Sicherheit als Wirtschaftsfaktor
Cyberangriffe, Extremwetterereignisse, geopolitische Unsicherheiten und die wachsende Verwundbarkeit kritischer Infrastrukturen: Mehr als 50 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Bundeswehr und Sicherheitsinstitutionen haben am Mittwoch, 3. Dezember, beim Sicherheitsforum Nordostniedersachsen über die verschärfte sicherheitspolitische Lage und konkrete Handlungsmöglichkeiten diskutiert. Eingeladen hatten die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) und der Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastrukturen e.V. (BSKI).
auf dem Foto v.l.: Moderator Volker Petersen (Managementberatung für betriebliche Krisenprävention / BSKI e.V.), Matthias Lanius (Kreisbrandmeister der Kreisfeuerwehr Landkreis Lüneburg), Prof. Dr. Sven Eisenmenger (Forschungsinstitut für Unternehmenssicherheit und Sicherheitswirtschaft (FORSI), Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg), Oberst Daniel Decker, IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann, Landrat Jens Böther, Wolfgang Lohmann (Inspekteur BPdL a. D.), Detlef Schürmann (Kriminologe und Polizeiwissenschaftler des deutschen Präventionstages).
„Sicherheit ist kein abstraktes Zukunftsthema mehr – sie entscheidet längst über Wettbewerbsfähigkeit, Stabilität und die Handlungsfähigkeit unserer Unternehmen“, betonte IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann. Volker Petersen vom BSKI, der die Veranstaltung moderierte, hob hervor: „Kritische Infrastrukturen sind das Rückgrat unserer Gesellschaft – ohne funktionierende Energieversorgung, Logistik, IT- und Kommunikationsnetze steht binnen Stunden nicht nur die Wirtschaft still, sondern das öffentliche Leben insgesamt. Die aktuellen Krisen zeigen, wie eng staatliche Institutionen und private Betreiber dabei zusammengedacht werden müssen.“ Das Sicherheitsforum in Lüneburg bot Gelegenheit, um über die Verwundbarkeit des Gemeinwesens zu sprechen und gemeinsam robuste Lösungsansätze zu entwickeln.
Direkt zu Beginn beleuchteten der Landrat des Landkreises Lüneburg, Jens Böther, und IHKLW-Präsident Andreas Kirschenmann in einem Talkformat die zentralen Anforderungen an Unternehmen und Verwaltung. Kirschenmann betonte: „Sicherheit ist für viele Betriebe ein Wettbewerbsfaktor. Wer in Krisen handlungsfähig bleibt – sei es bei IT-Ausfällen, Lieferkettenstörungen oder Energieengpässen – sichert Wertschöpfung und Arbeitsplätze.“ Gesellschaft und Politik müssten sich, so Kirschenmann, „ehrlich machen: Wir sind verletzlich – und genau deshalb brauchen wir schnellere Entscheidungen, bessere Vorbereitung und eine realistische Priorisierung im Krisenfall.“ Mit Blick auf die Logistikdrehscheibe Norddeutschland und die regionalen Bundeswehrstandorte stellte Kirschenmann klar: „Für verlässliche militärische und zivile Transporte benötigen wir robuste Straßen- und Schienenwege, leistungsfähige Häfen, sichere IT- und Energienetze und eindeutige Prioritäten im Notfall. Ohne diese Infrastruktur kann die Wirtschaft ihren Beitrag zur Gesamtverteidigung nicht leisten.“
Landrat Böther wies darauf hin, dass „die Bedrohungslage spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs eine andere“ ist. „Unser Land erlebt schon heute massive Cyberangriffe, und auf darüberhinausgehende Szenarien müssen wir uns vorbereiten.“ Der Landkreis Lüneburg stelle sich dieser Aufgabe. Doch für Böther ist klar: Sensibilisierung der Bevölkerung und klare Abläufe in der Verwaltung reichen allein nicht – „wir sind im Ernstfall auf die Wirtschaft angewiesen, um Versorgung und Funktionsfähigkeit im Landkreis sicherzustellen.“ Der Austausch mit Nachbarkreisen, dem Land und dem Bund sei dafür entscheidend. Drei Maßnahmen sind laut Böther besonders wirkungsvoll: belastbare Kommunikationswege, klare Verantwortlichkeiten und Unternehmen, die Krisen- und Notfallpläne nicht nur haben, sondern aktiv leben.
Die IHKLW und der Landkreis Lüneburg arbeiten mit weiteren Partnern in der Arbeitsgruppe Integrierte Sicherheitspolitik in Nordostniedersachsen (INSPIN) eng zusammen. Initiator Andreas Kirschenmann sagte: „Mit INSPIN schaffen wir ein regionales Sicherheitslabor: Bundeswehr, Polizei, Politik und Wirtschaft arbeiten dort gemeinsam an Lösungen für Spannungs- und Verteidigungsfälle. Unsere Aufgabe als IHK ist es, die wirtschaftlichen Perspektiven einzubringen und klarzumachen, was Betriebe leisten können – und was nicht. Sicherheit entsteht nicht in Berlin allein. Sie entsteht dort, wo Unternehmen, Verwaltungen und Sicherheitsinstitutionen zusammenkommen: vor Ort in unserer Region.“ INSPIN entwickelt unter anderem Kommunikations- und Handlungsstrategien für Krisenlagen und stärkt die zivil-militärische Zusammenarbeit. Die Erkenntnisse fließen direkt in Formate wie das Sicherheitsforum ein – ein Zusammenspiel, das Kirschenmann als „Blaupause für regionale Sicherheitsstrukturen“ bezeichnete.
Das Sicherheitsforum hat deutlich gemacht: Nordostniedersachsen ist bereit, Verantwortung zu übernehmen und Sicherheit als strategische Gemeinschaftsaufgabe zu begreifen. Die IHKLW wird die Impulse aus der Veranstaltung aufgreifen, vertiefen und über INSPIN sowie weitere regionale Netzwerke verstetigen.
***
Weitere Statements:
Lena Düpont, Mitglied des Europäischen Parlaments (CDU/EVP-Fraktion)
„Deutschland befindet sich derzeit weder im Krieg noch in vollständigem Frieden. Diese veränderte sicherheitspolitische Realität müssen wir als Gesellschaft anerkennen und gemeinsam handeln. Jeder muss dafür ein Teil der Verantwortung übernehmen: der Staat, die Sicherheitsbehörden, Unternehmen, jeder einzelne von uns.“
„Deutschland befindet sich derzeit weder im Krieg noch in vollständigem Frieden. Diese veränderte sicherheitspolitische Realität müssen wir als Gesellschaft anerkennen und gemeinsam handeln. Jeder muss dafür ein Teil der Verantwortung übernehmen: der Staat, die Sicherheitsbehörden, Unternehmen, jeder einzelne von uns.“
Wolfgang Lohmann, Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder a. D.
(Impuls Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit)
„Deutschland muss vor dem Hintergrund der veränderten geopolitischen Lage auf ein breites Spektrum von Bedrohungen vorbereitet sein – von militärischen Konflikten über Cyberangriffe bis hin zu Naturkatastrophen. Die moderne Gesellschaft ist stark von funktionierenden Infrastrukturen (Energie, Wasser, Informationstechnologie, Kommunikation, Transport) abhängig. Angriffe auf diese Systeme können im militärischen Krisenfall dramatische Auswirkungen haben. Deshalb sind Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft auch unter Berücksichtigung militärischer Gesichtspunkte zu treffen.“
(Impuls Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit)
„Deutschland muss vor dem Hintergrund der veränderten geopolitischen Lage auf ein breites Spektrum von Bedrohungen vorbereitet sein – von militärischen Konflikten über Cyberangriffe bis hin zu Naturkatastrophen. Die moderne Gesellschaft ist stark von funktionierenden Infrastrukturen (Energie, Wasser, Informationstechnologie, Kommunikation, Transport) abhängig. Angriffe auf diese Systeme können im militärischen Krisenfall dramatische Auswirkungen haben. Deshalb sind Entscheidungen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft auch unter Berücksichtigung militärischer Gesichtspunkte zu treffen.“
Detlev Schürmann, Kriminologe und Polizeiwissenschaftler
(Impuls „Kriminalprävention & Urbane Sicherheit - Physischer Schutz kritischer Infrastrukturen“)
„Kriminalprävention und Urbane Sicherheit im Kontext Kritischer Infrastrukturen sind keine rein polizeilichen Aufgaben. Zur Steigerung der Resilienz des staatlichen Gemeinwesens als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind im Zusammenspiel staatliche wie nichtstaatliche Sicherheitsakteure gefordert.“
(Impuls „Kriminalprävention & Urbane Sicherheit - Physischer Schutz kritischer Infrastrukturen“)
„Kriminalprävention und Urbane Sicherheit im Kontext Kritischer Infrastrukturen sind keine rein polizeilichen Aufgaben. Zur Steigerung der Resilienz des staatlichen Gemeinwesens als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind im Zusammenspiel staatliche wie nichtstaatliche Sicherheitsakteure gefordert.“
Oberst Daniel Decker, Landeskommando Niedersachsen
(Impuls „Operationsplan Deutschland“)
„Gesamtverteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe. Hier müssen Alle mitwirken und zum Schutz Deutschlands beitragen. Resilienz ist eine Aufgabe, die bei jedem Bürger beginnt, aber gleichermaßen die kommunale Ebene und die Wirtschaft fordert.“
(Impuls „Operationsplan Deutschland“)
„Gesamtverteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe. Hier müssen Alle mitwirken und zum Schutz Deutschlands beitragen. Resilienz ist eine Aufgabe, die bei jedem Bürger beginnt, aber gleichermaßen die kommunale Ebene und die Wirtschaft fordert.“
Markus Böger, Niedersächsisches Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung, Sachgebietsleiter Wirtschaftsschutz
(Impuls „Ich habe Cyber - und nun?“)
„Eine Welt ohne ‚Cyber‘ gibt es nicht (mehr). Und der tolle Nutzen ist nicht ohne die ungewollten Risiken zu bekommen. Das ist leider die Realität, der wir ins Auge blicken müssen. Dies einfach zu ignorieren ist ein gefährlicher Weg, der nicht nur teuer, sondern auch existenzgefährdend sein kann. Blicken wir den Tatsachen in die Augen und versuchen, bestmöglich aufgestellt und vorbereitet zu sein.“
(Impuls „Ich habe Cyber - und nun?“)
„Eine Welt ohne ‚Cyber‘ gibt es nicht (mehr). Und der tolle Nutzen ist nicht ohne die ungewollten Risiken zu bekommen. Das ist leider die Realität, der wir ins Auge blicken müssen. Dies einfach zu ignorieren ist ein gefährlicher Weg, der nicht nur teuer, sondern auch existenzgefährdend sein kann. Blicken wir den Tatsachen in die Augen und versuchen, bestmöglich aufgestellt und vorbereitet zu sein.“
***
Lüneburg, 4. Dezember 2025
