Frage des Monats

Ist Reisezeit mit der Bahn Arbeitszeit?

Ich bin Inhaber eines Dienstleistungsunternehmens mit 30 Beschäftigten. Im Auftrag unserer Kunden überführen wir Fahrzeuge (PKWs und LKWs). Dazu reisen die Beschäftigten mit der Bahn zum Abholort und übernehmen dort das Fahrzeug, mit dem sie zum Zielort fahren. Von dort aus fahren sie wiederum mit der Bahn zurück nach Hause.

Ein Bekannter hat mich nun darauf hingewiesen, dass hierdurch möglicherweise die Höchstarbeitszeiten überschritten werden und mir Sanktionen des Amts für Arbeitsschutz drohen. Bislang war ich der Auffassung, dass die Beschäftigten während der Bahnfahrt in der Gestaltung ihrer Zeit völlig frei seien und ihnen nur ein „Freizeitopfer“ abverlangt werde. Ich habe diese Zeiten nicht als Arbeitszeit angesehen. Könnte das wirklich ein Problem sein?
Antwort: Ja
Mit einem vergleichbaren Sachverhalt hat sich das Verwaltungsgericht Lüneburg (Az.: 3 A 146/22) in seinem Urteil vom 02.05.2023 befasst.
Nach Auffassung des VG Lüneburg ist die An- und Abreise mit der Bahn in solchen Fällen maßgeblicher Inhalt der Tätigkeit des Arbeitnehmers.
Bestehe die Tätigkeit eines Arbeitnehmers darin, Neufahrzeuge auf der eigenen Achse von wechselnden Abholorten zu wechselnden Zielorten zu überführen, sei die Bahnreisezeit vom Wohnort zum Übernahmeort und vom Zielort zurück zum Wohnort Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.
Dabei sei allein maßgebend, ob der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung stehe und seine Tätigkeit ausübe oder Aufgaben wahrnehme. Einerseits sei die teils mehrstündige An- und Abreisezeit mit der Bahn Teil der Leistungserbringung, andererseits beschränke sie den Arbeitnehmer in seiner Freiheit, über die Zeit selbst zu bestimmen. Die Reisedauer hänge nämlich allein davon ab, an welchen Ort das Fahrzeug überführt werden solle.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Es bleibt daher abzuwarten, ob die nächste Instanz der Auffassung des VG Lüneburg folgt.
LahnDill Wirtschaft November/Dezember 2023