelmeyer von der FDP aus dem Wahlkreis Lahn-Dill an. „Denn wir brauchen die Kraft des Mittelstandes, um in eine gute Zukunft zu fahren.“ AfD-Kandidat Willi Wagner, (Lahn-Dill-Kreis) schloss ebenfalls Steuererhöhungen aus und brachte eine Senkung der Mehrwertsteuer ins Spiel.
Sören Bartol (SPD/Marburg-Biedenkopf) sprach sich klar für die Einführung einer Vermögenssteuer aus, „aber maßvoll und ohne Arbeitsplätze zu gefährden.“ Die Steuereinnahmen würden dringend gebraucht, um die durch den Klimawandel notwendig gewordene Transformation und Umgestaltung der Volkswirtschaft zu finanzieren. In diese Richtung gingen auch die Argumentationen der Grünen-Bundestagskandidatin Caroline Krohn aus dem Lahn-Dill Kreis und der Kandidaten der Linken, Christiane Ohnacker (Lahn-Dill-Kreis) und Maximillian Philipp Peter (Marburg-Biedenkopf).
Weitere Regulierungen im Arbeitsrecht geplant?
Auch bei der Frage nach weiteren Regulierungen im Arbeitsrecht – wie es sie beispielsweise im vergangenen Jahr mit der Homeoffice-Pflicht gegeben hatte -, zeigten sich zwei Lager: Während sich CDU, FDP und AfD gegen weitere Regulierungen aussprachen und auf mehr Eigenverantwortung der Unternehmen setzen, schlossen SPD, Linke und Grüne nicht aus, dass es auch in Zukunft Regulierungen geben wird.
Klimaschutz ohne Beschäftigungs- und Wohlstandsverlust?
Den Klimawandel und die Notwendigkeit des Handelns stellt die Wirtschaft nicht in Frage und war sich mit den anwesenden Politikern – bis auf Wagner von der AfD – einig, dass das Thema eine der größten Herausforderungen der Zukunft ist. Die Wege zu mehr Nachhaltigkeit wurden jedoch kontrovers diskutiert: Dabei ging es um die Frage, ob Klimaschutz ohne Verzicht auf Wohlstand und Lebensstandard überhaupt möglich ist und wie Beschäftigungsverluste durch den Technologiewechsel aufgefangen werden können. „Wohlstand wird es ohne Klimaschutz in der Zukunft nicht geben“, so Caroline Krohn. Um Beschäftigungsverluste aufzufangen, brachte sie ein „Qualifikationskurzarbeitergeld“ und Fördermodelle ins Spiel, die Linke sprach von einem Transformationsfonds. Die FDP will auf Forschung, Wissenschaft und Technik setzen, ebenso wie die SPD. Die CDU verwies auf die bereits „ambitionierten Verabredungen“ mit dem Ausstieg aus der Atom- und Kohleenergie. Willi Wagner sprach dagegen von einer „Hysterie“ und warnte vor „übereiltem Handeln“.
Entlastung beim Strompreis - EEG abschaffen?
Um die beschäftigungsgebende Wirtschaft konkret bei der Finanzierung von Energie zu entlasten, wollen CDU, FDP und AfD das EEG abschaffen. Die Linke befürwortet eine Strompreisregulierung und eine Förderung der Erneuerbaren Energien. Grüne und SPD wollen den massiven Ausbau und sprechen von einem Prozess. Bartol: „Das EEG in seiner Form wird so die nächsten Jahre nicht überstehen.“
Planungsverfahren verkürzen – weniger Klageinstanzen?
Konfrontiert mit der Frage, wie sie die Stromversorgung der Zukunft und den erforderlichen Netzausbau sichern wollen, und ob sich die Politiker vorstellen könnten, durch das Herausnehmen einer Klageinstanz die Planungen zu beschleunigen, waren die Antworten eindeutig: Bürokratie abbauen und Planungsverfahren verkürzen wollen die Politiker aller Parteien.
Duale und akademische Ausbildung gleichwertig machen?
Einig waren sich die Politiker auch, dass die duale Ausbildung ein Exportschlager und Erfolgsrezept ist, das ausgebaut werden muss. Seelmeyer warnte jedoch vor einer Gleichmacherei in der Bildung, Irmer forderte Ehrlichkeit ein bei dem Punkt der hohen Abbrecherquote von Studenten, Bartol will Weiterbildungen und Berufsausbildungen besser verzahnen. Caroline Krohn ist für eine effektivere Gestaltung von Projekten zu lebenslangem Lernen, die Linke will beim Schulsystem ansetzen, um für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, die AfD die Mintfächer stärker fördern.
Die duale Ausbildung leidet seit Jahren an einem Imageproblem, da viele Schulabgänger ein Studium einer Lehrstelle vorziehen. Wie jedoch eine Gleichwertigkeit der dualen und akademischen Ausbildung nicht nur auf dem Papier aussehen könnte, und ob die Zulassungsbeschränkungen zu bestimmten Berufen oder Laufbahnen im öffentlichen Dienst in absehbarer Zeit fallen könnten, blieb offen.