Pressemeldung, 11. März 2025
Ein Jahr Windrad-Schuldenuhr
Es ist die vielleicht wichtigste Frage, die sich die Industrie in diesen Tagen stellt: Wo kommt unsere Energie ab 2030 her? Denn laut Gesetz sollen im Jahr 2030 die Braunkohlekraftwerke in NRW vom Netz gehen – und damit acht Jahre früher als ursprünglich geplant.
Seit dem 11. März 2024, also seit genau einem Jahr, dokumentiert die IHK Köln den Ausbau der Windkraft in NRW. Die Windrad-Schuldenuhr über dem Haupteingang der Kammer zeigt, dass der Ausbau dem Soll hinterherhinkt und die Versorgungssicherheit in NRW ab 2030 gefährdet ist.
Die Kritik der IHK Köln am vorgezogenen Kohleausstieg 2030: kein Ausstieg ohne Einstieg! Das heißt: Es gab und gibt keine Strategie und keinen realistischen Zeitplan für den Ausbau der Erneuerbaren und damit keine Energiesicherheit für die energieintensive Industrie.
Die Uhr tickt zu langsam, die Versorgungssicherheit für die Industrie ist gefährdet.
Was zwei wissenschaftliche Studien prognostiziert haben, wird nun auch in der Praxis deutlich: Es fehlt an allen Ecken und Enden. Es gibt zu wenig Windräder, zu wenig Photovoltaik-Anlagen und noch gar keine neuen Gaskraftwerke, die die Grundlast in Dunkelflauten absichern müssen.
Ein Jahr Windrad-Schuldenuhr – das ist in der Zwischenzeit passiert:
- Die NRW-Landesregierung hatte sich zum Ziel gesetzt, im Schnitt 200 neue Windkraftanlagen pro Jahr zu bauen – hat aber im letzten Jahr nur rund die Hälfte davon geschafft.
- Für das Jahr 2024 gilt: Zwar wurden 165 neue, größere Anlagen gebaut, gleichzeitig aber auch 123 kleinere Anlagen stillgelegt. Rechnet man die Leistungsunterschiede gegeneinander auf, gibt es seit Verkündung des Ausstiegs einen Netto-Zuwachs von 104 der benötigten Anlagen.
- Zwar ist die Zahl der Genehmigungen stark gestiegen (2024: 732), was aber zählt, sind die Anlagen in Betrieb. Von den 2024 genehmigten Anlagen ist nur eine in Betrieb gegangen, von den 2023 genehmigten Anlagen sind es nur 42.
Das heißt: Die Schuldenuhr tickt zwar runter – doch das Tempo ist zu langsam, um die drohende Energielücke zu füllen. Im Jahr 2023, als der vorzeitige Kohle-Ausstieg 2030 beschlossen wurde, fehlten noch 1.500 Windräder. Am 11. März 2024 zum Start der Schuldenuhr waren es 1.413 Windräder. Stand heute fehlen noch 1.283 – die Lücke wurde also in einem Jahr um 130 Windräder kleiner.
Für eine gelungene Energiewende in NRW sind außer den 1.500 großen Windkraftanlagen auch Freiflächen-Photovoltaikanlagen in der Größenordnung von 15.000 Fußballfeldern und acht große Gaskraftwerke nötig. Für die grundlastfähigen Kraftwerke, die einspringen müssen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, gibt es jedoch nicht einmal Genehmigungsanträge.
Im Sondierungspapier von CDU und SPD, das erste Schlüsse auf die Energiepolitik der kommenden Bundesregierung zulässt, heißt es dazu, dass mit dem „Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030“ das Energieangebot erhöht werden soll. Die Leistung von 20 GW entspricht etwa 20 bis 40 Gaskraftwerken, je nach Leistungsstärke.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein: „Noch ist Deutschland Industrieland. Das heißt, dass man bei der Energieversorgung nicht nur auf Sonne und Wind setzen kann. Es ist aber leider völlig unrealistisch, in weniger als fünf Jahren eine so große Anzahl neuer Gaskraftwerke zu bauen.”
IHK-Präsidentin Dr. Nicole Grünewald und IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein vor der Windrad-Schuldenuhr am Eingang der IHK Köln
© IHK Köln
IHK-Präsidentin Dr. Nicole Grünewald dazu: „Unsere Unternehmen bekennen sich zum Ziel der Klimaneutralität. Wir würden uns auch deshalb wünschen, dass die Schuldenuhr schneller nach unten zählt und die Gaskraftwerke beantragt und gebaut werden. Doch das sieht nicht so aus. Unsere Unternehmen brauchen aber jetzt Sicherheit, sonst investieren sie nicht mehr hier am Standort. Und das heißt: Ausstieg aus dem Kohleausstieg 2030 jetzt!“
Doch NRW-Landesregierung und Bundesregierung wollen den Ausstiegstermin erst 2026 überprüfen lassen. Das stößt in der IHK Köln auf Unverständnis.
Dr. Nicole Grünewald: „90 Prozent unserer Unternehmen haben ein Vertrauensproblem mit der Politik. Das ist so viel wie nie zuvor. Deshalb brauchen wir jetzt Versorgungssicherheit und Klarheit, und nicht erst nächstes Jahr!”