IHK Lahn-Dill sieht Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
Die Fortsetzung der bisherigen Energiewende-Politik kostet Deutschland bis zu 5,4 Billionen Euro und ist damit auch und insbesondere eine Bedrohung für den Industriestandort Lahn-Dill mit der höchsten Industriedichte in Hessen. Das hat eine aktuelle Studie der Wirtschaftsberatung Frontier Economics im Auftrag der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) ergeben. Damit die Energiewende erfolgreich wird, müsse die Politik jetzt umsteuern. Mit den richtigen Maßnahmen seien laut Studie Einsparungen von mehr als einer Billion Euro bis 2050 möglich.
„Die Transformation des Energiesystems ist entscheidend für den Weg zur Klimaneutralität. Mit den derzeitigen politischen Konzepten bleibt sie jedoch zu teuer, zu ineffizient und letztlich nicht umsetzbar“, fasst Dietmar Persch, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill, die Ergebnisse der Expertenstudie zusammen.
Der Standort Deutschland verliert seine Wettbewerbsfähigkeit
Wie stark hohe Energiepreise Produktion und Arbeitsplätze im Inland gefährden, zeigt sich auch in Lahn-Dill. Die hohe Industriedichte bedeutet hier Hochenergiebetriebe in Branchen wie Stahl, Metallverarbeitung oder der Feinmechanik. Hohe Energiekosten treiben insbesondere energieintensive Unternehmen ins Ausland – wie das IHK-Energiewendebarometer zeigt: Rund 60 % der Industriebetriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern geben an, ihre Produktion verlagern zu wollen. Die Zukunft des Industriestandorts Deutschland hängt also entscheidend von einer jetzt notwendigen Neuausrichtung der Energiepolitik ab. Denn eine erfolgreiche Energiewende ist nur mit einer starken und leistungsfähigen Wirtschaft am Standort Deutschland möglich.
Dazu sagt Lisa Schäfer, Federführung Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit bei der IHK Lahn-Dill: „Es braucht einen Neustart in der Energiepolitik: weniger staatliches Mikromanagement, mehr Wettbewerb und Marktwirtschaft, Technologieoffenheit und Raum für Innovationen, mehr Kosteneffizienz sowie einen global wirksamen Klimaschutz, der sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert.“
Wichtige Impulse liefert hierbei die ‚Plan B‘-Studie. Ihre Vorschläge helfen, die Belastungen durch die Energiewende zu verringern und zugleich die Ziele des internationalen Klimaschutzes im Blick zu behalten.
Energiesystemkosten erhöhen die Preise
In den letzten Jahren sind die Kosten für das Energiesystem deutlich gestiegen und werden in Zukunft weiter dramatisch steigen. Die aktuelle Studie schätzt diese Kosten auf 4,8 bis 5,4 Billionen Euro für den Zeitraum 2025 bis 2049. Davon entfallen 2,0 bis 2,3 Billionen Euro auf Energieimporte, 1,2 Billionen Euro auf Netzkosten (Investitionen und Betriebskosten), 1,1 bis 1,5 Billionen Euro auf Investitionen in die Energieerzeugung und rund 500 Milliarden Euro auf den Betrieb von Erzeugungsanlagen.
Bei Fortführung der aktuellen Energiepolitik müssten sich laut Studie die jährlichen privaten Investitionen in den Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr mehr als verdoppeln – von rund 82 Milliarden Euro im Mittel der Jahre 2020 bis 2024 auf mindestens 113 bis 316 Milliarden Euro im Jahr 2035.
Denkanstöße für eine kosteneffizientere Energiewende
Mit den vorgeschlagenen Strategien der Studie ließen sich bis 2050 zwischen 530 und 910 Milliarden Euro einsparen. Durch eine neue politische Weichenstellung könnten somit 11 bis 17 Prozent der geschätzten Gesamtkosten der Energiewende vermieden werden. Weitere 80 bis 220 Milliarden Euro Einsparpotenzial könnte allein eine Verschiebung des Ziels der Klimaneutralität um beispielsweise zwei Jahre bewirken. Würde man künftig auch internationale Kooperationen bestmöglich nutzen, ergäben sich insgesamt Einsparmöglichkeiten von potenziell weit über einer Billion Euro bis 2050. Zentrales Instrument in dem von der Studie vorgeschlagenen Modell ist eine Ausweitung und bürokratiearme Gestaltung des CO₂-Zertifikatehandels. Die Klimaziele für Deutschland sollten dabei regelmäßig an die Fortschritte anderer bedeutender Industriestaaten beim Klimaschutz angepasst werden, um Wettbewerbsnachteile durch nationale Alleingänge zu vermeiden. Zudem sollte auf zu kleinteilige Regulierungen und unnötige Bürokratie verzichtet sowie der Wettbewerb zwischen den Technologien verstärkt werden.
Lisa Schäfer fügt hinzu: „Die Energiewende muss umsetzbar und bezahlbar sein – mit realistischen Zielen und wirtschaftlich tragfähigen Kosten. Nur so kann Deutschland internationales Vorbild sein und die Akzeptanz der Energiewende sichern.“
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