Digitalisierung & Recht

Wettbewerbsrecht 4.0

Bei der Frage, ob Industrie 4.0 auch zu wettbewerbsrechtlichen Problemen führen kann, bestehen mehrere Gesichtspunkte, die es zu beleuchten gilt. In der Regel sind mehrere Unternehmen beteiligt, so dass sich zunächst die Frage stellt, welche Kooperationen wettbewerbsrechtlich überhaupt erlaubt sind. Da sich die Wirtschaftsteilnehmer in einem informellen Austausch von Informationen oder sogar in einer Kooperation befinden, stellt sich weiterhin die Frage, ob es auch hierdurch zu einer Einschränkung des Wettbewerbs kommt.
Marktbeherrschung
Auch im Bereich von Industrie 4.0 stellt es keinen Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot dar, wenn ein Unternehmen mit marktkonformen Mitteln eine marktbeherrschende Stellung erreicht. Aber wie ist es, wenn zur Realisierung von Industrie 4.0 unabdingbar eine technische Basis, wie z.B. eine bestimmte Software oder eine Cloud notwendig sind? Wenn Anbieter bei solchen zentralen Instrumenten der Digitalisierung eine marktbeherrschende Position erlangen, wird das Missbrauchsverbot relevant, soweit diese Position dazu ausgenutzt wird anderen Unternehmen hohe Preise, komplizierte Regeln aufzuzwingen oder sie vom Marktzutritt auszuschließen. Dabei ist aber anerkannt, dass auch marktbeherrschende Unternehmen ihre Erfolge nutzen und auch ihre Geschäftspartner frei auswählen dürfen. Für einen Missbrauchsvorwurf müssen im Einzelfall außergewöhnliche Umstände hinzutreten. Soweit ein marktbeherrschendes Unternehmen verpflichtet ist den Zugang zu ermöglichen, besteht ein Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die weder zu hoch, noch zu niedrig sein darf.   

Kooperation von Unternehmen
In der Regel führen Unternehmenskooperationen zu technologischen Innovationen. Im Rahmen der Erforderlichkeit sind diese auch grundsätzlich zu rechtfertigen. Wichtig ist jedoch, dass der Wettbewerb erhalten bleibt. In der Kooperation entwickelte Produktionssysteme oder Produkte sollten weiterhin im Wettbewerb stehen. Dieses Problem ergibt sich weniger bei der Kooperation kleinerer Unternehmen, sondern eher bei großen Unternehmen mit einem hohen Marktanteil. Durch solche Kooperationen kann es zu einer spürbaren Einschränkung des Wettbewerbs kommen.

Informationsaustausch
Industrie 4.0 beruht ganz wesentlich auf dem Austausch von Informationen und ist wesentlicher Bestandteil des Herstellungsprozesses. Damit würden Verbote die Produktentwicklung und -Herstellung unmöglich machen. Soweit allerdings ein Austausch zu marktrelevanten Informationen wie z.B. Strategien und Preisen erfolgt, kann sie wettbewerbswidrig sein. Auch Vereinbarungen zu Standards oder die Vereinbarung über Zugangscodes, können wettbewerbswidrig sein, soweit hierdurch Wettbewerber vom Informationsaustausch ausgeschlossen werden sollen.     


Standpunkt:
Industrie 4.0 kann zu wettbewerbsrechtlichen Problemen führen, da für einen solchen innovativen Prozess Offenheit und Kooperation zwingend notwendig sind. Dies ist insbesondere für die Unternehmen eine große Herausforderung, da sie sich dieser Entwicklung nicht verschließen können. Die vorhandenen Regelungen sind allerdings ausreichend und sollten insbesondere dort ansetzen, wo die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens bzw. eines kooperierenden Unternehmens dazu missbraucht wird, Wettbewerber auszuschließen.