Schritt 2

Kundenanalyse

Einführung

Man kann es nicht allen recht machen. Dies gilt auch für Unternehmen im Verhältnis zu ihren Kunden. Kunden, egal ob als Geschäfts- oder Privatkunden, haben unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich Qualität, Service und Preis. Der Unternehmer muss also überlegen wem er was anbieten möchte. Beabsichtigt er alle denkbaren Kunden ansprechen zu wollen, wird er sich relativ schnell verzetteln und eine durchschnittliche Leistung anbieten, die nahezu niemanden zufrieden stellen wird. Eine Konzentration auf bestimmte Kundengruppen kann hier Abhilfe schaffen.
Kunden mit gemeinsamen Merkmalen, z. B. gleichen Qualitätsansprüchen können somit gezielter angesprochen werden, die Leistungen des Unternehmens im Hinblick auf die Erwartungen der Kunden ausgerichtet werden. In der Folge steigt die Zufriedenheit der Kunden, die die Basis für die Kundenbindung darstellt. Über die Analyse bestehender Kunden wird deutlich, ob die momentanen Kunden zur Zielgruppe des Unternehmens gehören, bzw. welche potentiellen Kundengruppen zukünftig angesprochen werden können. Ob die identifizierten bestehenden bzw. potentiellen Kundengruppen für das Unternehmen wirklich "lohnend" sind, kann über eine Bestimmung des Kundenwerts ermittelt werden.

1. Ausgewählte Methoden der Kundenanalyse

Im Rahmen der Kundenanalyse sind verschiedene Methoden bekannt. Exemplarisch sollen hier häufig angewendete Instrumente kurz vorgestellt werden. Die Kundensegmentierung als Grundlage für die gezeigte Kundenwertanalyse und Ansätze zur Messung der Kundenzufriedenheit.

1 a. Kundensegmentierung

Im Rahmen der Kundensegmentierung werden die Kunden in Gruppen aufgeteilt. Die Kunden einer Gruppe sollten möglichst ähnliche Wünsche und Bedürfnisse haben und sich in ihrem Kaufverhalten ähneln. Grundsätzlich lassen sich die Gruppen in der Konsumgüterbranche und dem Markt für Investitionsgüter nach unterschiedlichen Kriterien aufteilen.
Kundensegmentierung am Beispiel Buchhandel
Eine Buchhandlung hat ihren Standort in Volksdorf. Das Unternehmen weist das übliche Vollsortiment aus und kann sich mit ihrem ergänzenden Service und Hauslieferungen gut am Markt behaupten.
Die Inhaberin beobachtet immer wieder, dass ihre klassische Kundin zwischen 30 und 60 Jahre alt ist und fast immer akademisch vorgebildet ist. Die Kundin ist häufig Mutter und übt eine Teilzeitbeschäftigung aus. Also wurde das Angebot entsprechend ausgerichtet. Neben anspruchsvoller Belletristik und einem großen Kontingent an Kinder- und Jugendbüchern wurden schöne Postkarten und Accessoires verkauft. In letzter Zeit jedoch wurden auffällig oft Sachbücher, insbesondere Kochbücher nachgefragt.
Die Buchhandlung hat den ersten Schritt für eine Kundensegmentierung bereits getan. Die bestehende Hauptkundengruppe ist allerdings nur durch ausgewählte soziographische Kundenmerkmale (Geschlecht, Alter, Tätigkeit) beschrieben. Für ein besseres Kundenverständnis sollten weitere Informationen aus den persönlichen Verkaufsgesprächen gezogen werden. Nur über zusätzliche Informationen können u. a. die Werbemaßnahmen und die Sortimentsgestaltung gezielter ausgerichtet werden. Wenn Frau Kruess das Einzugsgebiet kennt, kann sie ihre Werbeaktivitäten auf diese Regionen konzentrieren und teure Streuverluste vermeiden. Zusätzliche Erkenntnisse hinsichtlich der Nutzung z. B. des Internets könnten einen ersten Hinweis in Richtung zusätzlicher Kommunikationswege mit den Kunden oder eines weiteren Vertriebskanals geben. Informationen über die Motive und Einstellungen der Käuferin könnten für die weitere Ausrichtung des Sortimentes auf die Bedürfnisse der Kundinnen von Bedeutung sein.

1 b. Kundenbewertung

Nur durch Bewertung der vorhandenen oder auch potentiellen Kundengruppen wird deutlich, ob und in welchem Maße die identifizierten Kundengruppen zum nachhaltigen Unternehmenserfolg beitragen. Eine Konzentration auf die als besonders attraktiv eingeschätzten Gruppen ist anzustreben. Somit sind die aktuelle und vor allem die zukünftige Attraktivität der Kundengruppen zu bestimmen. Hierzu stehen grundsätzlich verschiedene Verfahren zur Verfügung, von denen die Customer Lifetime Value näher betrachtet werden soll.
Customer Lifetime Value am Beispiel Spedition und Lagerei
Eine Spedition ist seit 10 Jahren auf der Elbinsel aktiv. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen aus Osteuropa ist bisher ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit. Dem Geschäftsführer sind nunmehr einige Angebote aus arabischen Ländern unterbreitet worden. Da die Zusammenarbeit mit einigen osteuropäischen Lieferanten zwar gut ist, jedoch manchmal Unregelmäßigkeiten auftauchen, ist zu prüfen, in wie weit das neue Angebot attraktiv ist.
Die Spedition möchte die Attraktivität der neuen Kundengruppe mittels des Customer Lifetime Value (CLV) einschätzen. Das Konzept basiert auf den Ideen der Investitionsrechnung. Es werden den anfänglichen Kosten für die Erschließung der neuen Kundengruppe die zukünftig erwarteten Erfolge aus den Geschäftstätigkeiten mit diesen Kunden abgezinst gegenübergestellt. Für die Bestimmung des CLV muss die Trualsen GmbH also eine Einschätzung hinsichtlich der Aquisitionskosten haben. In diesem Beispiel wäre hier an Reisekosten, evtl. zusätzliche Mitarbeiterkosten, Messeauftritte o. ä. zu denken. Angenommen man rechnet mit gesamten Aquisitionskosten im ersten Jahr in Höhe von 1,5 Mio. €. In einem ersten vereinfachten Ansatz sind die mit den neuen Kunden zu erzielenden Zahlungsüberschüsse abzüglich der weiterhin notwendigen Marketingmaßnahmen für die voraussichtliche Dauer der Geschäftsbeziehung zu prognostizieren. Folgende Zahlungsüberschüsse (vereinfacht = Deckungsbeiträge) werden für die nächsten 10 Jahre prognostiziert (vgl. Tab. 1).
Jahr
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
ZÜ in T€
100
120
120
140
140
160
160
180
200
200
Tabelle 1
Der CLV wird als Kapitalwert der Zahlungsreihe bestimmt.
Mit: AK = Aquisitionskosten; n = Planungshorizont; t = Laufzeitindex; i = Kalkulationszinssatz (8 %)
CLV = 173 T€
Dies bedeutet, dass die zukünftig erwarteten Erfolge aus den Geschäften mit den neuen Kunden einen Mehrwert von ca. 173 T€ für die Spedition erwarten lassen und es sich somit um eine sehr attraktive neue Kundengruppe handelt. Bei dieser Sichtweise ist bislang nicht betrachtet worden, dass diese Kundengruppe voraussichtlich auch über den hier angenommen Planungshorizont von 10 Jahren noch für weiteren Umsatz für die Spedition sorgen wird.

1 c. Kundenzufriedenheit

Eine hohe Kundenzufriedenheit ist die Basis der Kundenbindung. Zufriedene Kunden kaufen wiederholt und geben Weiterempfehlungen. Das bedeutet für jeden Unternehmer, dass die Zufriedenheit der Kunden beobachtet werden sollte. "If you can’t measure it, you can’t manage it" beschreibt auch hier die Situation sehr treffend. Zur Messung der Kundenzufriedenheit stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Natürlich kann durch eine Befragung der Kunden die Zufriedenheit mit dem Leistungsangebot des Unternehmens ermittelt werden. Wobei Befragungen je nach Umfang zeitaufwendig und entsprechend kostspielig sind. Einfache erste Indikatoren, die auf eine entsprechende Kunden(un)zufriedenheit hinweisen sind z. B.:
  • Umsatzanteil mit Bestandskunden,
  • Durchschnittliche Dauer der Kundenbeziehung,
  • Reklamationsrate,
  • Anteil von Neukunden, die auf Weiterempfehlungen basieren.
Messung der Kundenzufriedenheit am Bespiel Medizintechnik
Ein Medizintechnikunternehmen bearbeitet Ultraschallgeräte und Röntgenapparate so, dass sie den individuellen Anforderungen verschiedener Arztpraxen entsprechen. Insbesondere ist es für die Kunden wichtig auch nach dem Kauf bei Problemen schnell eine zufriedenstellende Lösung zu erhalten.
Für dieses Beispielunternehmen ist es offensichtlich von besonderer Bedeutung über eine hohe Zufriedenheit beim After-Sale-Service eine hohe Kundenloyalität bzw. -bindung zu erreichen. Eine Rückfrage beim Kunden kurz nach dem Service wird schnell einen Eindruck hinsichtlich der Zufriedenheit ermöglichen.

2. Erste Schritte einer Kundenanalyse umfassen somit:

  1. Identifizierung bestehender und potentieller Kundengruppen als Basis für eine sinnvolle, zielgerichtete Bearbeitung eines Marktes.
  2. Da nur "lohnende" Kundengruppen langfristig zum Unternehmenserfolg beitragen, ist der Nutzen der Kunden bzw. Kundengruppen zu bestimmen.
  3. "Lohnende" Kundengruppen müssen gepflegt werden, d. h. ihre Zufriedenheit ist zu beobachten.
Professor Dr. Torsten Keller. Für die Kooperation bei der Erstellung dieses Merkblatts bedanken wir uns herzlich bei der HSBA - Hamburg School of Business Administration.