Mobiles Arbeiten im Ausland
Mobile Arbeit ist aus dem Unternehmensalltag nicht mehr wegzudenken. Immer mehr Arbeitnehmende wünschen sich, vorübergehend oder sogar langfristig im Ausland aus dem Homeoffice heraus zu arbeiten. Aus rechtlicher Sicht ergeben sich dabei viele Fragen. Erfahren Sie, worauf Sie als Unternehmen achten müssen!
- 1. Recht auf mobiles Arbeiten im Ausland?
- 2. Unternehmensleitlinien und individuelle Vereinbarungen
- 3. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
- 4. Datenschutz
- 5. Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis
- 6. Melde- und Dokumentationspflichten im Ausland
- 7. Anwendbares Arbeitsrecht
- 8. Sozialversicherungsrecht
- 9. Steuerrecht
1. Recht auf mobiles Arbeiten im Ausland?
Ein Recht auf Homeoffice im Ausland haben Arbeitnehmende nach derzeitigem Stand grundsätzlich nicht. Einen Anspruch gibt es nur bei einer entsprechenden Vereinbarung.
2. Unternehmensleitlinien und individuelle Vereinbarungen
Um für alle Beteiligten weitestmöglich Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, sollten Unternehmen interne Leitlinien zu mobiler Arbeit im Ausland erstellen. Bei Bestehen eines Betriebsrats kann dies durch eine Betriebsvereinbarung erfolgen.
Hierin können beispielsweise folgende Punkte geregelt werden:
- Verfahren für die Beantragung (Fristen etc.)
- berechtigter Personenkreis und zulässige Länder (z. B. EU, EWR, Schweiz)
- maximale Dauer
- technische Anforderungen an den Arbeitsplatz und Datenschutz
- Ausschluss der Vergütung für Wegzeiten bzw. Fahrtkosten zur frei gewählten Arbeitsstelle
- Rückholrecht des Unternehmens / Widerrufsklausel
- gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, evtl. Abschluss von Zusatzversicherungen durch das Unternehmen und/oder die Beschäftigten
Nach dem Nachweisgesetz müssen Arbeitgebende, neben den allgemeinen Informationen, Beschäftigten – die länger als vier Wochen ihre Arbeitsleistung im Ausland erbringen – vor deren Abreise zusätzlich folgende Angaben aushändigen:
- Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet wird
- geplante Dauer der im Ausland auszuübenden Tätigkeit
- Währung, in der das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird
- zusätzliches mit dem Auslandsaufenthalt verbundenes Arbeitsentgelt und zusätzliche Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten
- Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmenden vorgesehen ist, und ggf. die Bedingungen der Rückkehr
- im Fall einer Entsendung ferner die Entlohnung, auf die die Beschäftigten nach dem Recht des Ziellandes Anspruch haben, sowie den Link zu der offiziellen nationalen Website des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates. Eine Übersicht der Links gibt es hier: Nationale Internetseiten zum Thema Entsendung.
Weitere Informationen zum Nachweisgesetz finden Sie in unserem Artikel Anforderungen an Arbeitsverhältnisse - IHK Köln.
Daneben sollte die Vereinbarung Regelungen enthalten zu:
- Verpflichtung zu Verschwiegenheit und Datenschutz
- Arbeitszeit, Zeiterfassung, Erreichbarkeit
- eingesetzte Arbeitsmittel, ggf. Aufwendungsersatz
- Informationspflichten über den Aufenthalt der Beschäftigten
3. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
Der Arbeitgebende muss bei Remote-Arbeit im Ausland auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats berücksichtigen. Mitbestimmungsfrei im Rahmen der mobilen Arbeit ist deren „Ob“. Die Entscheidung, ob die Arbeitnehmenden die Möglichkeit zur Homeoffice im Ausland haben sollen, hat allein der Arbeitgebende.
Ein klares Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat bei der Frage des „Wie“, bzw. bei der Ausgestaltung der Möglichkeit von Homeoffice im Ausland nach §87 Abs. 1 Nr. 14 Betriebsverfassungsgesetz. Daneben können weitere Mitbestimmungstatbestände eine Rolle spielen.
4. Datenschutz
Auch bei mobiler Arbeit im Ausland im Homeoffice sind die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung einzuhalten. Daten und Unterlagen müssen vor der Einsichtnahme durch Dritte geschützt werden. Bei einer mobilen Tätigkeit außerhalb der EU ist zu prüfen, ob das Aufenthaltsland ein vergleichbares Datenschutzniveau sicherstellt. Falls dies nicht gegeben ist, sind ggf. geeignete Garantien für Drittlandübermittlungen i.S.d. Art. 44 ff. DSGVO zu erwirken.
Bei der Frage, was genau unter einer Drittlandübermittlung zu verstehen ist, können die Guidelines des europäischen Datenschutzausschusses als Beurteilungshilfe dienen.
Der Europäische Datenschutzausschuss erklärt in seinen Guidelines, dass die Datenweitergabe innerhalb einer juristischen Person keine Drittstaatenübermittlung darstellt.
Diese Privilegierung gilt nicht, wenn es sich um unterschiedliche Verantwortliche oder um Büros mit eigener Rechtspersönlichkeit im Ausland handelt, oder Beschäftigte im Ausland die Unternehmensdaten für eigene/andere Zwecke nutzen.
5. Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis
Zunächst stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmende zum Aufenthalt und zur Arbeitsaufnahme im jeweiligen ausländischen Staat berechtigt ist.
5.1 EU-Staatsangehörige im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und in der Schweiz
Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union genießen in der EU aufgrund der rechtlichen Freizügigkeit zahlreiche Erleichterungen: Innerhalb eines anderen EU-Mitgliedsstaates ist ein Aufenthalt ohne besondere Erlaubnis möglich (Art. 7 Abs. 1 AufenthG und EU-RL 2004/38/EG).
In den Staaten, die Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), aber nicht der EU sind, also Island, Liechtenstein und Norwegen, ist außerdem ein Aufenthalt von bis zu drei Monaten Dauer erlaubnisfrei möglich. Daneben bestehen Sonderregelungen für die Arbeitsaufnahme. Dasselbe gilt aufgrund eines bilateralen Abkommens auch für die Schweiz.
Neben dem Recht zum Aufenthalt kann zudem eine Arbeitserlaubnis notwendig sein. Innerhalb der EU genießen die Unionsbürgerinnen und -bürger hierbei ebenfalls Freizügigkeit. Das heißt, dass sie für die Arbeit in einem anderen EU-Staat keine Arbeitserlaubnis benötigen. Dies gilt ebenso für die Schweiz bei einer Arbeitstätigkeit von bis zu drei Monaten.
5.2 Drittstaatsangehörige in EU-Staaten und EWR-Staaten
Drittstaatsangehörige benötigen für mobiles Arbeiten innerhalb der EU grundsätzlich einen gesonderten Aufenthaltstitel und ggf. auch eine Arbeitserlaubnis für das Land, in dem sie mobil arbeiten.
Auch wenn viele deutsche Aufenthaltstitel, die eine Arbeitserlaubnis beinhalten, auf Verordnungen der EU basieren, oder – wie etwa die „Blaue Karte EU“ – das Wort „EU“ sogar im Namen tragen, handelt es sich um nationale Aufenthaltstitel nach deutschem Recht, die das Arbeiten allein in Deutschland erlauben. Deutsche Aufenthaltstitel berechtigen zwar zu freien touristischen Aufenthalten im Schengen-Raum. Jedoch erlauben sie die Erwerbstätigkeit vorwiegend nur in Deutschland.
5.3 EU-Staatsangehörige und Drittstaatsangehörige in Drittstaaten
Für alle sonstigen Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind die jeweiligen nationalen Vorschriften zu beachten - egal, ob es sich um EU-Staatsangehörige oder Drittstaatenangehörige handelt. Daher gilt es vor der Arbeitsaufnahme in Drittstaaten zu klären, ob ein Visum oder eine Arbeitserlaubnis benötigt wird. Denn in den meisten Staaten darf nicht ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet werden. Das gilt auch dann, wenn die Arbeit aus dem Homeoffice, einem Hotel oder Ferienhaus erfolgt und nach außen nicht in Erscheinung tritt.
Die Möglichkeit einer visumsfreien Einreise gibt zumeist nicht gleichzeitig auch ein Recht auf Erwerbstätigkeit. Oftmals ist die visumsfreie Einreise nur für touristische Zwecke möglich.
Daher ist ein besonderes Ausgenmerk auch auf die passende Visumskategorie zu richten. Wenn eine falsche Visumskategorie, z. B. ein Touristenvisum statt eines Businessvisums, genutzt wird, so kann dies zu persönlichen Konsequenzen für die Mitarbeitenden und zu Nachteilen für den Arbeitgebenden führen.
Hinzukommt, dass die Beantragung eines Aufenthaltstitels für mobiles Arbeiten im Ausland problematisch werden kann. Ein Aufenthaltstitel, abhängig von dem jeweiligen nationalen Recht, ist allein für die Tätigkeit im Homeoffice möglicherweise gar nicht oder nur mit viel Aufwand zu erwirken, da die meisten Aufenthaltstitel die Beschäftigung in einem Betrieb des Aufnahmestaats verlangen.
Weitere Informationen:
- Einreise und Aufenthalt von EU-Bürgern (EU-Freizügigkeit)
- Reise und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes
6. Melde- und Dokumentationspflichten im Ausland
Auch können Melde- und Dokumentationspflichten im jeweiligen Zielland bestehen. In der Europäischen Union gelten für Mitarbeiterentsendungen gesteigerte Arbeitgeberpflichten, die zu Melde- und Dokumentationspflichten führen (vgl. Entsenderichtlinie 96/71/EG und Durchsetzungsrichtlinie 2014/67/EU). Auch wenn die Entsenderichtlinie und die darauf beruhende Durchsetzungsrichtlinie ihrem Wortlaut nach für Homeoffice nicht einschlägig sein dürfte, ist maßgeblich entscheidend, wie die Mitgliedstaaten die betreffenden Pflichten konkret ausgestaltet haben. Zum Teil wurden diese Pflichten auch unabhängig von den Richtlinien eingeführt.
Demzufolge sind in vielen EU-Mitgliedstaaten umfangreichen Melde- und Dokumentationspflichten nachzukommen. Informationen zu den länderspezifischen Melde- und Dokumentationspflichten können Sie der Webseite der Europäischen Union entnehmen.
7. Anwendbares Arbeitsrecht
Soweit das Arbeitsverhältnis sich nach dem deutschen Recht richtet, ändert sich durch ein vorübergehendes mobiles Arbeiten im EU-Ausland daran nichts: Bei einer vorübergehenden Homeoffice-Tätigkeit im Ausland bleibt der vertraglich vereinbarte Arbeitsort in Deutschland.
Das Merkmal „vorübergehend“ wird sehr weit interpretiert: Die Erbringung der Arbeitsleistung in einem anderen Staat gilt als vorübergehend, wenn von dem Arbeitnehmenden erwartet wird, dass er nach seinem Arbeitseinsatz im Ausland seine Arbeit im Herkunftsstaat wieder aufnimmt.
Grundsätzlich können die Parteien das anwendbare Recht frei wählen, wobei zwingendes Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes nicht unterlaufen werden darf. Ansonsten gilt das Recht des Arbeitsortes. Aber auch bei einer Rechtswahl müssen zwingende Bestimmungen des Arbeitsorts eingehalten werden. Hierunter können zum Beispiel Feiertagsregelungen fallen. Unternehmen sollten sich daher umfassend über die lokalen Rechtsbestimmungen und das Arbeitsschutzniveau des jeweiligen Ziellandes informieren.
8. Sozialversicherungsrecht
Innerhalb der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz gilt grundsätzlich das Tätigkeitsortprinzip. Demnach ist der tatsächliche physische Arbeitsort entscheidend, welches Sozialversicherungsrecht Anwendung findet (vgl. Art. 11 Abs. 3 a VO (EG) Nr. 883/2004).
Der Grundsatz, dass ein Mitarbeitender im Falle eines grenzüberschreitenden Tätigwerdens dem Sozialversicherungssystem des Staates unterfällt, in dem die Arbeitstätigkeit ausgeübt wird, gilt nicht ausnahmslos.
8.1 Workation
Gelegentliche, unregelmäßige oder kurzfristige Tätigkeiten im Ausland – wie z. B. Dienstreisen – gelten laut EU-Koordinierungsstelle als sozialversicherungsrechtliche Entsendung. Das bedeutet: Der Mitarbeitende verbleibt in der deutschen Sozialversicherung, was durch eine A1-Bescheinigung nachzuweisen ist.
Für die Beantragung der A1-Bescheinigung sollte ein zeitlicher Vorlauf von mind. einer Woche einberechnet werden.
Ausnahmsweise können Arbeitnehmende auch bei mobilen Tätigkeiten von bis zu 24 Monaten – wie auch im Falle einer Entsendung (vgl. Art. 12 VO (EG) Nr. 883/2004) - im deutschen Sozialversicherungsrecht verbleiben. Dies setzt jedoch voraus, dass eine Rückkehrabsicht seitens des Arbeitnehmenden besteht. Dies sollte mit der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) abgesprochen werden.
Es empfehlen sich folgende Schritte:
- Kontaktaufnahme und Abstimmung mit der DVKA über das konkrete Vorgehen
- Beantragung der A1-Bescheinigung bei der zuständigen Stelle
- Dokumentation und Verwahrung der Korrespondenz mit der DVKA
8.2 Grenzüberschreitende Telearbeit
Bei sogenannten Grenzpendlerinnen und -pendlern – Beschäftigte, die dauerhaft in zwei Mitgliedsstaaten tätig sind und teils im Homeoffice in einem EU-Staat und teils im Büro in einem benachbarten EU-Staat Arbeitsleistungen erbringen - gilt: Arbeitnehmende, die mehr als 25 Prozent ihrer Tätigkeit an ihrem Wohnsitz im Ausland verrichten, sind auch im Ausland sozialversicherungspflichtig (vgl. Art. 13 Abs. 1 a VO (EG) Nr. 883/2004).
Ausnahmsweise können Arbeitnehmende im deutschen Sozialversicherungsrecht verbleiben, sofern der zeitliche Umfang der Auslandstätigkeit 25 Prozent über- und 49,99 Prozent unterschreitet.
Dies setzt allerdings voraus, dass:
- sowohl Wohnstaat der beschäftigten Person, als auch der Staat des Arbeitgebersitzes, das multilaterale Abkommen zu Homeoffice im Ausland - konkret zur grenzüberschreitenden Telearbeit unter Anwendung von Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/04 – unterzeichnet haben (siehe Liste der Unterzeichnerstaaten)
- Ein Ausnahmeantrag bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland - kurz DVKA – gestellt wurde.
Die Rahmenvereinbarung ist nicht gültig für:
- Personen, die neben der Telearbeit im Wohnstaat zusätzlich gewöhnlich weitere Tätigkeiten im Wohnstaat oder in einem weiteren Staat ausüben;
- Selbstständige
Bei der Ermittlung des Anteils bzw. des Prozentsatzes sind die kommenden 12 Kalendermonate maßgeblich. Die Grenze darf in einem bestimmten Monat, einer bestimmten Woche überschritten werden, vorausgesetzt, dies gleicht sich im gesamten Jahr aus. Die Voraussetzung ist, dass der Wechsel zwischen Telearbeit und der Arbeit vor Ort regelmäßig erfolgt.
8.3 Drittstaaten (Staaten außerhalb der EU/EWR und Schweiz)
Außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz hat die Bundesrepublik Sozialversicherungsabkommen mit einer Reihe von Staaten abgeschlossen. Eine Liste dieser Abkommen kann auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingesehen werden. Es ist zu prüfen, ob Deutschland mit dem Zielland ein Abkommen geschlossen hat und welche Sozialversicherungszweige von diesem Abkommen umfasst sind.
Bei Staaten, mit denen kein derartiges Abkommen besteht, ist zu empfehlen, die jeweilige Rechtslage vorab in Erfahrung zu bringen. So kann ein fehlender Versicherungsschutz oder eine Doppelversicherung vermieden werden.
9. Steuerrecht
Fraglich ist die Besteuerung von Arbeitnehmenden, die sich zeitweise oder vorübergehend auch außerhalb von Deutschland aufhalten. Grundsätzlich finden für die steuerliche Behandlung sowohl die Regeln des Landes des Arbeitgebenden als auch des Aufenthaltsstaates Anwendung, wobei zwischen Deutschland und dem ausländischen Staat bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu beachten sind.
Auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums findet sich eine Liste der Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen wurde. Sollte kein DBA vorliegen, kann die im Ausland gezahlte Steuer gegebenenfalls auf die deutsche Steuerbelastung angerechnet werden (vgl. § 34c EstG).
Die Pflicht zur Zahlung von Einkommenssteuer in Deutschland entfällt, wenn der Arbeitnehmende seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik hat (vgl. § 1 Abs. 1 EstG). Der gewöhnliche Aufenthalt liegt außerhalb der Bundesrepublik, wenn sich der Arbeitnehmende mehr als sechs Monate zusammenhängend im Ausland aufhält (vgl. § 9 S. 2 AO). Kurzfristige Unterbrechungen bleiben dabei unberücksichtigt.
9.1 Homeoffice als Betriebsstätte im Ausland
Wenn ein Mitarbeitender im Ausland eine Tätigkeit ausführt - und hierzu zum Beispiel Verträge abschließt -, so kann es sich nach dem Recht des jeweiligen Staates oder des bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens unter Umständen um eine Betriebsstätte handeln. Dies kann wiederum für das Unternehmen steuerliche Pflichten und Belastungen auslösen. Neben teils umfangreichen Registrierungs- und Deklarationspflichten können sich zudem auch Gewinnabgrenzungserfordernisse ergeben, deren Nichtbeachtung Strafen und Bußgelder nach sich ziehen kann.
Insofern ist eine vorherige Prüfung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften und etwaiger DBAs dringend anzuraten. Arbeitgebende sollten prüfen, ob nach den nationalen Vorschriften des Aufenthaltsstaates eine Steuerpflicht ausgelöst wird, wenn Arbeitnehmende dort mobil arbeiten möchten. Als nächstes ist zu klären, ob ein DBA zwischen dem Aufenthaltsstaat des Mitarbeitenden und dem Staat des Unternehmenssitz besteht.
Wenn dies der Fall ist, ist zu prüfen, ob die Steuerpflicht aufgrund der Regelungen dieses Doppelbesteuerungsabkommens entfällt. Hierbei ist im Einzelfall das Hinzuziehen einer auf das Zielland spezialisierten Steuerberatungskanzlei zu empfehlen, insbesondere auch, weil es zwischen dem Wortlaut des Doppelbesteuerungsabkommens und der praktischen Anwendung durch die Finanzverwaltung Diskrepanzen geben kann.
9.2 Leitlinien der OECD zur Interpretation der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen basieren auf dem OECD-Musterabkommen. In den im Jahr 2020 herausgegebenen Leitlinien der OECD spricht sich diese für eine großzügige Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen im Hinblick auf die zunehmende Homeoffice-Arbeit aus. So sollen Personen, die Telearbeit in einem anderen Staat nachgehen, nicht automatisch eine ausländische Betriebsstätte begründen.
Allerdings sind die Staaten, die Doppelbesteuerungsabkommen nach dem OECD-Musterabkommen abgeschlossen haben, nicht an die Leitlinien der OECD gebunden. Insofern ist die Rechtslage individuell zu beurteilen und insbesondere der Standpunkt der jeweils zuständigen Steuerbehörden vorab in Erfahrung zu bringen. Die OECD-Leitlinien können aber gerade bei Staaten, deren DBA sich an dem OECD-Musterabkommen orientieren, als Argumentationshilfe dienen und gegebenenfalls dazu führen, dass die Staaten eine Neubeurteilung im Vergleich zu früheren Sachverhalten durchführen.
Informationen zur Rechtslage und der Verwaltungspraxis in bestimmten Ländern können bei lokalen Behörden sowie den deutschen Auslandshandelskammern angefragt werden.