Digitalisierung & Recht

Haftungsrecht 4.0

Insbesondere beim Thema Haftung stellt sich die Frage, ob das geltende Recht in der Lage ist, Antworten auf die haftungsrechtlichen Fragen der Digitalisierung und Vernetzung zu geben. Hintergrund hierfür sind die immer komplexeren Wertschöpfungsnetzwerke. Bei der Beurteilung dieser Frage muss man die unterschiedlichen Haftungsbereiche unterscheiden.
Produktionsprozess
Wie ist es bei Schäden, die im Rahmen eines Produktionsprozesses entstehen, an dem mehrere Unternehmen beteiligt sind. Denkbar sind hier insbesondere Störungen aufgrund von Softwarefehlern, Cyberangriffen und Datenverlusten. Das gesetzliche Haftungsrecht stellt in insofern eine Vielzahl von Anspruchsgrundlagen (u. a. §§ 280 ff, 823 ff BGB) zur Verfügung, bei denen grundsätzlich das Verschuldensprinzip gilt. Da dies häufig nicht den Interessen der beteiligten Unternehmen entsprechen dürfte, sollten die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit unter Berücksichtigung zwingenden Rechts (AGB-Recht etc.) hierzu vertragliche Regelungen treffen.

Fehlerhaftes Produkt
Spannend ist weiterhin die Frage der Haftung gegenüber z. B. einem Kunden für ein Produkt, das in einem komplexen Produktionsprozess unter Beteiligung mehrerer Akteure hergestellt wurde und insofern eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeit schwierig ist. Dabei steht die vertragliche Haftung des Verkäufers im Vordergrund. Im Rahmen der deliktischen Haftung des Herstellers können aber auch die anderen Unternehmen (z .B. Zulieferer), die an der Wertschöpfung beteiligt waren, in Haftung genommen werden.

Gewährleistung
Beim Thema Gewährleistung im Rahmen des Kaufvertrages bestehen grundsätzlich keine Besonderheiten. Im Kern hat der Käufer den verschuldensunabhängigen Anspruch auf Nacherfüllung (§ 437 I BGB). Sofern der Käufer Schadenersatz verlangt, setzt dies allerdings eine schuldhafte Pflichtverletzung des Verkäufers voraus. Insofern stellt sich die Frage, ob ein schuldhaftes Handeln des Verkäufers vorliegt, wenn der Mangel auf einen Fehler in der Produktion zurückzuführen ist, ohne dass der Verkäufer hieran beteiligt war. Da der Hersteller oder Zulieferer in der Regel nicht als Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB angesehen wird, erfolgt hier keine Zurechnung des Verschuldens.

Produkthaftung
Bislang ist die Herstellerhaftung im Produkthaftungsgesetz und der Generalklausel des § 823 I BGB geregelt, die inhaltliche Unterschiede aufweisen. Um auf die Herausforderungen der Digitalisierung zu reagieren, wird die EU-Produkthaftungsrichtlinie aktuell überprüft. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Grenzen zwischen Produkten und Dienstleistungen immer stärker verschwimmen, wird bezüglich des Produktbegriffs die Notwendigkeit einer Klarstellung bezüglich Software gesehen. Auch beim Herstellerbegriff sieht man Handlungsbedarf, da Produkte immer komplexer, häufig nachträglich verändert werden und auch durch weitere Funktionen ergänzt werden. Hierdurch werde es Nutzern erschwert, den Produktfehler und die Kausalität nachzuweisen. Es ist durchaus zu erwarten, dass es zu einer Verschärfung der Herstellerhaftung kommt.

Standpunkt:
Nichts ist ohne Risiko. Zwar ist die Diskussion zur Frage, wer für Schäden haften soll, die durch automatisierte oder autonome Systeme verursacht werden, verständlich. Bei den Überlegungen zu notwendigen Änderungen sollte aber zum einen die Schaffung einer Vielzahl von Einzelregelungen für die verschiedenen Systeme vermieden werden. Zum anderen dürfen veränderte Haftungsregelungen Innovationen nicht behindern und der „Vollkaskomentalität“ weiter Vorschub leisten.

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