Ohne Wirtschaft kein Klimaschutz

"Grüner Stahl ist das neue Bio"

Das Edelstahlunternehmen Outokumpu ist für seine Nachhaltigkeitsstrategie in die Umweltallianz Hessen aufgenommen worden. Am Dillenburger Standort des finnischen Unternehmens übergab die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) im Beisein des Geschäftsstellenleiters der Allianz und Referatsleiter Umwelt der IHK Lahn-Dill, Thomas Klaßen, die Urkunde an Henrik Lehnhardt und Thorsten Piniek von der Outokumpu-Geschäftsführung.
„Nachhaltigkeit ist das Thema überhaupt“, erklärte Henrik Lehnhardt. „Man kann in Zukunft in unserer Branche nur mit grünem, sauberem Stahl wettbewerbsfähig sein.“ Outokumpu benutzt zu 90 Prozent recyceltes Vormaterial. Das sei mehr als doppelt so viel wie im Industriedurchschnitt, so Lehnhardt: „Damit sind wir nicht nur führend in Europa. Outokumpu ist das nachhaltigste Edelstahlunternehmen der Welt.“ Outokumpu sei außerdem das einzige Edelstahlunternehmen, das SBTi zertifiziert ist und sich zu maximal 1,5 Prozent Erderwärmung verpflichtet hat. Die Science Based Targets Initiative (SBTi) bewertet Methoden und Kriterien für effektiven Klimaschutz in Unternehmen und ist ein Zusammenschluss aus führenden Klimaschutzorganisationen, unter anderem dem WWF.
Die Nutzung von Recycling-Produkten sei jedoch nur ein Aspekt der neuen Unternehmensstrategie. 76 Prozent der genutzten Elektrizität hat das energieintensive Unternehmen 2020 aus CO2-armen Energieträgern bezogen, ein Solarpark ist in Planung, um weitere Alternativen zur Hauptenergiequelle Gas zu bekommen. Außerdem unterhält Outokumpu verschiedene Aufforstungsprojekte in der Region, unter anderem entlang der A 45. Auf dem Gelände in Dillenburg wurde dieses Jahr eine Blühwiese angelegt, 19.000 Bienen wurden ausgesetzt. Die Dienstwagenflotte soll in den kommenden Jahren komplett auf E-Mobilität umgestellt werden, das Recht auf Dienstfahrräder ist im Tarifvertrag verankert worden.
„Wir erzeugen Transparenz und übernehmen Verantwortung in unserer Lieferkette“, so Thorsten Piniek weiter. Neben der Transparenz der Lieferantenbewertung gehöre vor allem auch die Kontrolle der Lieferanten nach dem „Supplier Code of Conduct“ dazu. Wesentlicher Bestandteil der Lieferkette sei jedoch die eigene Ferrochrome-Mine in Kemi/Finnland, die einzige Chrom-Mine Europas. „Unsere integrierte Fertigung in Tornio aus Ferrochrom und Edelstahl hat ebenfalls große Effizienzvorteile“, erklären Lehnhardt und Piniek.
Umwe ltministerin Priska Hinz zeigte sich beeindruckt von den umfangreichen Leistungen des Unternehmens beim Umweltschutz und dem Thema Nachhaltigkeit: „Ohne diese Nachhaltigkeit werden wir unsere Lebensgrundlagen nicht schützen können. Sie gehen mit gutem Beispiel in Ihrer Branche voran.“ Mit 9000 Mitarbeitern weltweit, davon knapp 2000 in Deutschland und 600 am Standort in Dillenburg, gehört der Edelstahlkonzern zu den großen in der Branche.

Hintergrund:
Die freiwillige Rahmenvereinbarung der „Umweltallianz Hessen – Bündnis für nachhaltige Standortpolitik“ wurde von der Hessischen Landesregierung, der Hessischen Wirtschaft und den Kommunalen Spitzenverbänden vereinbart. Ziel ist, die Umweltleistung der Unternehmen, Kommunen und Verbände zu steigern, die Eigenverantwortung zu erhöhen und damit den Wirtschaftsstandort Hessen zu stärken.

Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA
Im Gespräch: Henrik Lehnhardt, Geschäftsführung Outokumpu

Im ersten Quartal 2022 hat Ihr Mutterkonzern, der finnische Stahlkonzern Outokumpu, einen Nettogewinn von 251 Millionen Euro verzeichnet. An diesem Erfolgskurs, so heißt es in einer Mitteilung, hat der Standort Dillenburg einen großen Anteil. Was ist Ihr Anteil genau?
Hendrik Lehnhardt: Unser Kaltwalzwerk in Dillenburg ist Teil einer gut aufeinander abgestimmten Produktionskette, die mit der Herstellung des Vormaterials in unseren Stahlwerken in Finnland und Schweden beginnt und hier in Dillenburg mit der Endverarbeitung und Veredelung gemäß den Wünschen unserer Kunden in aller Welt abgeschlossen wird. In Zahlen ausgedrückt waren das im ersten Quartal 2022 fast 43.000 Tonnen Material, die wir hier versandfertig erzeugt haben.
Outokumpu gehört zu den energieintensiven Unternehmen, hat also hohe Stromkosten. Dabei produziert Outokumpu Edelstahl schon heute mit dem geringsten CO2-Fußabdruck in der Branche, liegt 70 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Bis 2050 wollen Sie es schaffen, komplett CO2-neutral zu produzieren. Wie läuft das ab?

Hendrik Lehnhardt:
Bereits 2020 kamen 76 Prozent der von uns genutzten Elektrizität aus CO2-armen Energieträgern. Diesen Anteil werden wir stetig weiter erhöhen, z.B. mit dem Solarpark, den wir hier in Dillenburg planen.
Auch die Einsparung und der effiziente Einsatz von Energie reduzieren unsere CO2-Emissionen. Ein gutes Beispiel die Nutzung von Abwärme aus der Produktion für andere Anlagen und Heizsysteme. Wir denken auch über den Einsatz von Induktionsverfahren als Alternative für die Beheizung unserer Öfen nach.
Im Juni haben wir in unserem Werk in Tornio übrigens die ersten Chargen unseres neuen Produkts „Circle Green“ hergestellt, ein Edelstahlprodukt, dessen CO2-Fußabdruck um 92 Prozent geringer ist als der Branchendurchschnitt.

Grüner Stahl hat einen höheren Preis. Dazu kommen hohe Umweltstandards und starke Regulierung in Deutschland, die den Unternehmen das Wirtschaften nicht gerade einfacher machen. Was benötigen Sie seitens der Politik, um weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben?
Hendrik Lehnhardt: Wichtig ist aus unserer Sicht die Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit von nachhaltigen Produkten, indem auch die indirekten Emissionen, die mit einem Produkt verbunden sind, berücksichtigt werden. Momentan fokussiert sich die EU jedoch hauptsächlich auf die direkten Emissionen und die Energieträger.
Ein weiterer Punkt sind die Unterstützungen und Subventionen für den Einsatz der Wasserstoff-Technologie in der Stahlindustrie. Diese Technologie eignet sich nur sehr begrenzt für die Produktion von Edelstahl, so dass Hersteller wie Outokumpu kaum von der staatlichen Unterstützung profitieren können. Hier würden wir uns eine alternative, an unsere Branche angepasste Unterstützung wünschen.

Investition in Ausbildung, Unternehmensgesundheit, Vermeidung von Plastik am Arbeitsplatz, eine Bienenwiese vor dem Haus – bei Outokumpu zieht sich das Thema Nachhaltigkeit durch alle Produktionsbereiche. Das funktioniert nur gemeinsam mit der Belegschaft. Wie erreichen Sie diesen hohen Identifikationsgrad der Belegschaft mit dem Unternehmen?
Hendrik Lehnhardt: Nachhaltigkeit hat in der Tat einen sehr hohen Stellenwert. Und das gilt nicht nur für unsere Produktion und unsere Lieferketten, sondern auch für die Menschen – im Unternehmen, aber auch bei unseren Partnern und in unserer Nachbarschaft.
Dass Nachhaltigkeit Teil unserer DNA ist und wir von ihrer Wichtigkeit ehrlich überzeugt sind, spüren auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich deshalb auch selbst. Wichtig ist die aktive Einbindung der Belegschaft in neue Projekte. Wer schon bei der Planung eines neuen Vorhabens dabei ist, engagiert sich später auch für dessen erfolgreiche Umsetzung. Aber in vielen Fällen kommen Anregungen auch direkt aus der Belegschaft. Und wenn diese dann aufgegriffen und umgesetzt werden, motiviert das natürlich, sich selbst auch aktiv einzubringen.
Das Interview führte Iris Baar