Der große Weihnachts-Stau
Wer an einem Adventssamstag mit dem Auto in die Kölner Innenstadt will, sieht Rot! Und zwar das Rot der Rücklichter des Autos vor einem. Denn ein Blick auf unsere Karte zeigt: In Köln bewegt sich an einem typischen Samstag in der Vorweihnachtszeit auf den Straßen nicht viel. Und es wird immer schlimmer. Unser Team war am Samstag vor dem ersten Advent in der Stadt unterwegs. Zum Glück zu Fuß.
Advent, Advent, das Bremslicht brennt. So lässt sich die vorweihnachtliche Verkehrssituation in Köln am besten zusammenfassen. Von Besinnung und Ruhe keine Spur, stattdessen überall Stau und überfüllte Straßen. Dabei wollen gerade jetzt viele Menschen nach Köln, um hier auf einen der Weihnachtsmärkte zu gehen oder Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Darüber freuen sich die lokalen Einzelhändler und Gastronomen – eigentlich. Denn die Gäste können schließlich nur dann Geld in der Stadt ausgeben, wenn sie auch in die Stadt kommen.
Verkehrsdatenanalyse zeigt: Komplett Köln ist ein Stau
Wie schwierig das aber ist, zeigt diese Karte, für die die IHK Köln an den Adventssamstagen 2019 bis 2024 die Fließgeschwindigkeit auf den Straßen analysiert hat.
Deutlichste Erkenntnis: Hier fließt rein gar nichts. Nahezu alle Straßen sind rot eingefärbt, was bedeutet, dass die Autos sich hier stauen. Sehr wenige Straßen sind gelb, hier ist der Verkehr mit 30 bis 45 Stundenkilometern unterwegs. Und noch weniger Routen sind grün, also mit Tempo 45 bis 60 befahrbar.
Am liebsten würden wir wieder nach Hause fahren!
„Am liebsten würden wir wieder nach Hause fahren, weil der Weg hier hin schon stressig genug war”, sagt uns eine entnervte Autofahrerin, die es nach über einer halben Stunde im Stau endlich geschafft hat, eines der Parkhäuser am Dom zu erreichen. Eine andere meint: „Wir stehen schon eine halbe Stunde hier nur auf der Straße. Wir hätten lieber mit dem Zug fahren sollen.”
Das Weihnachtsgeschäft ist die wichtigste Zeit.
Verstopfte Straßen sind ein sehr schlechtes Aushängeschild für die Stadt. Da überlegt man sich doch lieber zweimal, ob man nicht lieber zum Shoppen in eine andere Stadt fahren soll.
Das sieht auch IHK-Hauptgeschäftsführer Uwe Vetterlein so: „Das Weihnachtsgeschäft ist die wichtigste Zeit für viele Bereiche im Handel. Da kommt es darauf an, dass die Leute auch von außerhalb gerne nach Köln kommen und nicht mit dem Auto herumstehen oder in überfüllten Bussen und Bahnen warten.“
Herumstehen und warten ist aber leider genau das, was man in der Adventszeit in Köln macht. „Die Wochen vor Weihnachten sind die Spitze des Eisbergs. Da wird noch einmal ganz klar, dass wir hier ein Verkehrssystem haben, was nicht nur auf der Straße, sondern auch auf der Schiene am Limit läuft. Und wenn dann die Adventssamstage anstehen, wird noch einmal herausgearbeitet, wo wir hier die großen Probleme haben“, sagt Roman Suthold, Mobilitätsexperte vom ADAC in unserem Podcast Stimme der Wirtschaft: Adventsverkehr in Köln: Der große Weihnachtsstau.
Seine Analyse: „Die Parkhäuser sind ab 11 morgens voll – die, die dort keinen Parkplatz finden, fahren zusätzlich in der Stadt herum. Wir haben große Probleme mit dem Baustellenmanagement. Die Baustellen sind natürlich notwendig, aber sie sorgen auch für Engpässe. Auch das Verkehrsleitsystem ist noch optimierungsbedürftig. Durch die Mobilitätswende werden auch noch Kapazitäten aus der Straße rausgenommen, was die ganze Situation weiter verschärft.“
Deutzer Brücke für Autos gesperrt
Die Folgen der mangelhaften Verkehrsplanung sind auf der rot eingefärbten Karte deutlich zu erkennen. Eine der wenigen grünen Linien darauf ist die Deutzer Brücke. Die ist allerdings nur deshalb grün, weil hier seit 2023 an den Adventssamstagen von 11 Uhr bis 20 Uhr nur Reisebusse, Taxen, Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste Richtung Innenstadt fahren dürfen. Alle Autos werden von Deutz aus über die Severinsbrücke umgeleitet.
Die Deutzer Brücke wird an Adventssamstagen für Autos gesperrt, damit hier Reisebusse, Taxen, Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste Richtung Innenstadt fahren dürfen.
Eine große Rolle bei dieser verzwickten Situation spielt auch die Komödienstraße in der Innenstadt im Schatten des Doms. Bis 2020 durften in der Komödienstraße Reisebusse halten und Gäste aus- und einsteigen. Das geht seit einiger Zeit nicht mehr, die Busse halten jetzt in der Gereonstraße. Weil die aber dem vorweihnachtlichen Ansturm von bis zu 250 Bussen täglich nicht gewachsen ist, werden seit 2022 alle Busse in der Adventszeit auf den Parkplatz 22 an der Messe in Deutz umgeleitet. Von hier aus fahren dann Shuttlebusse zum Heumarkt.
Parkplatz an der Messe: Hier warten Touristen auf Shuttlebusse zum Heumarkt.
Bus-Touristen sind auf den Shuttle angewiesen
Dieser zusätzliche Shuttlebus-Betrieb führt zum Verkehrskollaps auf der Deutzer Brücke. Die Busse stehen im Stau, die Gäste werden nicht rechtzeitig abgeholt. Ärgerlich, denn: „Die Bus-Touristen sind nun mal auf den Shuttle angewiesen, um wieder zu ihrem eigentlichen Bus an der Messe zurückzufinden. Das gilt besonders für ältere Reisende“, verdeutlicht Markus Klein, Inhaber von Piccolonia Bus-Reisen. Durch die Auslagerung nach Deutz und die Abhängigkeit von den Shuttlebussen hätten die Gäste zudem kaum noch die Möglichkeit, auf eigene Faust auch noch andere Seiten von Köln zu entdecken.
Um die Situation auf der Deutzer Brücke zu entzerren, wird 2023 die Fahrspur Richtung Innenstadt für Autos gesperrt. Folge: Die Busse kommen nun prima durch, aber die umgeleiteten Autofahrer stecken rundherum im Stau und verstopfen vor allem die Severinsbrücke und die Zufahrten zum Heumarkt.
Christopher Köhne, IHK-Referent für Verkehrspolitik, Logistik und Mobilität, hat das Verkehrsaufkommen auf Kölner Straßen zur Weihnachtszeit analysiert.
Gesperrte Trankgasse als weitere Stau-Ursache
Der Kollaps wird durch die gesperrte Trankgasse zusätzlich befeuert. Seit 2022 ist die Straße wegen des laufenden Verkehrsversuchs nur noch durch den Tunnel vom Konrad-Adenauer-Ufer oder über einen Schleichweg durch die Altstadt zu erreichen. Rund um den Dom gibt es aber vier Parkhäuser mit insgesamt 1500 Parklätzen, die durch die Sperrung nur noch mühsam zu erreichen sind.
„Die Autofahrer werden also in zwei Flaschenhälse gezwungen: den Trankgassen-Tunnel und den Schleichweg durch die Altstadt. Auf diese Weise entsteht wieder ein neuer Stau“, erklärt Christopher Köhne, IHK-Referent für Verkehrspolitik, Logistik und Mobilität, das Problem. Das ist besonders ärgerlich für die Gäste, die aus dem Umland nach Köln kommen wollen, laut der Verkehrsdatenanalyse immerhin 52 Prozent aller Fahrerinnen und Fahrer.
Besucher müssen besser verteilt werden
„In Köln werden die Leute nicht gut verteilt, das funktioniert in Aachen viel besser”, weiß Markus Klein. Um den Verkehr zu entzerren, brauche Köln unbedingt ein dezentrales Shuttle-System mit mehreren Anlaufstellen für die Busse. Das sehen auch ADAC-Experte Suthold und IHK-Hauptgeschäftsführer Vetterlein so.
Das Problem: Entsprechende Konzepte liegen der Stadt Köln seit Jahren vor, doch eine Weiterentwicklung gibt es nicht.
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Christopher Köhne
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität