Hessen-Champion

"Lasst uns Altplastik nehmen!"

Damit hatte Jonathan Pracht nicht gerechnet – mit einer Leuchte aus receyceltem Kunststoff wurden er und sein Team vom Unternehmen Pracht Lichttechnik als „Hessen-Champion“ in der Kategorie Innovation ausgezeichnet. „Wir haben uns zwar um den Innovations- und Wachstumspreis des Landes Hessen beworben, aber eigentlich nicht im Traum damit gerechnet, zu gewinnen“, erzählt Pracht, der erst im vergangenen Jahr die komplette Geschäftsführung des Familienunternehmens aus Dautphetal-Buchenau von seinem Vater, Friedhelm Pracht, übernommen hat. Umso größer die Freude bei der gesamten Mannschaft: „Auf der Online-Preisverleihung waren fast 40 Mitarbeiter eingeloggt“, so Pracht weiter. „Das war ein positives Erlebnis in schwierigen Zeiten, ich war richtig gerührt.“ 
„Katla Remade“ heißt die ausgezeichnete Leuchte, die ausschließlich aus Altplastik besteht. So sind einige Bauteile der Lampe aus Industriemüll, andere stammen aus privaten Abfallprodukten aus dem Gelben Sack, wie beispielsweise Joghurtbecher. Die Idee, aus Müll neue Produkte zu entwickeln, kommt bei Pracht nicht von ungefähr. „In unserer Familie wurde die Naturverbundenheit schon immer großgeschrieben“, erzählt Jonathan Pracht. Und: „Mir tut es einfach weh, Müll zu sehen. Das sind alles Rohstoffe, die wir nutzen können.“
Das Thema Nachhaltigkeit in die Kreislaufwirtschaft zu integrieren und bei der Produktion auf Alternativen zu fossilen Energieträgern zu setzen, ist Familie Pracht schon lange ein Anliegen: 2006 habe sein Vater bereits als einer der ersten in der Branche eine Leuchte aus Biopolimeren, also nachwachsenden Rohstoffen, gefertigt. Problem damals: „Die Leuchte war noch zu teuer“, so Pracht. „Dann habe ich gesagt, lasst uns Altplastik nehmen!“ Gesagt, getan, Pracht bereitete den Rohstoff „Plastikmüll“ auf – und entwickelte ein Granulat für hohe Ansprüche – zu finden in der jetzt ausgezeichneten Feuchtraumleuchte „Katla Remade“.
Die Jury war begeistert und begründete die Auszeichnung des mittelständischen Familienbetriebes in vierter Generation mit folgenden Worten: „Der Industriehersteller verzichtet auf Primär-Rohstoffe und stellt Leuchten mit hoher Schutzart für besondere Anwendungsgebiete aus 100 Prozent receyceltem Kunststoff her.“   
Doch mit der Receycling-Leuchte allein ist es für Jonathan Pracht nicht getan. Kreislaufwirtschaft bedeutet für ihn auch, jede Leuchte am Ende ihrer Leistungskraft über den Handel wieder zurückzubekommen – wie in einer Art Pfandsystem: „Das ist für mich die Ökonomisierung von Verantwortung.“
Das Unternehmen arbeitet bei der Entwicklung neuer, nachhaltiger Produkte eng mit Universitäten zusammen und unterhält dafür ein eigenes Forschungsinstitut für innovative Lichttechnik, das PIT (Pracht Institute of Technology). Hier treffen sich Studierende aus der ganzen Welt, um neue Technologien und Materialien für Pracht und auch für externe Auftraggeber zu entwickeln.
Derzeit arbeitet Pracht am Thema Elektromobilität: So stellt das Unternehmen seinen Fuhrpark systematisch auf eine Elektroflotte um und produziert Ladesäulen, mit denen die Bürger zuhause ihre E-Autos aufladen können.
Die erste Pracht-Leuchte wurde 1953 im Erdgeschoss des Wohnhauses von Firmengründer Alfred Pracht produziert. Nach sieben Jahren wurde der Keller zu klein, so dass im Jahre 1960 das Elektrogeschäft mit Leuchtenproduktion in Buchenau gebaut wurde. Heute arbeiten 160 Mitarbeiter an drei Standorten bei dem – inzwischen in der dritten Generation geführten – Familienunternehmen mit weltweiten Partnerfirmen.