Ohne Wirtschaft kein Klimaschutz

Eine Fabrik der Zukunft

Die Blechwarenfabrik in Limburg produziert mit hohen Industrie-4.0- und Nachhaltigkeitsstandards
Kreislaufwirtschaft, energetische Optimierung, Industrie 4.0 – die Blechwarenfabrik in Limburg ist in die Zukunft gestartet. Für seine Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz hat das Limburger Unternehmen, das kommendes Jahr 150 Jahre alt wird, 2020 den Deutschen Umweltpreis erhalten. Seit diesem Jahr ist die Blechwarenfabrik auch Mitglied in der Umweltallianz Hessen. Die IHK Lahn-Dill, die die Federführung für die Allianz innehat, hat die Blechwarenfabrik an ihrem neuen Standort im Limburger Gewerbegebiet Offheim besucht und gesehen, was das Unternehmen anders macht.
Durch die Gänge fahren fahrerlose Transportfahrzeuge, sogenannte FTF. Sie bestücken die Produktionslinien mit Material und transportieren die fertigen Dosen, Kanister und Eimer palettenweise zum Warenausgang, wo sie eingelagert werden. Das Palettieren übernehmen Roboter. Schon beim ersten Blick in die 22.000 Quadratmeter große Produktionshalle wird klar: Im neuen Gebäude der Blechwarenfab
rik Limburg ist Digitalisierung auf höchstem Niveau eingezogen. Verantwortlich für diesen hohen Grad der Digitalisierung ist das gesamte Team der Blechwarenfabrik. Hauptgeschäftsführer Hugo S. Trappmann (38), ausgebildeter Ingenieur und – wie er selbst sagt – technisch getrieben: „Mit geht das Herz auf, wenn Maschinen automatisch agieren wie ein großes Ballett.“
Doch nicht nur die Digitalisierung hat in der neuen Werkshalle Einzug gehalten – die Blechwarenfabrik ist gleichzeitig in nachhaltige Zeiten aufgebrochen: So fertigen die rund 350 Mitarbeiter am neuen Stammsitz des Unternehmens Dosen und andere Metallverpackungen ökologisch beispielhaft. Nachhaltigkeit – das ist das Hauptthema von Annika Trappmann, die genau mit diesem Schwerpunkt Betriebswirtschaft an der Alanus-Hochschule in Bonn studiert hat und seit 2014 an diesen Themen in der Blechwarenfabrik mitarbeitet.
„Der alte Standort lag mitten in einem Wohngebiet, die Produktion erstreckte sich auf vier Etagen“, erzählt die 29-Jährige. „Wir mussten uns verändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Denn: „Wir haben damals schon gesehen, dass die Energiepreise kontinuierlich steigen.“ Damals – das war 2015, als die Geschwister die Geschäftsführung von ihrem Vater Hugo Trappmann übernahmen. Insgesamt hat die Blechwarenfabrik vier Geschäftsführer, das Unternehmen gehört der Familie Hempel (s. Kasten), Hugo Trappmann hält 20 Prozent. „Unser Vater war auch der Impulsgeber für die Neuausrichtung.“
Der Zeitpunkt für den Umzug, der bis Anfang dieses Jahres dauerte, sei günstig gewesen, erzählen die Geschwister weiter. „Wir hatten und haben eine tatkräftige Belegschaft, wir sahen günstige Finanzierungsmöglichkeiten und enorme Chancen der technologischen Entwicklung, um Ressourcen einzusparen.“ Nicht zuletzt wegen des Nachhaltigkeitsansatzes: So erfüllt die neue Produktionshalle die Kriterien des Effizienzhauses 55. Das bedeutet, der Energieverbrauch des Gebäudes beträgt nicht mehr als 55 Prozent eines herkömmlichen Referenzgebäudes. Erreicht wird die hohe Energieeinsparung durch speziell gedämmte Wände und Fenster, die UV-Licht filtern.
Doc h das allein macht den Nachhaltigkeitsansatz der Blechwarenfabrik nicht aus: „Es ist das große Ganze, die Fülle an Maßnahmen“, so Annika Trappmann. „Wir heizen mit Prozesswärme und mussten deshalb weder Heizungen noch Klimaanlagen einbauen.“ Konkret: Mit der Abwärme aus der Lackiermaschine wird die Halle in kalten Monaten geheizt. Eine Kälteabsorptionsmaschine verwandelt warmes Wasser in kaltes, mit dem dann Maschinen und Büros im Sommer gekühlt werden. Durch alle diese Maßnahmen zusammen stößt das Unternehmen im Jahr nun 2600 Tonnen Kohlenstoffdioxyd weniger aus als zuvor.
„Doch unser eigentliches Thema ist die Kreislaufwirtschaft“, erklärt Hugo S. Trappmann: Die Blechwarenfabrik arbeitet mit Weißblech, dass den besten Receyclingwert aller Materialien hat. 25.000 Tonnen des Materials werden in Limburg-Offheim jährlich verarbeitet.
Annika und Hugo S. Trappmann schätzen, dass sie den Return on Investment von 35 Millionen Euro in sechs bis sieben Jahren erreicht haben. Dann soll die Blechwarenfabrik „Speck anfressen“, um neue Nachhaltigkeitsprojekte angehen zu können. Neue Ideen sind bei den Geschwistern schon in der Pipeline
1872 wurde die Blechwarenfabrik vom Spengler Joseph Heppel in Limburg gegründet und stellt seitdem hauptsächlich Blechkanister, -dosen, -flaschen und –eimer her. 1898 baute Heppel das erste Fabrikgebäude in der Limburger Innenstadt. 1904 verkaufte er die Firma an Friedrich Obenauer, Albert Obenauer und Carl Deidesheimer, die heutige Familie Hempel. Die Firma hieß fortan Blechwarenfabrik Limburg GmbH. In den folgenden Jahren wurde der Bau ständig erweitert.
2004 wird mit Familie Trappmann nach langer Zeit wieder ein Geschäftsführer gleichzeitig auch Gesellschafter. Hugo Trappmann hält 20 Prozent der Anteile an dem Unternehmen, das zu 80 Prozent weiterhin im Besitz der Familie Hempel ist. 2007 geht die Blechwarenfabrik mit weiteren Herstellern von Weißblechverpackungen für chemisch-technische Füllgüter Kooperationen ein und gründet das europaübergreifende Netzwerk I.C.E.
2015 gibt Hugo Trappmann die Geschäftsführung an seinen Sohn, Hugo S. Trappmann ab, Tochter Annika folgt 2020 in die Geschäftsführung. Parallel zum Generationswechsel planen die Trappmanns mit Familie Hempel ein neues Fabrikgebäude am Stadtrand von Limburg. Im Jahr 2016 beginnt der Bau – mit hohen Industrie-4.0- sowie Nachhaltigkeitsstandards. 2020 wurde die Blechwarenfabrik Limburg mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.
Die Blechwarenfabrik setzt rund 60 Millionen Euro im Jahr um und hat Tochterfirmen in Dänemark, Polen und Russland.