Innergemeinschaftliche Lieferung

Ein Unternehmer, der Waren von der Bundesrepublik Deutschland an einen Unternehmer in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union liefert, führt regelmäßig eine von der Umsatzsteuerpflicht befreite innergemeinschaftliche Lieferung aus.

1. Allgemeine Voraussetzungen für die Steuerfreiheit

Die Steuerfreiheit ist aber an folgende Voraussetzungen gebunden, die zum 1. Januar 2020 verschärft wurden:
  • die gelieferte Ware ist in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt,
  • der Abnehmer ist ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat,
  • der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung, d. h. der Abnehmer ist verpflichtet, in einem anderen EU-Staat die Erwerbsbesteuerung durchzuführen,
  • der Abnehmer hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet und
  • der Unternehmer kommt seiner Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung nach.

2. Rechnungsstellung bei Steuerbefreiung

Unternehmen, deren Warenlieferungen aufgrund der vorstehend genannten Voraussetzungen umsatzsteuerbefreit sind, müssen auf ihren Rechnungen über die steuerfreien Umsätze neben den allgemein üblichen Angaben zusätzlich folgende Punkte vermerken:
  • Hinweis auf Steuerbefreiung der Lieferung (es genügt die umgangssprachliche Umschreibung, beispielsweise "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung"; eine Angabe des Paragraphen ist nicht notwendig)
  • eigene USt-IdNr und
  • USt-IdNr. des Abnehmers. Die vom Lieferanten und vom Abnehmer verwendeten USt-Identifikationsnummern müssen für den Regelfall von jeweils unterschiedlichen Mitgliedstaaten erteilt worden sein.

3. Erteilung einer USt-IdNr.

Die Erteilung einer USt-IdNr. erfolgt grundsätzlich auf Antrag durch das Bundeszentralamt für Steuern entweder über das Internet oder schriftlich unter folgender Anschrift
Bundeszentralamt für Steuern
Dienstsitz Saarlouis
66738 Saarlouis
Fax: +49-(0)228 406-3801
Bei der steuerlichen Neuaufnahme kann der Unternehmer die Erteilung einer USt-IdNr. auch beim zuständigen Finanzamt beantragen. Dieser Antrag wird dann zusammen mit den erforderlichen Angaben über die umsatzsteuerliche Erfassung an das Bundeszentralamt für Steuern weitergeleitet.

4. Nachweispflichten unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 13.11.2025

Die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen setzt voraus, dass der Lieferant nachweist, dass die Ware tatsächlich in einen anderen EU-Mitgliedstaat gelangt ist. Die Nachweise gliedern sich wie bisher in belegmäßige und buchmäßige Pflichten. Durch das EuGH-Urteil erhalten diese Anforderungen jedoch eine wichtigere inhaltliche Nuance: Formelle Mängel einzelner Dokumente führen nicht automatisch zur Versagung der Steuerbefreiung, sofern der tatsächliche Warenfluss anderweitig hinreichend belegt werden kann.

a) Belegmäßiger Nachweis

Grundsätzlich bleibt der Lieferant verpflichtet, durch geeignete Belege nachzuweisen, dass die Ware in einen anderen EU-Staat verbracht wurde. Nach der bisherigen Praxis richtete sich die Prüfung häufig stark nach den sogenannten „Quick-Fix“-Nachweisen gemäß Art. 45a MwSt-DVO.
Der EuGH stellt jedoch klar, dass diese standardisierten Belege kein abschließender Pflichtkatalog sind. Fehlen einzelne dieser Formulare oder weichen sie formal von den Vorgaben ab, darf die Steuerbefreiung nicht allein deshalb versagt werden. Entscheidend ist, ob der tatsächliche Transport nachweisbar ist.
Damit gewinnen alle geeigneten Unterlagen an Bedeutung, beispielsweise:
  • Fracht- und Speditionspapiere
  • Trackinginformationen
  • Empfangsbestätigungen des Abnehmers
  • Zahlungs- und Lieferdokumentationen
  • sonstige Logistikunterlagen
Die Finanzverwaltung hat sämtliche vorgelegten Belege gesamt zu würdigen. Nur bei Betrugsverdacht oder wenn die Dokumentation so lückenhaft ist, dass der Transport faktisch nicht nachvollziehbar bleibt, darf die Steuerbefreiung entfallen.

b) Buchmäßiger Nachweis

Unverändert bleibt, dass der Lieferer die Voraussetzungen der Steuerbefreiung weiterhin buchmäßig nach § 17d UStDV aufzuzeichnen hat. Dazu gehören insbesondere:
  • ausländische USt-IdNr. des Abnehmers
  • Name und Anschrift des Abnehmers
  • ggf. Name und Anschrift des Beauftragten des Abnehmers (bei Einzelhandelslieferungen)
  • Gewerbezweig oder Beruf des Abnehmers
  • handelsübliche Bezeichnung und Menge des Liefergegenstands (inkl. FIN bei Fahrzeugen)
  • Tag der Lieferung
  • vereinbartes oder vereinnahmtes Entgelt
  • Art und Umfang einer evtl. Bearbeitung vor der Beförderung
  • Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet
  • Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet
Das EuGH-Urteil wirkt hierbei auslegungsleitend: Auch bei den buchmäßigen Nachweisen geht es weniger um perfekte formale Erfüllung jeder Einzelanforderung, sondern um die inhaltliche Nachvollziehbarkeit des innergemeinschaftlichen Warenflusses. Kleinere formale Fehler sind nach dieser Rechtsprechung nicht mehr automatisch schädlich.

Praktische Konsequenzen

  • Die Quick-Fix-Nachweise bleiben sinnvoll, weil sie hohe Beweissicherheit bieten.
  • Unternehmen sollten zusätzlich weitere Transport- und Empfangsunterlagen systematisch sammeln.
  • Das Urteil stärkt die Position der Unternehmen im Prüfungsfall, wenn einzelne Dokumente fehlen oder formale Abweichungen bestehen.
  • Entscheidend ist künftig noch stärker der tatsächliche Nachweis der Warenbewegung, nicht die perfekte Dokumentform.

5. Sonstige Erklärungs- und Meldepflichten

  • Der Lieferant muss die Bemessungsgrundlagen seiner steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung jeweils in der Umsatzsteuervoranmeldung und in der Umsatzsteuererklärung gesondert anführen.
  • Des Weiteren muss er diese - für jeden Kunden separat - nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck in der Zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern angeben.
  • Seit dem 1. Januar 2020 ist die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit. Informationen zur Zusammenfassenden Meldung finden Sie im Internetangebot der Bundeszentralamts für Steuern.
  • Regelmäßig ist die Meldung bis zum 25. Tag des Folgemonats der Lieferung abzugeben.
  • Soweit die Summe der innergemeinschaftlichen Lieferungen und Dreiecksgeschäfte weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 50.000 Euro beträgt, kann die Zusammenfassende Meldung quartalsweise abgegeben werden und zwar bis zum 25. Tag nach Ablauf des Quartals. Es ist jedoch möglich, auch unterhalb der Meldeschwelle (freiwillig) monatliche Meldungen abzugeben.
  • Außerdem muss der Unternehmer seine innergemeinschaftlichen Lieferungen monatlich im Rahmen der Intrastat-Meldungen dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden mitteilen, sofern der Wert der Lieferungen bzw. Erwerbe im Vorjahr 500.000 Euro überschritten hat. Die Auskunftspflicht tritt auch bei Überschreitung dieser Schwelle im laufenden Kalenderjahr ein und zwar in dem Monat, der auf den Monat der erstmaligen Überschreitung folgt.

6. Zweifel an der USt-IdNr.

  • Nach den Regelungen des Umsatzsteuergesetz ist der Unternehmer verpflichtet, die Angaben des Abnehmers mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns” zu prüfen.
  • Aufgrund der Regelung, dass die Verwendung einer gültigen USt-IdNr des Abnehmers materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit ist und der strikten Handhabung der Finanzverwaltung muss der Unternehmer, um sich so weit als möglich vor Haftungsrisiken zu sichern, die Angaben des Erwerbers überprüfen.
    • Hierzu wendet er sich an das Bundeszentralamt für Steuern. Dieses bestätigt auf Anfrage die Gültigkeit einer USt-IdNr. sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die USt-IdNr. von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde.
    • Das Bestätigungsverfahren kann über eine Abfragemaske auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern eingeleitet werden.
    • Bitte beachten Sie dabei, dass Sie Vertrauensschutz nur über die qualifizierte Bestätigungsabfrage erhalten können. Das System leitet sie dorthin selbsterklärend.

7. Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der einzelnen Mitgliedstaaten