Flächen für Gewerbe und Industrie

Neuer Regionalplan Mittelhessen

Neue Flächen für Gewerbe und Industrie in Mittelhessen

Der neue Regionalplan kommt und mit ihm neue Gewerbeflächen für die heimische Wirtschaft. Wo diese Flächen in Mittelhessen liegen könnten, hat eine Studie im Auftrag des Regierungspräsidiums Mittelhessen erarbeitet. Vorbildlich: die frühe Einbindung der Industrie- und Handelskammern und anderer Wirtschaftsvertreter.
Wo können künftig Baugebiete für Industrie und Gewerbe ermöglicht werden? Wo darf eine größere Anzahl Wohnhäuser entstehen? Welche Flächen stehen für den Abbau von Rohstoffen zur Verfügung? Wo könnten sich große, internationale Unternehmen ansiedeln? Diese und viele andere Fragen regelt der Regionalplan Mittelhessen. „Etwa alle zehn Jahre wird er neu aufgestellt, um die Ziele und Grundsätze festzulegen – wiederum für die nächsten ungefähr zehn Jahre“, berichtet der Gießener Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich. Die Obere Landesplanungsbehörde beim Regierungspräsidium (RP) Gießen ist in diesem Prozess als Geschäftsstelle der Regionalversammlung federführend. Viele Beratungen haben auf unterschiedlichen Ebenen bereits stattgefunden. Jetzt gehen sie in eine wichtige Phase: Die Sitzungen der Ausschüsse der Regionalversammlung und schließlich der Regionalversammlung selbst stehen an.
Unterlagen im Internet einsehbar
„Nachdem zuletzt über erste Textentwürfe diskutiert wurde, geht es nun erstmals um konkrete Flächen, auf denen zum Beispiel Industrie- und Gewerbegebiete oder auch neue Rohstoffabbaugebiete ermöglicht werden sollen“, berichtet Dr. Ivo Gerhards, Leiter der Oberen Landesplanungsbehörde. Um allen frühzeitig die Möglichkeit zu geben, Informationen über die möglichen Planungsflächen zu bekommen, sind die Sitzungsunterlagen auf der Internetseite des Regierungspräsidiums verfügbar.
Grundlage der Beratungen ist ein Entwurf der Oberen Landesplanungsbehörde im RP Gießen. Neben einer Arbeitskarte mit sämtlichen Planungsflächen, die aus fachlicher Sicht für eine Entwicklung in Frage kommen, wurde eine umfangreiche Berichtsvorlage erarbeitet. Diese zeigt auf, nach welchen fachlichen Kriterien die Behörde vorschlägt, eine bestimmte Fläche in den Entwurf aufzunehmen. Oder aber vorschlägt, dem Planungswunsch einer Kommune nicht zu folgen und dies begründet.
Was geht? Was geht nicht?
Ausführlich dargestellt und mit Kartenausschnitten verdeutlicht werden einige umstrittene Flächen wie das mögliche Gewerbegebiet in Gießen-Lützellinden oder eine interkommunal zu entwickelnde Fläche zwischen Biedenkopf und Breidenbach. „Die Vorlage benennt aber auch Kommunen wie Heuchelheim, Gießen, Aßlar und Dillenburg, bei denen es kaum möglich war, geeignete Entwicklungsflächen im erforderlichen Umfang zu finden, um dem absehbaren Bedarf gerecht zu werden“, sagt Antje te Molder, für die Siedlungsplanung zuständige Dezernentin des RP. Ursache dafür seien meist schwierige topographische Verhältnisse wie steile Hanglagen oder andere Restriktionen, etwa ein hoher Flächenanteil von Wald oder von Schutzgebieten. In diesen Fällen könne eine interkommunale Kooperation Optionen für eine Entwicklung bieten, ergänzt te Molder. Daneben zeigt die Vorlage auf, wie die Ergebnisse der Strategischen Umweltprüfung und der FFH-Vorprüfung bei der Flächensuche berücksichtigt wurden.
Überschwappeffekte aus Metropolregion nutzen
Ein eigener Abschnitt der Vorlage ist den Gewerbeflächen gewidmet, die künftig in der Region vorgehalten werden sollen, um den Bedarf für die Neuansiedlung größerer, oftmals überregionaler oder internationaler Unternehmen decken zu können. Dies sind gleichzeitig Flächen, mit denen Mittelhessen auch den Kernraum der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main entlasten kann. Die Nachbarregion stößt schließlich aufgrund von Flächenknappheit und hoher Verkehrsbelastung sprichwörtlich an ihre Grenzen. Auch ist es ein wichtiges Ziel, Auspendlern im Sinne einer Verbindung von „Wohnen und Arbeiten“ attraktive Arbeitsplätze in Mittelhessen anzubieten. So können gleichzeitig Überschwappeffekte aus der Metropolregion für Mittelhessen genutzt werden.
Zukunft für Mittelhessen
Gleichzeitig gewinnen die Standorte in Mittelhessen durch Wirtschaftswachstum an Zukunftsfähigkeit. Grundlage für die Flächenauswahl – insgesamt sechs Stück in den fünf mittelhessischen Landkreisen – waren insbesondere Vorschläge aus dem Gewerbeflächenkonzept, das unter externer fachlicher Begleitung durch die Prognos AG erarbeitet wurde. Sie weisen eine Mindestgröße von 20 Hektar auf und sollen vor allem interkommunal entwickelt werden.  Die Industrie- und Handelskammer hat diese Flächenausweisungen mit fachlicher Expertise begleitet.
Um diese größeren, überregionalen Flächen geht es: (Layouterisch bitte besonders herausarbeiten)
  • Potentialraum Gießen / Wetzlar à Standort bei Hüttenberg von ca. 23 Hektar
  • Potentialraum Gießen / Wetzlar à  Standort bei Großen-Linden von ca. 49 Hektar
  • Potentialraum Limburg / Bad Camberg à  Standort bei Bad Camberg von ca. 29 Hektar
  • Potentialraum Haiger / Dillenburg / Herborn à Standort bei Eschenburg von ca. 28 Hektar
  • Potentialraum Marburg/Kirchhain/ Stadtallendorf/Alsfeld à Standort bei Kirchhain von ca. 58 Hektar
  • Potentialraum Lauterbach / Schwalmtal à Standort bei Lauterbach-Reuters von ca. 26 Hektar
Zahlreich weitere regionale Gewerbeflächen wurden ebenfalls in die Planung aufgenommen.
Wie geht es weiter?
„Im Anschluss an diese erste Erörterung der Planungsflächen werden die Berichtsvorlage und die Arbeitskarte nun in den nächsten Wochen intensiv in den Fraktionen der Regionalversammlung und in weiteren Ausschusssitzungen beraten und erörtert“, sagt Dr. Ivo Gerhards zum weiteren Procedere. Noch vor der Sommerpause könnten sich die beiden Ausschüsse auf vorläufige Beschlussempfehlungen verständigen, ehe dann die Regionalversammlung nach einer abschließenden Beratungsrunde Ende September die Offenlegung des Planentwurfs beschließen soll.
Nachdem die Regionalversammlung über die einzelnen Vorlagen beschlossen hat, findet voraussichtlich im vierten Quartal 2021 die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden zum Regionalplan Mittelhessen statt. In dieser zweimonatigen Beteiligungsphase sind die Industrie- und Handelskammern eingebunden und vertreten auf gesetzlicher Grundlage die Gesamtinteressen der Wirtschaft. Mitgliedsunternehmen können sich schon jetzt mit Anregungen zu Flächen an Ihre IHK wenden.

Gewerbeflächen bedeuten Wohlstand

Kommentar von Saskia Kuhl
Die Erstellung des mittelhessischen Gewerbeflächenkonzepts für die Neuaufstellung des Regionalplans ist vorbildlich für ganz Hessen - und eine Chance für Mittelhessen, Gewerbe- und Industriegebiete auszuweisen, die von Unternehmen gesucht werden. Schon jetzt lassen sich Unternehmen bei Kommunen auf Wartelisten setzen, um eine Gewerbefläche zu erhalten, wenn diese endlich verfügbar ist. Industrie- und Gewerbegebiete an der sechsspurig ausgebauten A 45 sind nicht nur besonders attraktiv für regionale Investoren, sondern auch für Unternehmen außerhalb unserer Region, dem sogenannten exogenen Gewerbeflächenbedarf.

Oft lassen die schnellen Entwicklungen auf den Weltmärkten den Unternehmen kaum mehr als ein halbes Jahr zwischen Expansionsentscheidung und Baubeginn. Daher ist ein qualitativ hochwertiges Angebot an Industrie- und Gewerbeflächen extrem wichtig und lässt sich nicht wegdiskutieren. Wetzlar als Oberzentrum hat neben den anderen wichtigen Wirtschaftsschwerpunkten an der A 45 in diesem Zusammenhang eine besondere Verpflichtung. Neue Gewerbeflächen sind wichtig, sie bedeuten Wohlstand für unsere Region.

Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich sieht im neuen Regionalplan Mittelhessen großes Potenzial

„Ein Magnet für Fach- und Führungskräfte aus dem In- und Ausland“
Unsere Region ist eine Auspendlerregion, der Pendlersaldo beträgt -27.000 Beschäftigte. Täglich pendeln rund 88.000 Menschen aus Mittelhessen vor allem Richtung Rhein-Main-Gebiet. Wie konkret können neue Gewerbeflächen dabei helfen, diese Fachkräfte zurückzugewinnen?
Christoph Ullrich: Unsere ideale geografische Lage ist ein wichtiger Punkt. Wir befinden uns mitten in Deutschland und zugleich im Herzen von Europa – und das mit einer immer besser werdenden Infrastruktur für den Verkehr, sei es mit dem LKW, der Bahn oder dem Flugzeug. Ich bin fest davon überzeugt: Nicht zuletzt deshalb wird sich die Region perspektivisch zu einem Magnet für Fach- und Führungskräfte aus dem In- und Ausland weiterentwickeln.
In dem Gewerbeflächenkonzept für die Region Mittelhessen, also der Grundlage für die Neuaufstellung des Regionalplans, sind aus vier Potentialräumen 22 sogenannte Best-Flächen herausgearbeitet worden. Damit sollen Vorranggebiete für Industrie und Gewerbe ermittelt werden, die unter anderem durch ihre verkehrsstrategische Lage, ihren Abstand zu Schutzgebieten, ihre Topografie oder auch den Abstand zu Wohn- und Mischgebieten besonders attraktiv für eine Industrie- oder Gewerbeansiedlung sind. Im Lahn-Dill-Kreis sind das Flächen in Dillenburg und Eschenburg, Herborn, Wetzlar oder auch Hüttenberg. Diese identifizierten Flächen sind zunächst Vorschläge und werden während der Aufstellung des Regionalplans detailliert geprüft.
Mit den Universitäten in Gießen und Marburg sowie der Technischen Hochschule Mittelhessen und dem angesehenen Studium Plus in Wetzlar haben wir in den drei Oberzentren gebündeltes Know-how auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. Alleine die THM bildet über 18.000 Studierende praxisnah aus. Ein starkes MINT-Profil, eine hohe Orientierung in Richtung Wirtschaft sowie die Nähe zu wissenschaftlichen Einrichtungen machen den mittelhessischen Nachwuchs als Fachkräfte sehr attraktiv.
Vom ersten Tag meiner Tätigkeit im Regierungspräsidium Gießen an bereise ich die fünf Landkreise, um in Kontakt mit den wirtschaftlich Verantwortlichen zu sein. Wir haben unglaublich viele spannende, innovative Akteure in der Region, vom Global Player bis zum Hidden Champion, also vom etablierten Unternehmen, das am Standort expandieren möchte, bis zum kleinen Start-up, das sich aus der kleinen Lagerhalle heraus weiterentwickeln möchte. Wer expandiert, braucht Fachkräfte und Flächen.
Wie wird der Flächenbedarf ermittelt? Fragen Sie bei Bestandsunternehmen nach? Werden Zahlen zum Bevölkerungs- und Beschäftigungswachstum in Mittelhessen berücksichtigt? Wenn ja, wie sehen diese Wachstumszahlen aus?
Christoph Ullrich: Den Regionalplan für Mittelhessen neu aufzustellen, ist verständlicherweise sehr umfassend und komplex, schließlich geht es darum, die Bedürfnisse der 101 Städte und Gemeinden im RP-Bezirk zu ermitteln und zugleich auf einen Ausgleich räumlicher und struktureller Ungleichgewichte hinzuwirken.
Für den Bereich der Industrie- und Gewerbeentwicklung ist erstmals als vorbereitende Grundlage ein Gewerbeflächenkonzept bei der Prognos AG beauftragt worden. Im Grundsatz liegt dem ein auf die Region Mittelhessen ausgerichtetes GIFPRO-Modell zugrunde, das den Flächenbedarf über die Beschäftigten in gewerbeflächenrelevanten Branchen nachfrageorientiert berechnet. Dabei berücksichtigt werden empirisch belegte Ansiedlungs-, Verlagerungs- und Wiedernutzungsquoten. Dieser Prozess wurde durch einen Arbeitskreis intensiv begleitet, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Industrie- und Handelskammern, des Regionalmanagements Mittelhessen, von kommunalen Wirtschaftsförderungseinrichtungen, der Handwerkskammer und weiteren Beteiligten.
Sie sehen, alleine bis hier wird es schon ziemlich komplex. Wer sich für dieses Thema vertiefend interessiert, findet alle Unterlagen – auch das Gewerbeflächenkonzept – auf unserer Homepage www.rp-giessen.hessen.de unter dem Punkt „Planung“ im Bereich „Regionalversammlung“ unter „Termine und Sitzungen der Regionalversammlung“.
Wer fragt nach neuen Gewerbeflächen?
Christoph Ullrich: Wir haben es mit einem offenen Markt mit vielen Akteuren zu tun. Bei dem Gewerbeflächenkonzept wurde uns rückgemeldet, dass es Anfragen für innovative Industrieproduktionen wie Maschinenbau, Batterietechnik oder auch Biotechnologie gab, aber auch E-Commerce, Logistik sowie aus dem Bereich Handwerk. Das Unternehmen selbst entscheidet letztlich, welche Fläche es sich aussucht und fragt direkt bei der Kommune/Wirtschaftsförderung an, über das Regionalmanagement Mittelhessen oder über private Akteure. Deshalb gibt es dazu auch keine Gesamtübersicht.  
Grundsätzlich ist es so, dass sich die Kommunen vor Ort um die Pflege der Bestandsbetriebe kümmern. Dabei unterstützen die Wirtschaftsförderungen der Landkreise und Oberzentren Mittelhessens. Um den Prozess für Investoren und Kommunen zu erleichtern, gibt es den Service, Ansiedlungsanfragen über das Regionalmanagement Mittelhessen zu stellen. In enger Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsförderungen der Landkreise und Oberzentren in Mittelhessen können darüber passende Flächen in der Region gesucht werden.  
Wie sollen die Flächen vermarktet werden?
Christoph Ullrich: Hierfür gibt es verschiedene Instrumente und Formate. Eine sehr wichtige Plattform ist der mittelhessische Gemeinschaftsstand auf der Immobilienmesse EXPO Real in München. Der wird mit hohem Aufwand von dem Regionalmanagement Mittelhessen organisiert. Die EXPO Real ist die größte B2B-Fachmesse in Europa für die Immobilienwirtschaft. Im Jahr 2019 waren neben dem Regierungspräsidium Gießen insgesamt 35 kommunale und private Partner aus Mittelhessen auf dem Stand vertreten. Über die Jahre hat sich dort ein starkes Netzwerk zwischen den Kommunen, Projektentwicklungsunternehmen, den regionalen Banken und Immobiliendienstleistern entwickelt, das bereits viele spannende Projekte in Mittelhessen ermöglicht hat. Neben der EXPO Real findet über die Hessische Wirtschaftsförderung Hessen Trade & Invest eine internationale Standortvermarktung statt, die auch Kontakte und Anfragen für Mittelhessen bringt.