Wagner trifft...

"Die Kunst hat viele Facetten"

Mit ihrer Galerie am Dom in Wetzlar sind Jacqueline Wood und Michael M. Marks seit 30 Jahren Ansprechpartner für zeitgenössische Kunst – auch weit über die Grenzen Mittelhessens hinaus. Angefangen mit Rahmungen, dem Verkauf von Plakaten und Grafiken populärer Künstler hängt seit einiger Jahren immer mehr museale Kunst an den Wänden der Ausstellungsräume in der Wetzlarer Altstadt. Neben dem Wetzlarer Standort betreiben die Galeristen zusätzlich einen Projektraum in Bad Nauheim und stellen in Bad Homburg und Bad Soden im Taunus aus. Wood und Marks legen Wert darauf, kein reiner Galeriebetrieb zu sein: „Wir haben Kunst zum Anfassen, jeder kann vorbeikommen, wir erzählen gerne über unsere Künstler und die Besonderheiten.“
Frau Wood und Herr Marks, Sie haben ein unglaubliches Portfolio an Künstlern und Werken von Elvira Bach über Armin Mueller-Stahl bis hin zu Udo Lindenberg, dem Sie sogar selbst begegnet sind. Was waren Ihre wichtigsten Schritte, Erfolge oder Erlebnisse in den vergangenen 30 Jahren?
Jacqueline Wood und Michael M. Marks: Eigentlich haben wir bereits 1991 in Limburg angefangen und sind dann 1993 – vor 30 Jahren – nach Wetzlar in die Altstadt gezogen. Zu unseren ersten Künstlern gehörten Hundertwasser, James Rizzi, und Elvira Bach. Mit Unterstützung des Kulturamts der Stadt Wetzlar konnten wir Ausstellungen im Stadthaus organisieren. Unsere erste Ausstellung Mitte der 90er Jahre galt Rizzi. Damals kamen 7500 Besucher, für Wetzlar eine sensationelle Zahl. Es folgte mit Elvira Bach eine Ausstellung unserer ersten musealen Künstlerin. Sie war auch persönlich vor Ort, das Interesse war enorm. Eines unserer Highlights war die Ausstellung mit Armin Mueller-Stahl im Jahr 2011, das Interesse war so groß, dass wir in die Stadthalle ausweichen mussten. Auch die Ausstellung mit dem hessischen Maler und Bildhauer Heinz Mack zog viele Besucher nach Wetzlar. Damals hatten wir auch den Künstler Janosch zu Gast. Die Befruchtung zwischen Stadthaus und unserer Galerie hat immer hervorragend funktioniert. Mit dem Umzug dieser Räumlichkeiten in Kellerräume in der Bahnhofstraße im Jahr 2019 waren solche Ausstellungen in Wetzlar für uns dann leider Geschichte geworden.
Normalerweise besuchen wir den klassischen Einzelhandel in Innenstadtlagen. Eine Innenstadtlage haben Sie zweifelsohne, aber Ihre „Ware“ ist Kunst und wird nicht im Großhandel oder auf Messen eingekauft. Würden Sie sich zum Einzelhandel dazuzählen oder was unterscheidet Sie?
Jacqueline Wood und Michael M. Marks: Ja, wir rechnen uns schon zum Einzelhandel, weil wir unsere Mitarbeiter und unsere Mieten durch die Verkäufe von Kunstwerken finanzieren. Der Verkauf von Kunst hat also schon etwas Kommerzielles. Das Kunstwerk selbst dient keinem Zweck. Man kann also fragen: „Kann man ohne Kunst leben? Ja, das kann man schon, aber es lohnt sich nicht.“ Dies ist eine von uns viel zitierte und so wahre Aussage von Paul Wunderlich. In unseren Augen hat die Kunst viele Facetten, eben das, was die Menschen mit ihr verbinden. Das ist das Schöne!
Die vergangenen Jahre haben Innenstädte stark beeinflusst, Frequenzverluste und Kaufzurückhaltung sind eine Folge. Dem kann mit Erlebniseinkäufen, Wohlfühlatmosphäre und Service entgegengewirkt werden. Sie schaffen Erlebnisse in der Galerie und führen zusätzlich Ausstellungen in Bad Soden und Bad Homburg durch, zuletzt über die Verhüllungskünstler Christo & Jeanne-Claude, zu der der Fotograf Wolfgang Volz anwesend war, der die Kunstwerke exklusiv fotografiert hat. Wie hat sich das Verhalten Ihrer Kunden in den vergangenen Jahren verändert?
Jacqueline Wood und Michael M. Marks: Für uns hat vor allem das Internet viel verändert, es ist für uns ein wichtiges Standbein geworden – auch, um entdeckt zu werden. Man kann auf unserer Webseite sogar online durch die Christo-Ausstellung laufen. Kürzlich ist beispielsweise ein Mack übers Internet nach Dormagen verkauft worden, der Kunde war nie hier, selbst die Rahmung haben wir virtuell abgestimmt und angeboten. Immer öfter wird Kunst übrigens auch als Wertanlage erworben, wir haben einen Verteiler, mit dem wir Kunden gezielt ansprechen.
In der Wetzlarer Altstadt befindet sich Ihr Stammhaus. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Standort, und was würden Sie sich dafür wünschen?
Jacqueline Wood und Michael M. Marks: Wir sind generell mit unserem Standort zufrieden und haben auch ein Alleinstellungsmerkmal mit unserer Galerie am Dom. Denn solch ein Angebot gibt es in der Umgebung nicht, auch nicht in Frankfurt. So ziehen wir Kunden weit über die Region hinaus an. Allerdings bemerken auch wir zunehmend die generelle Kaufzurückhaltung, also weniger Frequenz in der Altstadt. Dazu kommt, dass die Häuser durch Leerstand maroder werden, weniger gepflegt sind. Da muss etwas passieren.
Oft ist die Rede vom Erlebnisraum Innenstadt – oder der Innenstadt als Bühne. Da wären wir gerne dabei, doch leider hat man uns in Wetzlar die Bühne genommen. Das ist doch eine verpasste Chance! Ehrlich gesagt fehlte uns in den vergangenen Jahren, seit dem Umzug des Stadthauses in die Kellerräume in der Bahnhofstraße, das Interesse seitens der Politik an unserer Arbeit. Wir sind inzwischen im Taunus fündig geworden und haben temporäre Ausstellungsräume in Bad Homburg und Bad Soden bezogen. Nach wie vor sind wir aber gerne bei der Nacht der Galerien in Wetzlar dabei. Gesprächen mit der Stadt zur Belebung der Altstadt stehen wir positiv gegenüber.
Kontakt:
Galerie am Dom GmbH
Tel.: 06441 46473
galerie-am-dom.de
Wetzlar hat knapp 53.000 Einwohner und ist damit von 32 Kommunen die größte Stadt im Bezirk der IHK Lahn-Dill. 2022 betrug der Einzelhandelsumsatz 12.541 Euro pro Kopf und Jahr. Der Bundesdurchschnitt lag bei 5.972 Euro. Für Wetzlar mit den Stadtteilen Blasbach, Dutenhofen, Garbenheim, Hermannstein, Münchholzhausen, Nauborn, Naunheim und Steindorf sind 864 Einzelhandelsbetriebe registriert.

In der Goethe- und Optikstadt Wetzlar treffen sich moderne Technologie und faszinierende Geschichte. Die Altstadt, im Herzen von Wetzlar, bietet mit dem historischen Fachwerk eine Bühne für kleinteiligen Einzelhandel, Cafés, Restaurants und die viel besuchten Events wie beispielsweise das Weinfest. Zum kulturellen Programm der Stadt Wetzlar gehören unter anderem sämtliche Angebote der Buderus-Arena mit Sportevents und internationalen Künstler/innen, die Wetzlarer Festspiele und die Nacht der Galerien. Der Handballverein HSG Wetzlar spielt seit 1998 ununterbrochen in der ersten Handball-Bundesliga.

Das Reichskammergerichtsmuseum, das Lottehaus sowie das Ernst-Leitz-Museum sind nur einige der Museen in Wetzlar.

Der Aufenthalt von Johann Wolfgang von Goethe 1772 in Wetzlar inspirierte ihn zu einem der bedeutendsten literarischen Werke „Die Leiden des jungen Werthers“. Dies lässt sich noch immer durch eine Führung durch die Altstadt mit der sog. Lotte-Führung nachempfinden. (Quellen: MB Research 2022, IHK Selektion März 2023, Stadt Wetzlar, Wikipedia)
LahnDill Wirtschaft November/Dezember 2023