Furnier- und Holzwerk Mittenaar

In Bicken werden dicke Bretter gebohrt

Im Furnier- und Holzwerk Mittenaar läuft es nach einer vierjährigen Insolvenzphase seit 2018 wieder rund. In diesem Jahr besonders – mit mehr Mitarbeitern, einem neuen Kessel und einem neuen Endkundengeschäft.
Die zwei alten Wohnhäuschen direkt an der Hauptstraße des Mittenaarer Ortsteils Bicken Richtung Offenbach fallen ins Auge. An einem hängen noch Gardinen.
„Hier wohnt unser Kesselwärter“, erzählt Julien Dietermann, Elektrotechnik-Ingenieur und Vertriebsleiter vom Furnier- und Holzwerk Mittenaar. Der Kesselwärter betreue den Kessel in der Nacht, „er dürfe schließlich nicht ausgehen, ein Furnierwerk benötigt Wärme für den Trocknungsprozess“, erklärt Dietermann. Allerdings sind das Kesselhaus und das alte Lohnbüro mit die letzten Zeugen einer bewegten Vergangenheit auf dem neun Hektar großen Gelände des Unternehmens. Denn der Standort Bicken wird derzeit modernisiert – und zwar nachhaltig und in großem Stil.
„Unter anderem bauen wir grade ein neues Kesselhaus“, erzählt Dietermann weiter, „ein Biomasseheizkraftwerk mit einer Nennwärmeleistung von acht Megawatt.“ Die neue Anlage erfülle neben den neuesten Energieeffizienzanforderungen auch die aktuellsten Anforderungen der Luftreinhaltung nach Immissionsschutzgesetz. Dafür komme eine aufwändige Abgasreinigungstechnik zum Einsatz. Das Unternehmen fühlt sich dem Umweltgedanken klar verpflichtet. „Für die Wärmebereitstellung bei der Verarbeitung von jährlich rund 18.000 Festmetern Schälholz und 10.000 Festmetern Brennholz kommen als Brennstoff mit naturbelassenem Altholz und Resthölzern aus der Furnierproduktion ausschließlich Biobrennstoffe zum Einsatz“, erklärt Dietermann weiter. „Wir verzichten auch künftig auf den Einsatz fossiler Energieträger für die Wärmeerzeugung und sind davon überzeugt, durch den Einsatz bioenergetischer Brennstoffe das Erreichen von lokalen und nationalen klimapolitischen Zielen nachhaltig zu unterstützen“, heißt es auch in einer Presseerklärung der Weimer-Gruppe aus Lahnau. Angefangen bei dem Einsatz regionaler Buchenhölzer für die Produktion bis hin zum Einsatz der regional beschaffenen Biobrennstoffe für den Anlagenbetrieb könne man im Sinne des Modells „aus der Region für die Region“ einen starken Beitrag leisten.
Das neue Kraftwerk wird also die alte Dampfkesselanlage aus den 60er Jahren ersetzen. Der Kesselwärter gehe dann in seinen wohlverdienten Ruhestand, das Kesselhaus werde abgerissen, so Dietermann. Apropos 60er Jahre: Seit dieser Zeit gibt es das Furnier- und Holzwerk Mittenaar bereits, und es kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Seit den 60er Jahren wird hier Furnierholz für den Transformatorenbereich produziert, eine kleinere Menge des Furniers geht in den Möbelbau, die Holzreste werden zu Brennholz verarbeitet. „Mein Vater hat bis 2011 hier gearbeitet, er war Betriebsleiter und Teilhaber des Unternehmens“, erzählt Julien Dietermann. Drei Jahre nach dem Weggang des Vaters – 2014 – ging das Unternehmen in die Insolvenz. 2016 kehrte sein Vater als Operativer Geschäftsführer zurück und brachte den Betrieb wieder auf die Beine. 2018 wurde das Furnierwerk durch den Eintritt der Investoren der Weimer-Gruppe aus Lahnau und der Ludwig-Kreiling-Gruppe aus Gießen übernommen und in die Weimer-Gruppe integriert. Julien Dietermann stieg an der Seite seines Vaters ins Unternehmen mit ein.
„Baufällige, altlastenträchtige Gebäude haben wir in den vergangenen zweieinhalb Jahren konsequent zurückgebaut und eine räumliche Entwicklungsmöglichkeit für die Furnier- und Brennholzproduktion geschaffen“, so Dietermann weiter. Benachbarte Grundstücke des ehemaligen Valentin-Geländes wurden gekauft, die Produktionsflächen erweitert. Das war nötig, denn zum Jahresbeginn 2020 hat das Unternehmen unter anderem seinen Brennholzgroßkunden aus Gießen übernommen und mit ihm 10.000 bis 12.000 Endkunden, für die das Brennholz aufgearbeitet und ofenfertig ausgeliefert wird. Die Beschäftigtenzahl wurde zuletzt um zehn Prozent auf 50 Mitarbeiter angehoben. „Von der Corona-Krise haben wir in unserem Geschäft glücklicherweise nichts gemerkt“, so Dietermann. Brennholz werde immer gebraucht, Möbel auch, und das Transformatorengeschäft laufe ebenfalls weiter.
Für die Zukunft sieht Julien Dietermann den Standort gut aufgestellt – auch klimapolitisch: „Wir können uns den Aufbau einer Nahwärmversorgung über unsere Betriebsgrenzen am Standort Bicken hinaus durchaus vorstellen.“
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