Wagner trifft...

"Entscheidung noch keinen Tag bereut"

Neugründungen im stationären Einzelhandel werden immer seltener und wertvoller. Sie haben Ihr Geschäft vor der Krise Anfang 2018 gemeinsam mit Ihrer Schwester Nunzia Verolino gegründet. Bis zum Beginn der Krise in 2020 hatten Sie nur wenig Zeit, Stammkunden zu gewinnen. Wie haben Sie es bisher geschafft, und würden Sie die Entscheidung heute noch einmal treffen?
Claudia Bode: Die Corona-Pandemie hat den Einzelhandel stark getroffen und den Online-Handel gestärkt. Zunehmend sehen wir Innenstädte veröden. Doch das dürfen wir nicht zulassen, Innenstädte sind wichtig für unsere Gesellschaft, sie sind sogenannter weicher Standortfaktor. Die Menschen treffen sich in Cafés, Restaurants oder auch zum Shoppen mit Erlebnischarakter bei uns. Meine Schwester und ich fühlen uns sehr mit Wetzlar verbunden und wir haben unsere Entscheidung – trotz Corona - noch keinen Tag bereut. Wir haben uns 2018 bewusst für die Altstadt entschieden. Sie muss erhalten bleiben, hier ist die Verweilqualität hoch. Ja, wir würden die Entscheidung für unser Geschäft hier in der Silhöfer Straße heute noch einmal genauso treffen.
Was sind Ihre Stärken im Geschäft?
Claudia Bode: Neben individueller Beratung und Service können die Kunden bei uns physisch einkaufen. Sie können die Produkte anfassen, Hüte und Hemden anprobieren oder an einer Duftkerze riechen und einen Kaffee trinken. Das alles kann ein Onlineshop nicht bieten. Das ist die Stärke des Einzelhandels. Wenn Kunden wählen können, wählen sie meistens diese Variante des Einkaufserlebnisses. Wir fahren auch zu den Kunden nach Hause, bringen Kataloge mit Wohnaccessoires mit und beraten vor Ort. In Wetzlar liefern wir auch kostenfrei. Ein besonderes Angebot bei uns sind maßgeschneiderte Hemden für Herren. Dafür arbeiten wir mit dem Maßschneider Marco Giannetti aus Rom zusammen. Er ist in Italien durch Fernsehsendungen bekannt, wir sind stolz, dass wir mit ihm zusammenarbeiten und dieses Einkaufserlebnis in der Wetzlarer Altstadt anbieten können. Das nächste Mal kommt er im Februar, den Termin geben wir rechtzeitig auf Facebook, Instagram und unserer Homepage bekannt. Die Kunden können sich nach dem Maßnehmen einen Stoff, die Kragenform, Knöpfe und Manschetten aussuchen, auch ein Monogramm kann eingestickt werden. Demnächst wird Marco Giannetti auch Blusen für unsere Kundinnen nach Maß schneiden.
Sie betreiben das Geschäft mit Ihrer Schwester Nunzia Verolino. Diese Unterstützung ist notwendig und in der Familie bestimmt besonders schön. Aber trotzdem, wie schaffen Sie es, das Geschäft aufzubauen, die Öffnungszeiten zu bedienen und Ihre Familie unter einen Hut zu bringen?
Claudia Bode: Das ist nicht einfach, denn wir sind immer auf Achse und immer engagiert. Vor Corona waren wir viel auf Messen, jetzt nehmen wir Ausstellungen virtuell wahr. Vieles läuft nach Feierabend. Doch es ist alles eine Frage der Organisation. Unsere Familie steht hinter uns, die Familienmitglieder helfen bei besonderen Anlässen und Aktionen. In Italien ist das Normalität, da leben oft drei Familien unter einem Dach, die Wertschätzung in und für die Familie ist selbstverständlich.
Innenstädte haben sich durch Corona verändert und brauchen neue Konzepte. Der Handel schafft es nicht mehr alleine, ausreichend Frequenz zu erzeugen, vielmehr braucht der Handel jetzt die Frequenz. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Standort, und was benötigt der stationäre Einzelhandel in der Altstadt in Wetzlar, um erfolgreich zu sein?
Claudia Bode: Der Einzelhandel generell – nicht nur in Wetzlar – braucht eine Perspektive und neue Konzepte. Eine Möglichkeit, mehr Frequenz zu erzeugen, ist Erlebnisshopping. Dabei greifen Kulturangebote, der Einzelhandel und die Gastronomie ineinander, zum Beispiel mit einem Konzert in einem Restaurant, einer Ausstellung in den Geschäften. Die Innenstadt muss zum Erlebnisraum werden. Außerdem benötigen vor allem kleine Händler Unterstützung bei der Digitalisierung, ebenso bei der Werbung. Gerne kostenfrei, denn wir haben alle genug Ausfälle durch den Lockdown gehabt.
Wichtig ist auch eine größere Flexibilität an den Wochenenden für die gesetzlich zulässigen vier verkaufsoffenen Sonntage. Sie funktionieren in anderen Ländern auch – größtenteils auf freiwilliger Basis. Warum ist das bei uns so ein Problem? An Sonntagen können Familien gemeinsam stressfrei einkaufen gehen. Grade Kinder langweilen sich an Sonntagen. In der offenen Stadt kann ein Sonntag so auch für Kinder zum Erlebnis werden.


Altstadt Ambiente
Wohnaccessoires, Designerstücke, Kunsthandwerk, Schmuck und maßgeschneiderte italienische Hemden – seit 2018 bieten Claudia Bode und ihre Schwester Nunzia Verolino im Altstadt-Ambiente in der Silhöfer Straße in Wetzlar liebevoll ausgesuchte Produkte vom Mitbringsel bis hin zum Kleinmöbel an. Die beiden Geschäftsfrauen arbeiten auch mit dem italienischen Maßschneider Marco Giannetti zusammen, der Hemden nach Kundenwunsch schneidert. Exklusiv bieten Claudia Bode und Nunzia Verolino einen Wetzlar-Ring aus 925 Sterling Silber verarbeitet mit Naturmaterialien wie Lavasand und Strandsand mit den Motiven vom Jerusalemhaus, alte Lahnbrücke, Dom, Fotokamera und der Silhouette von Goethe an. Mit verschiedenen Aktionen wollen sie Shopping zum Erlebnis machen, im Februar kommt der Maßschneider, im Frühjahr ist eine Schmuckparty geplant.