Erläuterungen zum Warenursprung

Der Begriff des Warenursprungs wird im Außenhandel häufig verwendet. Genauso wie jeder Fluss einen Ursprung hat, hat auch jede Ware ihren Ursprung. Wie bei einem Fluss kann es jedoch Schwierigkeiten bereiten, den Ursprung festzustellen, wenn mehrere Teile in ein Endprodukt einfließen.
Im Ursprungsrecht wird zwischen dem nichtpräferenziellen und dem präferenziellen Ursprung unterschieden. Waren, die über einen präferenziellen Ursprung verfügen, erhalten bei der Zollabwicklung Vorteile. Sie können zu einem ermäßigten Zollsatz oder zollfrei eingeführt werden. Im Gegensatz zum präferenziellen Ursprung gilt der nichtpräferenzielle, auch handelspolitisch genannte Ursprung für alle Waren und nicht nur für bestimmte Warenkreise.

Nichtpräferenzieller, handelspolitischer Ursprung

Die Bestimmungen des nichtpräferenziellen, handelspolitischen Ursprungs sind für alle EU-Mitgliedsstaaten einheitlich geregelt im Unionszollkodex (UZK). Jeder Ware kann auf Grund ihrer Entstehungsgeschichte ein handelspolitischer, allgemeiner Ursprung zugewiesen werden. Der Nachweis des handelspolitischen Ursprungs ist bei vielen Empfangsländern zwingende Voraussetzung für die Einfuhr. Dieser handelspolitische, nichtpräferenzielle Ursprung wird ausschließlich durch ein Ursprungszeugnis der Industrie- und Handelskammern (IHKs) nachgewiesen. Rechtsgrundlage ist der Zollkodex der EU.
Grundsätzlich akzeptiert das Importland die Ursprungsermittlung nach den Regeln des Exportlandes. Das nichtpräferenzielle Ursprungsrecht basiert, von Ausnahmen abgesehen, nur auf zwei Ursprungsregeln:
  • Vollständiges Gewinnen oder Herstellen (Art. 60 Abs. 1 UZK, Art. 31 UZK-DA)
  • Ausreichende Be- oder Verarbeitung (Artikel 60 Abs. 2 UZK)

Vollständige Herstellung

Nach Artikel 60 UZK haben Waren, die vollständig in einem Land gewonnen oder hergestellt worden sind, ihren Ursprung in diesem Land. Eine vollständige Herstellung liegt dabei nicht schon dann vor, wenn der Herstellungsvorgang als solcher im Herstellungsland stattfindet. Es kommt vielmehr darauf an, dass die verwendeten Vormaterialien selbst aus dem Herstellerland stammen.

Ausreichende Be- oder Verarbeitung

Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.
Diese Ursprungsregel trägt insbesondere den häufig praktizierten arbeitsteiligen Prozessen Rechnung, die im Ergebnis mehrere Unternehmen an der Gesamtherstellung einer Ware zum Inhalt haben. Andererseits werden im Produktionsprozess Vormaterialien mit Ursprung in den verschiedensten Ländern der Welt verwendet. Der Ursprungserwerb orientiert sich in der Europäischen Gemeinschaft - die weltweiten Vorstellungen weichen an dieser Stelle voneinander ab - an der Verarbeitungstiefe, wonach eine Ware nur dann ursprungsbegründend der Volkswirtschaft eines Landes zuerkannt werden soll, wenn die durchgeführte Be- oder Verarbeitung von erheblicher Bedeutung war. Im Ergebnis müssen die Produktionsschritte eine neue Ware ergeben oder zumindest eine wesentliche Herstellungsstufe ausmachen. Die Wesentlichkeit orientiert sich in erster Linie an der Verarbeitungstiefe und an den hierdurch einer Ware verliehenen Eigenschaften und Beschaffungsmerkmalen. Der Ursprung einer Ware kann daher nur auf den konkreten Einzelfall bezogen ermittelt werden.
Ein Beispiel: Aus Ungarn wird ein Fahrradschlauch importiert, bei dem das Ventil fehlt, aus Tschechien kommt das notwendige Ventil. Das Ventil wird in Deutschland in einem dazu eingerichteten Betrieb einvulkanisiert, es entsteht ein gebrauchsfähiger Fahrradschlauch. Der Ursprung dieses Produktes wäre in Deutschland.
Allerdings: Einfaches Zusammenschütten, Entstauben, Auswechseln von Umschließungen, einfaches Zusammenfügen von Teilen und das Anbringen von Warenmarken gelten für sich betrachtet nicht als ursprungsbegründend.
Für bestimmte Warengruppen, zum Beispiel mit der Hauptware zu liefernde, betriebsnotwendige - auch später nachgelieferte - Ersatzteile existieren darüber hinaus besondere Ursprungsbestimmungen. Diese Regeln sind in den Anhängen zur Durchführungsverordnung zum Zollkodex enthalten.
Dokumentiert wird der nichtpräferenzielle, handelspolitische Warenursprung mit dem Ursprungszeugnis der IHKs.

Präferenzieller Ursprung

Bei dem präferenziellen Ursprung steht ein anderer Gedanke im Vordergrund als beim nichtpräferenziellen Ursprung. Die Europäische Gemeinschaft (EG) hat mit vielen Staaten Abkommen geschlossen, genannt auch Präferenzabkommen, die den Warenverkehr mit diesen Staaten bevorzugen soll. Ware mit Präferenzursprung genießt eine Zollvergünstigung oder komplette Zollaussetzung. Die präferenzielle Ursprungseigenschaft muss nach den Ursprungs- und Bearbeitungsregeln der jeweiligen Abkommen erlangt werden. In diesen Abkommen werden der begünstigte Warenkreis und die vorzunehmenden Be- oder Verarbeitungsschritte exakt festgelegt. Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung von Zollvorteilen ist die Vorlage der jeweils vorgesehenen Nachweise (zum Beispiel Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1). Der Nachweis des präferenziellen Ursprungs ist freiwillig und in der Regel keine Voraussetzung für die Einfuhr einer Ware. Falls die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, hat die Waren keinen präferenziellen Ursprung. Falls dennoch ein Ursprungsnachweis erforderlich ist, bleibt die Ursprungsfindung nach dem oben genannten allgemeinen Ursprungsrecht. Zuständige Behörde für den präferenziellen Ursprung ist in Deutschland die Zollverwaltung.