Lhyfe Deutschland

Abseits des Kernnetzes: Die Versorgung des Mittelstands in ländlichen Gebieten

Französisches Scaleup-Unternehmen baut Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff
Auch kleinere Unternehmen brauchen Alternativen bei der Dekarbonisierung von Produktionsprozessen, wenn sie aufgrund hoher Prozesstemperaturen oder großer Wärmemengen nicht auf Strom umgestellt werden können. Infrage kommen hier die Nutzung von Wasserstoff oder die Abscheidung von CO2 und anschließender Speicherung und gegebenenfalls zukünftig auch die Nutzung. Die aktuellen politischen Entscheidungen lassen den Mittelstand jedoch zu häufig außen vor. 
Mit Blick auf die Resilienz des gesamten Energiesystems ist es sinnvoll, Betriebe in der Breite der Wirtschaft ans Wasserstoffnetz anzuschließen. Außerdem sollte es Unternehmen ermöglicht werden, Überschüsse aus dem Stromnetz für die Gewinnung von grünem Wasserstoff zur Verfügung zu stellen. Das würde die Kosten des Engpassmanagements senken, denn so könnten erneuerbare Energien zu anderen Zwecken verwendet werden, wenn das Netz gerade ausgelastet ist. Gleichzeitig ergeben sich mit der Abnahme überschüssiger Kapazitäten Anreize für die Wirtschaft, fossile Prozesswärme durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.
In Hessen haben einige mittelständische Unternehmen inzwischen Kontakt zum französischen Unternehmen Lhyfe aufgenommen. Das Unternehmen gilt als Pionier für grünen und erneuerbaren Wasserstoff und hat sich zum Ziel gesetzt, die Dekarbonisierung von Industrie- und Mobilitätssektoren voranzutreiben. Die LDW im Gespräch mit Karim Durand, Business Development bei Lhife:
Sie liefern grünen Wasserstoff auch nach Deutschland. Wer sind ihre Abnehmer?
Karim Durand: Wir beobachten einen stetigen und sicheren Aufschwung im Bereich der Mobilität. Tankstellenbetreiber und OEMs (z.B. LKW-Hersteller) werden bereits von uns seit Sommer 2023 mit grünem Wasserstoff in Deutschland beliefert.
Außerdem sind Unternehmen in der Prozessindustrie und verarbeitenden Industrie zunehmend unter Druck, ihre Produktion zu dekarbonisieren (z. B. Herstellung von grünem Stahl) und ersetzen dabei entweder grauen Wasserstoff durch grünen Wasserstoff oder mischen einen gewissen Prozentsatz an Wasserstoff ins Erdgas zur Erzeugung ihrer Prozesswärme.
Wie bringen Sie den Wasserstoff zu den Unternehmen?
Karim Durand: Bis Ende 2024 werden wir die größte Flotte an Hochdruck-Containern (380 Bar) auf die Straßen bringen. Unsere Container, die eine Größe von 20 bis 40 Fuß haben, können zwischen 400 kg und 920 kg grünen Wasserstoff liefern.
Wie viel Wasserstoff liefern Sie täglich/monatlich und wie ist die Entwicklung?
Karim Durand: Die Nachfrage steigt. Wenn ein schneller Hochlauf in Deutschland stattfinden sollte, sehen wir bereits das Risiko von Engpässen. Auf einer Seite haben unter anderem Firmen wie Lhyfe den Markt für Container des Typ IV nahezu aufgekauft. Darüber hinaus haben wir für unsere erste Anlage in Deutschland, die derzeit in Schwäbisch Gmünd gebaut wird, vor der Inbetriebnahme im Sommer 2024 bereits sehr viele Anfragen. Weitere sieben Anlagen werden derzeit von Lhyfe in Europa gebaut.
Was kostet Wasserstoff bei Ihnen?
Karim Durand: Das kann man so pauschal nicht beantworten. Der Wasserstoffpreis ist unter anderem vom Strommarkt abhängig. Außerdem spielen Faktoren wie Abnahmemenge und Lieferentfernung eine Rolle.
Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit grüner Wasserstoff bezahlbar wird?
Karim Durand: Ende 2023 war die Unsicherheit bezüglich möglicher Förderprogramme sehr groß und wir stellen fest, dass in der Industrie die Pioniere fehlen. Die Preise für CO2-Emissionen werden in den kommenden Jahren sicherlich eine wichtige Rolle spielen, zumindest beim Ersatz von grauem Wasserstoff. Der Erdgaspreis bleibt sehr niedrig, was die Nutzung von grünem Wasserstoff als Energieträger derzeit erschwert, zumindest als vollständiger Ersatz. Als Beimischung kann dies jedoch bereits vielen mittelständischen Unternehmen helfen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Können Sie sich vorstellen, auch in Mittelhessen eine industrielle Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff zu bauen, die dann die umliegende Industrie versorgt?
Karim Durand: Lhyfe hat die einzigartige Kompetenz, maßgeschneiderte Produktionsanlagen vor Ort zu planen, zu bauen und zu betreiben. Diese können tatsächlich genutzt werden, um alle Regionen, wie zum Beispiel Mittelhessen, mit grünem Wasserstoff zu versorgen. Momentan sehen wir eher die Tendenz, dass Cluster von Unternehmen solche größeren Produktionsanlagen planen, anstatt ausschließlich für einen einzelnen Unternehmensstandort zu planen. Eine Anlage in der Größenordnung von +20MW könnte beispielsweise ein Unternehmen direkt über eine Pipeline mit Molekülen versorgen. Andere würden mit Containern beliefert.
Was benötigen Sie dafür?
Karim Durand: Sicherlich erwarten wir alle starke Signale aus der EU und aus Berlin, um Planungssicherheit zu ermöglichen. Großbritannien hat zum Beispiel bereits entschieden, die Differenz zwischen dem Erdgaspreis und dem Preis für grünen Wasserstoff für die Industrie auszugleichen. Dadurch können wir Standorte dort schneller planen und werden die Industrie rascher versorgen können.
Das Interview führte Jürgen Keller
2017 von Matthieu Guesné als Startup in Frankreich gegründet, produziert und liefert Lhyfe inzwischen grünen und erneuerbaren Wasserstoff in industriellen Mengen.

Im Jahr 2021 eröffnete das Unternehmen die – nach eigenen Angaben – weltweit erste industrielle Anlage zur Herstellung von grünem Wasserstoff mit Hilfe eines Elektrolyseurs, der von Windturbinen eines nur wenige hundert Meter entfernten Windparks angetrieben wird. 2022 nahm Lhyfe eine Pilotplattform für grünen Wasserstoff im Meer in Betrieb. 2023 folgte die Einweihung einer zweiten Produktionsstätte für grünen Wasserstoff in der Bretagne. Inzwischen ist das Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern in 11 europäischen Ländern und in Kanada vertreten, um eine nachhaltige Wasserstoffversorgung aufzubauen.

In Deutschland baut Lhyfe gerade in Schwäbisch Gmünd die größte kommerzielle Wasserstoffproduktionsanlage in Baden-Württemberg. Die Anlage hat eine installierte Leistung von 10 MW und kann bis zu 4 Tonnen grünen Wasserstoff pro Tag und rund 1000 Tonnen pro Jahr produzieren. Die Anlage soll im Sommer in Betrieb gehen und von der umliegenden Industrie genutzt werden. Auch Fahrzeuge sollen betankt werden können. Das Projekt in Schwäbisch Gmünd repräsentiert einen Meilenstein im Markthochlauf von grünem Wasserstoff in Deutschland und soll beispielhaft für die Integration von erneuerbarem Wasserstoff in lokale Ökosysteme stehen. Derzeit befinden sich sieben Produktionsanlagen von Lhyfe in Bau.
Kontakt:
Lhyfe Deutschland
de.Lhyfe.com
LahnDill Wirtschaft März/April 2024