Aus- und Weiterbildung

Klappt fast immer: Streit schlichten mit der IHK - so funktioniert's

„Wir haben neue PCs, ich öffne Euch ein Fenster.“ Am nächsten Tag waren die Rechner aus dem Unternehmen verschwunden. Der Azubi, der diesen Tipp an seine Clique weitergab, wurde fristlos gekündigt, wehrte sich allerdings erfolgreich vor Gericht, denn: Die Kündigung in diesem Beispiel enthielt Formfehler: Es fehlte die Angabe der Kündigungsgründe. Auf was es bei Konflikten in einem Ausbildungsverhältnis ankommt, und warum der Schlichtungsausschuss einer Klage vorgeschaltet ist, darüber informierten sich die Mitglieder des Schlichtungsausschusses der IHK Lahn-Dill in einem Workshop mit Tillmann Ebner, Richter am Arbeitsgericht Gießen, Güterichter und innerbetrieblicher Schlichter.
Richter Tillmann Ebner stellt gleich zu Beginn des Workshops klar: „Wenn eine Kammer einen Schlichtungsausschuss eingerichtet hat, muss er bei Ausbildungsverhältnissen vor gerichtlichen Verfahren auch durchlaufen werden.“ Bei der IHK Lahn-Dill gibt es einen solchen Ausschuss, er ist paritätisch besetzt mit je einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmervertreter (zuständig jeweils für Dillenburg/Biedenkopf und Wetzlar), die Ausschussmitglieder haben jeweils einen Stellvertreter. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren 75 Schlichtungsfälle im gesamten Kammerbezirk bearbeitet, in den meisten Fällen haben sich die Beteiligten gütlich geeinigt“, erklärt Axel Bäcker, Referatsleiter Ausbildungsberatung und Vertragsmanagement und zuständig für die Vorbereitung der Sitzungen des Ausschusses rund um die Region Dillenburg und Biedenkopf.
75 Fälle in 10 Jahren
In den meisten dieser Fälle sei es um Kündigungen des Ausbildungsverhältnisses gegangen. Das decke sich auch mit einer aktuellen Umfrage im Richterkollegium des Arbeitsgerichts Gießen, so Tillmann Ebner. Die Umfrage habe ergeben, dass die häufigsten Rechtsstreitigkeiten bei Ausbildungsverhältnissen in den vergangenen drei Jahren mit großem Abstand Kündigungsklagen waren, gefolgt von Zahlungsklagen auf dem zweiten Platz (eine detaillierte Auswertung liegt nicht vor, da insoweit keine Statistiken geführt werden, die Angaben basieren auf der Erinnerung der Richterinnen und Richter). Ebner: „Der häufigste Fall sind Kündigungen nach Ablauf der Probezeit durch den Arbeitgeber.“
Rechtsgrundlagen für Kündigungen im Ausbildungsverhältnis
Ebner erklärte den Schlichtern der IHK Lahn-Dill die Rechtsgrundlage für Kündigungen im Ausbildungsverhältnis: Während der Probezeit kann ein Ausbildungsverhältnis von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden. Nach der Probezeit kann eine Kündigung – ohne Einhalten einer Frist – nur aus einem wichtigen Grund ausgesprochen werden. Auszubildende können zudem mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn sie die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen wollen. Wichtig: Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen. Ebner: „Sind die Tatsachen, die der Kündigung zugrunde liegen, demjenigen, der kündigen will, länger als zwei Wochen bekannt, ist eine Kündigung aus wichtigem Grund unwirksam.“ Das Kündigungsschreiben muss darüber hinaus handschriftlich unterschrieben sein, ein pdf oder ein Fax reiche nicht aus.
Viele Kündigungen formell unwirksam
Was logisch und einfach klingt, ist in der Praxis offenbar schwer umzusetzen.  Kündigungen sind zum Teil formell unwirksam wegen „Nichtangabe der Kündigungsgründe“ oder „Nichtwahrung der Zwei-Wochenfrist“, so Richter Tillmann Ebner weiter. Er erklärt: „Wenn ein Auszubildender seinen Vorgesetzten beleidigt und der Arbeitgeber kündigen will, muss, wenn der Vorfall bekannt geworden ist, grundsätzlich die Kündigung innerhalb von zwei Wochen schriftlich erklärt werden.“
Schlichtung spart Kosten
Um Kosten zu sparen und die Gerichte vor überflüssigen Verfahren zu schützen, ist einem Gerichtsverfahren der Schlichtungsausschuss bei der IHK vorangestellt. Nach Anhörung aller Parteien entscheidet der Ausschuss durch einen „Spruch“, der innerhalb einer Woche von beiden Parteien anerkannt werden muss, um wirksam zu werden. Andererseits muss innerhalb von zwei Wochen Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. „Wir streben grundsätzlich die gütliche Einigung an, klappt das nicht, ergeht ein Spruch“, erklärt Dennis Benner, vom Referat Ausbildungsberatung und Vertragsmanagement der IHK Lahn-Dill. Er bereitet für die Region Wetzlar die Sitzungen des Schlichtungsausschusses vor.
Bei der Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill besteht gemäß § 111  Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes ein Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden. Dieser Schlichtungsausschuss kann nur Streitigkeiten aus bestehenden Berufsausbildungsverhältnissen verhandeln. Die Verhandlung ist Prozessvoraussetzung für eine Klage vor dem Arbeitsgericht.

Der Schlichtungsausschuss wird nur auf Antrag des Ausbildenden oder des Auszubildenden tätig. Antragsvordrucke sind bei der Geschäftsstelle des Schlichtungsausschusses erhältlich. Der Antrag ist in zweifacher Ausfertigung einzureichen, er kann auch hier mündlich zu Protokoll gegeben werden. Anträge minderjähriger Auszubildender bedürfen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.

Die Verfahrensordnung des Schlichtungsausschusses sowie ein Merkblatt können auf der Homepage der IHK Lahn-Dill heruntergeladen werden.