IHKplus 6.2024 | Weitblick

Mit Klartext und Engagement durch die Krisen unserer Zeit

Beim Ehrenamt ging es in den vergangenen vier Jahren zur Sache: Die 107 Mitglieder der Vollversammlung waren stets am Puls der Zeit und setzten viele wirtschaftspolitische Impulse. Das Motto: Klare Kante!
Text: Willi Haentjes
Schwierige Zeiten erfordern Mut zum Klartext und die Kraft, mit neuen Ideen für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Die IHK-Vollversammlung war in den vergangenen vier Jahren als Parlament der Wirtschaft mit vielen Krisen konfrontiert: Corona, Krieg in Europa, Flutkatastrophe, Energiekrise, Regierungskrise – jedes einzelne Ereignis wäre schon für sich eine große Herausforderung gewesen, in Summe waren die Jahre 2020 bis 2024 wohl die schwierigste Phase der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte.
Durchatmen: Fehlanzeige. Und immer mittendrin: Die Vollversammlung der IHK Köln, die sich mit 43 Resolutionen, Positionspapieren oder Beschlüssen zu Einzelthemen immer klar positioniert hat. Notfalls auch gegen politische Entscheidungen, aber immer zum nachhaltigen Wohl der Wirtschaft.
Alle Entscheidungen der Vollversammlung finden Sie auf unserer Homepage. Hier bieten wir Ihnen einen Überblick über sechs Themen, die unsere Vollversammlungsmitglieder besonders beschäftigt haben.

Vermeintlich selbstverständlich, grundsätzlich wichtig: das Leitbild ehrbares Unternehmertum

In der „Kölner Erklärung zur Sozialen Marktwirtschaft“ (6/21) hat die Vollversammlung aus gegebenem Anlass an das Erfolgsrezept des deutschen Wohlstands erinnert: Immer mehr staatliche Eingriffe in den Markt und privates Eigentum, immer mehr Skepsis von politischen Entscheidungsträgern gegenüber der Privatwirtschaft – die Eckpfeiler der Sozialen Marktwirtschaft wurden massiv angefeindet. Die IHK Köln bekennt sich zu den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft als Handlungsrahmen für alle gesellschaftlichen Gruppen: „Die Soziale Marktwirtschaft lebt von der unternehmerischen Freiheit, Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Der aus den Entscheidungen resultierende Erfolg Einzelner sichert letztlich den Wohlstand aller.“
Aus der Erklärung heraus hat die Vollversammlung im Dialog mit jüngeren und älteren Unternehmerinnen und Unternehmern das „Leitbild ehrbares Unternehmertum der IHK Köln“ entwickelt. In fünf Leitsätzen erklären die Mitglieder ihr Selbstverständnis: „Unternehmerisches Handeln schafft langfristige Werte durch Nachhaltigkeit im ökonomischen, ökologischen und sozialen Sinne.“ Verlässlichkeit und Fairness, die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, Respekt und Toleranz als Innovationstreiber und das Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie sind die weiteren Kernpunkte des Leitbildes.

Fachkräfte und Arbeitsmarkt

Demografischer Wandel, Digitalisierung in der Privatwirtschaft, Abwanderungsgedanken der Unternehmen… Es gibt viele Gründe, über die Arbeitsmarktsituation und das Fehlen von Fachkräften zu klagen. Die Vollversammlung der IHK Köln hat sich konkrete Themen gepackt und Lösungsansätze erarbeitet, die sich gegen das allgemeine Jammern über die Gesamtwetterlage richten.
Ein wichtiges Thema für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seit der Corona-Krise: das „Mobile Arbeiten im Ausland“. Immer mehr Fachkräfte fordern diese Möglichkeit, während die Unternehmen sich mit einer Fülle von ungeklärten Fragen konfrontiert sehen. Arbeitsrecht, Steuerrecht, Sozialabgaben, gewerberechtliche Vorschriften – es sind mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen in der Luft. „Die IHK Köln sieht daher den Bundesgesetzgeber in der Pflicht, einerseits auf europäischer Ebene auf eine Vereinfachung des mobilen Arbeitens im Ausland hinzuwirken und andererseits auch die nationalen Voraussetzungen für zeitlich befristete entsprechende Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Dies muss einhergehen mit einer Entschlackung der damit verbundenen rechtlichen Rahmenvorgaben“, heißt es in der Vollversammlungsresolution vom 13. Juni 2023.
Vor allem für Unternehmerinnen und Unternehmer ein riesiges Problem und ebenfalls eine Pandemie-Nachwehe: der Missbrauch von Krankschreibungen. Ein schwieriges Thema für die Vollversammlung, weil kurzfristige Änderungen von Gesetzgeberseite aufgrund der starken Sozialpartner unwahrscheinlich sind – gleichzeitig schmerzt in Zeiten knapper Fachkräfte jede Fehlzeit noch einmal mehr. Die Vollversammlung hat das Thema auf Bundesebene bei Ministerien und Abgeordneten sowie bei den Arbeitgeberverbänden adressiert und zum Teil realitätsferne Antworten erhalten. Es gibt offenbar keine amtliche Datengrundlage, die die Praxiserfahrung der Unternehmen statistisch belegt – die IHK Köln sieht sich hier in der Pflicht, entsprechend in den Dialog zu gehen und das Thema weiter zu treiben.
Bundespolitisch wohl DAS Fachkräftethema dieser Tage: Wie können geduldete Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integriert werden? „Das inländische Arbeitskräftepotenzial ist weitgehend ausgeschöpft. Eine große Chance zur Behebung des Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels liegt daher in der Zuwanderung“, heißt es im September 2023 in der Vollversammlung. Den so genannten „Spurwechsel“ für 600.000 Menschen, deren Verfahren noch nicht abgeschlossen ist oder die kein Bleiberecht haben, aber gleichzeitig nicht abgeschoben werden können, begrüßt die Kammer ausdrücklich. Die IHK Köln hat sich auf verschiedenen Ebenen, u. a. mit Johannes Klapper, Chef der Kölner Agentur für Arbeit, und Karl-Josef Laumann, NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, konstruktiv dazu ausgetauscht. Wichtig auch: Die Beschäftigung von Geflüchteten muss für die Unternehmen transparent, rechtssicher und ohne zusätzliche bürokratische Hürden erfolgen.

Innenstädte der Zukunft

Jeder, der mit offenen Augen durch unsere Innenstädte läuft, weiß: Hier muss was passieren! Schon VOR Corona haben Gastronomie und Handelsgeschäfte mit Problemen gekämpft, durch die Pandemie hat der Online-Handel noch einmal einen neuen Boom erlebt. Die Krise als Chance – das gilt für die kleineren Städte im Kammerbezirk genauso wie für Köln.
Dabei ist der Druck sehr hoch, der Leerstand kann immer seltener kaschiert werden. Die IHK Köln hat drei Modellstädte in der Region identifiziert und dort Projekte vorangetrieben: In Wipperfürth (Oberbergischer Kreis), Wermelskirchen (Rheinisch-Bergischer Kreis) und Brühl (Rhein-Erft-Kreis) wurden verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft in den Innenstädten identifiziert, angestoßen oder bereits umgesetzt. Dabei ging es um die bessere Vernetzung der Unternehmen untereinander und mit der Verwaltung für Werbeaktionen und attraktive Veranstaltungen, aber auch Initiativen auf der Verwaltungsebene, wie zum Beispiel ein flexibleres Baurecht, um leerstandsgefährdete Immobilien schneller und attraktiver nutzen zu können.
Und dann ist da ja noch Köln … Die Metropole mit Dom! So zumindest die Theorie. In einer großen Resolution stellte die Vollversammlung im Sommer 2024 fest: „Aus Sicht der IHK Köln schöpft die Stadt am Rhein ihr großes Potenzial, als internationale Metropole wahrgenommen zu werden, unzureichend aus. (…) Die IHK Köln fordert Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und die großen Themen wie Verkehr, Stadtentwicklung und Sicherheit entschlossen anzugehen. Nur so kann Köln zu einer Metropole von internationalem Rang aufsteigen.“ In neun Punkten lieferte die Kammer ein umfassendes Gestaltungspaket, wie die Dom-Stadt attraktiver, lebenswerter und zukunftsfähig werden kann.

Rheinisches Revier & Energieversorgung

Energiewende? Ja! Aber wie … „Die breite Mehrheit der Unternehmen bekennt sich zum Ziel der Klimaneutralität und der Bekämpfung des Klimawandels“, so die klare Position der IHK-Vollversammlung – bereits im März 2022. Ein übereilter Braunkohleausstieg ohne klare Einstiegsstrategie wird aber abgelehnt. Im Fokus der Kammer: Versorgungssicherheit und bezahlbare Preise. Der von der Politik beschlossene und von der NRW-Landesregierung beschleunigte Ausstieg aus der Braunkohle sorgt bei den Unternehmen in der Region für massive Unsicherheit. Zunächst bis 2038, dann aber plötzlich acht Jahre früher bereits bis 2030, sollen Braunkohlekraftwerke mit einer Leistungvon acht Gigawatt vom Netz genommen werden, gleichzeitig will RWE neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von drei Gigawatt und erneuerbare Energien mit einem Gigawatt an den Start bringen. Einen Plan, wie die Lücke von vier Gigawatt geschlossen werden soll, hat die Regierung bis heute nicht vorgelegt.
„Die Optimierung des Standortfaktors Energie ist nicht nur für den Strukturwandel im Rheinischen Revier und die Ansiedelung neuer Unternehmen und Branchen essentiell, sondern generell für den Erhalt von Industrie in Deutschland.“
Claudia Esser-Scherbeck, Geschäftsführende Gesellschafterin SE Scherbeck Energy GmbH
„Wir fürchten, dass eine Versorgungslücke entstehen könnte und sich Strom weiter verteuern wird“, heißt es bereits im Dezember 2022 in der Vollversammlung. „Dies führt zur Sorge, dass ohne Aussicht auf eine sichere und bezahlbare Energieversorgung energieintensive Unternehmen in NRW desinvestieren und sich dort niederlassen, wo diese elementaren Rahmenbedingungen besser passen.“
Im Klartext: Wir warnen seit zwei Jahren vor der Deindustrialisierung in der Region, Wohlstandsverlust und dem Abbau von Arbeitsplätzen! Genau das tritt jetzt ein. Daher erwarten wir von der Bundes- und Landespolitik endlich verbindliche Ziele, wie Ausstieg aus der Kohle und Ausbau der regenerativen Energien synchronisiert werden sollen.
Im Zentrum der Debatte ist das Rheinische Revier, also die Braunkohle-Abbaugebiete in der Kölner Bucht (Inden, Garzweiler, Hambach). Was passiert auf dem riesigen Areal, wenn die Braunkohle perspektivisch Geschichte ist? Die IHK Köln setzt sich für eine proaktive und nachhaltige Flächenentwicklung ein. Es braucht zeitgleich zur Energiewende neue Gewerbe- und Industrieflächen, um nachhaltig Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Diese Flächen müssen integrativ gedacht werden: „Landschaftsschutz, Energieerzeugung und Produktion können an einem Ort gleichzeitig stattfinden und müssen nicht wie heute in Konkurrenz zueinander stehen“, heißt es in der IHK-Positionierung zum Strukturwandel im Rheinischen Revier.

Wirkungsvolle Interessenvertretung auf Landesebene

Die angespannte wirtschaftspolitische Lage erfordert eine klare Interessenvertretung unserer Unternehmen gegenüber der Landespolitik. Insbesondere mit Blick auf die Energiewende und die Herausforderungen des Strukturwandels im Rheinischen Revier war dies im Verbund mit den weiteren Kammern in Nordrhein-Westfalen nicht mehr möglich. Im Herbst 2023 ist die IHK Köln deshalb aus dem Verein IHK NRW ausgetreten – mehr als zwei Drittel der Vollversammlungsmitglieder unterstützten den Schritt und bekräftigten damit den Grundsatz, die Interessen der mehr als 150.000 Mitgliedsunternehmen ohne Kompromisse direkt gegenüber der Landespolitik zu vertreten.
Zuvor musste zu jedem Thema im Kammerverbund eine gemeinsame Linie gefunden werden, die dann an die Politik herangetragen wurde. Dieser kleinste gemeinsame Nenner deckte sich aber oft nicht mehr mit den Anliegen unserer Unternehmen und Beschlüssen unserer Vollversammlung. Die IHK Köln wählt nun den wirkungsvollen Weg des „Direktvertriebs“: „Wir als größte Kammer in NRW haben jegliche Expertise für alle für unsere Mitgliedsunternehmen relevanten Themen. Wir sind mit unserer großen Zahl an Spezialisten mehr als gut aufgestellt“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Uwe Vetterlein. „Die Unternehmen in unserem Kammerbezirk bilden rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung in unserem Bundesland ab.“

Höhere Effizienz – geringere Beiträge

Wer, wie die IHK Köln, auf die Beiträge der Unternehmen im Kammerbezirk angewiesen ist, geht eine besondere Verpflichtung ein: den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Mitglieder. Diese Verantwortung hat die Vollversammlung immer wieder betont und im Verbund mit dem Hauptamt die Kammer neu strukturiert. „In den vergangenen Jahren sind alle IHK-Ausgaben auf den Prüfstand gestellt und Strukturen optimiert worden“, heißt es zum Jahreswechsel 2023/2024. Honorare an Dritte, Reinigungs- und Reisekosten, Porto und Versandkosten – „Leistung hoch, Kosten runter“ war das Leitmotiv. Wo gespart werden konnte, wurde gespart, wo digitalisiert werden konnte, wurde digitalisiert.
„Dass die Beiträge gesenkt wurden, zeigt, dass wir nicht nur Dinge versprechen, sondern auch einhalten – das steigert Akzeptanz und Glaubwürdigkeit!“
MIKE GAHN, Geschäftsführender Gesellschafter ownSoft GmbH
Am Ende dieses Prozesses stand der Beschluss der Vollversammlung, die Beiträge der Mitgliedsunternehmen zur Entlastung der regionalen Wirtschaft zu senken – was in Zeiten steigender Kosten eine bemerkenswerte Entwicklung ist. Insgesamt wurden die Grundbeiträge um insgesamt eine halbe Million Euro pro Jahr gesenkt. Das Ziel, höhere Effizienz bei geringeren Beiträgen, wurde vollumfänglich erreicht.
Büroleitung Hauptgeschäftsführung
Chefredakteur | Kommunikation