Bürokratie, Energie, Fachkräfte: Diese Sorgen muss die Politik endlich ernst nehmen!
Eine zentrale Frage bei der Bundestagswahl lautet: Wie geht’s mit der Wirtschaft weiter? Wir haben uns umgehört und wollten wissen, was die Unternehmerinnen und Unternehmer wirklich beschäftigt.
Text: Jörg Löbker, Willi Haentjes
„Die absoluten Energiekosten in Deutschland sind ungefähr doppelt so hoch wie vor der Krise 2019. Wir konkurrieren mit Firmen in Asien und Nordamerika – dort sind die Energiekosten deutlich geringer.“
Ortsbesuch in Dormagen beim Chemie-Riesen Covestro: Das Herz des global agierenden Kunststoff-Herstellers (18.000 Mitarbeiter weltweit, mehr als 7.000 in Deutschland) schlägt hier direkt am Rhein. Die Firma hat sich als eine der ersten auf der Welt den Themen Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft verschrieben: Covestro zielt auf Netto-Null-Emissionen bis 2035 für Scope 1 und 2 ab. Spätestens 2050 will Covestro bei Scope-3-Emissionen klimaneutral sein.
Philip Bahke
Die Produktion in der chemischen Industrie ist energieintensiv, so auch bei Covestro. Und genau das bereitet Philip Bahke, Leiter des Standortverbunds NRW, in der aktuellen Situation Sorgen: „Die absoluten Energiekosten in Deutschland sind ungefähr doppelt so hoch wie vor der Krise 2019. Wir konkurrieren mit Firmen in Asien und Nordamerika – dort sind die Energiekosten deutlich geringer.“ Besonders besorgniserregend findet er die Überlegungen aus der Politik, zukünftig die Netzentgelt-Befreiung abhängig zu machen von der Verfügbarkeit von regenerativ erzeugtem Strom (zeitvariable Netzentgelte) – also die Industrieanlagen dann zu fahren, wenn Wind und Sonne liefern. „Das hat immense Folgekosten und Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Industrie in Gänze. Wenn die Politik auch möchte, dass die heimische Industrie weiterhin ihren Platz in Deutschland hat, müssen wir handeln.“
Seine Frage an die Politikerinnen und Politiker, die nach der Wahl im Bundestag sitzen wollen: „Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Deindustrialisierung nicht weiter voranschreitet und wir zukünftig nicht viele der Güter nach Deutschland aus Übersee – auch zulasten unserer Umwelt – importieren müssen?“
„Für die Planung und Fertigung sind wir auf gut ausgebildete Ingenieure und IT-Experten angewiesen.“
Seit 1920 werden im oberbergischen Wiehl bei der Kampf GmbH hochkomplexe Maschinen für die Folienindustrie und technische Folienanwendungen gebaut. Zum Teil bestehen die riesigen Anlagen aus bis zu 3.000 Einzelteilen. „Für die Planung und Fertigung sind wir auf gut ausgebildete Ingenieure und IT-Experten angewiesen“, sagt Rike Svea Johnsen, Geschäftsführerin und CFO der Kampf GmbH. „Jetzt sind sich alle Institute einig, dass wir 2030 ungefähr drei Millionen Fachkräfte in Deutschland zu wenig haben. Und das trifft uns auch hier im Oberbergischen!“
Rike Svea Johnsen
Schon lange bemüht sich das Unternehmen, bei der Gewinnung von Fachkräften neue Wege zu gehen. „Wir versuchen beispielsweise auch Frauen mehr in dieses Berufsbild zu holen“, so Johnsen weiter. Doch auch da gibt es Probleme. „Die Frauen haben oft das Problem, dass es nur unzureichende Möglichkeiten für die Betreuung ihrer Kinder gibt.“ Hoffnungen setzen die Verantwortlichen im Unternehmen auf die kommende Bundestagswahl. Johnsen: „Egal, welche der demokratischen Parteien eine Regierung bilden: Wir wünschen uns einen stärkeren Fokus auf die Themen Fachkräftegewinnung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie im ländlichen Raum!“
„Ich hätte gerne mehr Zeit für mein Unternehmen und insbesondere für meine Mitarbeiter!“
„Ich hätte gerne mehr Zeit für mein Unternehmen und insbesondere für meine Mitarbeiter!“ Der Satz der Unternehmerin Tina Gerfer klingt wie ein Hilferuf. Der Papierkram fürs Amt frisst ihre Zeit mehr und mehr. „Überbordende Bürokratie“, so Gerfer, die in dritter Generation die Geschäfte der Wilhelm Rasch GmbH & Co. KG in Hürth (Rhein-Erft-Kreis) leitet.
Tina Gerfer
Dort werden Maschinen hergestellt, die vornehmlich für die Verpackung von Süßwaren eingesetzt werden. Prozesse, bei denen eine Geschäftsführerin gerne häufiger in der Werkshalle nach dem Rechten sieht. Doch die Realität sieht anders aus. Die vielen Berichtspflichten, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – nur einige Beispiele, die Unternehmerinnen und Unternehmer immer mehr an den Schreibtisch fesseln. „Lieferketten müssen kontrolliert werden, das stellen wir nicht in Frage, aber die Art und Weise. Wir haben so ein bisschen das Gefühl, dass man sich da in Berlin und in Brüssel vergaloppiert hat“, sagt Gerfer. Das gelte es nun zu ändern. Darauf hoffen sie nicht nur bei der Wilhelm Rasch GmbH in Hürth im Hinblick auf die vorgezogene Bundestagswahl.
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