So managt die regionale Wirtschaft die Energiekrise

Nach den herausfordernden Zeiten der Pandemie mit Schließungen, Auflagen und unterbrochenen Lieferketten sorgt nun der Überfall Russlands auf die Ukraine für steigende Gas- und Strompreise. Das trifft auch die regionale Wirtschaft hart.
Axel-Schulz Hausbrandt
Axel Schulz-Hausbrandt hält die Gaspreisbremse für elementar wichtig. © Andreas Tamme
Axel Schulz-Hausbrandt, Geschäftsführer der Privatbrauerei Wittingen GmbH in Wittingen, blickt mit Sorge auf die nächsten Monate. „Die Bierbrauerei ist eine energieintensive Produktion.“ Bisher wird vor allem Gas benötigt, die Kühlung der Lagertanks läuft über Strom. „Über die gesamte Lieferkette hinweg haben wir es aktuell mit massiven Preissteigerungen zu tun.“ 
Die Vorproduzenten von benötigten Laugen und Säuren zur Reinigung, aber auch die Braumalz- und Verpackungsmaterial-Hersteller sowie die Glashütten, von denen die Brauerei ihre Flaschen bezieht, kämpfen mit gestiegenen Produktionskosten. „Da die Märkte aber aufgrund von Corona immer noch arg angespannt sind, können wir unsere gestiegenen Kosten nicht in voller Höhe mit entsprechend höheren Verkaufspreisen kompensieren.“ Alternativen gebe es kaum, zudem möchte Schulz-Hausbrandt die Privatbrauerei weiterhin überwiegend regional verwurzelt haben. „Wir befinden uns in einer Zwickmühle.“
Gaspreisbremse ist sinnvoll 
Um zukunftsfähig zu bleiben, investiert der Unternehmer, der sich in der Vollversammlung unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg (IHKLW) engagiert. in die Effizienz seiner Produktionsstätten, demnächst soll eine neue Kälteanlage installiert werden, auch über den Einsatz von Fotovoltaik werde nachgedacht. 
Von Subventionen seitens der Politik hält er nichts. „Die würden nicht wirklich helfen und kommen für die meisten Unternehmen ohnehin zu spät. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Energiepreise gedeckelt werden müssen, wie es ja von der Bundesregierung auch geplant ist – als Unternehmen brauchen wir planbare Sicherheiten.“ 
Auch unsere IHKLW bewertet die sogenannte Gaspreisbremse als positiv. Immerhin verbraucht der Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistungen 13 Prozent des gesamten Energieabsatzes. Trotzdem, so warnte Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, „liegen zwei wirtschaftlich herausfordernde Winter vor den Unternehmen. Gaseinsparung und große unternehmerische Anstrengungen bleiben auch in der Wirtschaft zentral, um durch die Energiekrise zu kommen“. 
An die neue niedersächsische Regierung hat unsere IHKLW konkrete Forderungen: Unter anderem soll die Energieversorgung mit allen verfügbaren Energiequellen sichergestellt und gleichzeitig der Ausbau von Wasserstoff und erneuerbarer Energien unbürokratisch weiter ausgebaut werden. Zur Energiekrise hatte die IHKLW-Vollversammlung im September auch eine Resolution erlassen. 
Kaum Alternativen zu fossiler Energie
Chrisoph Rädecke in seiner Produktionshalle im Porträt
Hohe Preise für Energie und Rohstoffe sowie Fachkräftemangel in der Logistik: Christoph Rädecke stellt sich auf ein herausforderndes Jahr ein. © Andreas Tamme
Christoph Rädecke, Geschäftsführer des in diesem Jahr 150-jähriges Bestehen feiernden Dachproduzenten C. Hasse & Sohn in Uelzen, stellt sich auf ein wirtschaftlich herausforderndes Jahr ein. Bisher werden die Dächer, Dämmstoffe, Abdichtungen und bauchemischen Elemente, die das Unternehmen vertreibt, ausschließlich mit Hilfe von elektrischer und fossiler Energie hergestellt. „Kraft-Wärme-Kopplung ist derzeit keine Alternative für uns, da wir ein sehr hohes Temperaturniveau benötigen“, so Rädecke, ehrenamtlicher IHKLW-Vizepräsident. Vor zehn Jahren erst habe der Betrieb von Öl auf Gas umgestellt, der alte Öltank sei zwar noch vorhanden – „der Schritt zurück wäre trotzdem schwierig“. Und: Auch Heizöl und Diesel müssen importiert werden, zum Teil aus Russland. Um trotzdem einigermaßen flexibel zu sein, werde an einem sogenannten Zweistoffbrenner geplant, der in der Lage ist, sowohl flüssige als auch gasförmige Brennstoffe abwechselnd oder gleichzeitig zu verbrennen: „Im Moment wissen wir allerdings noch nicht, ob das für uns funktionieren wird – und wann.“ 
Das Uelzener Unternehmen kämpft auch mit den gestiegenen Einkaufspreisen anderer benötigter Rohstoffe. Längere Transportwege zu anderen Raffinerien verteuerten die Frachtraten zusätzlich. „Gleichzeitig gibt es zu wenig Fernfahrer, da die Speditionen in Polen, mit denen unsere Lieferanten seit langem zusammenarbeiten, viele ukrainische Beschäftigte hatten, die nun ausfallen, weil sie ihr Land verteidigen“, so Rädecke. „Wir haben es aktuell mit einer Gemengelage verschiedener Probleme zu tun, die uns vor wirklich große Herausforderungen stellt.“ 
Zum Teil musste das Unternehmen, wie schon 2021, die Produktion zurückfahren, beispielsweise, als im Februar von einem Tag auf den anderen Rohstoffe wie etwa Glasfaservliese und bestimmte Kunststoffe fehlten. 
Im Bereich Landwirtschaft ist die Situation noch dramatischer. Dort sind die Rahmenbedingungen ohnehin schwierig, wetterbedingt teils unberechenbar und es gibt wenig finanziellen Spielraum. Nun drücken auch noch die Energiepreise die mageren Margen.
Landwirtschaft besonders gebeutelt
Beim Rudolf Peters Landhandel in Winsen/Luhe, bei dem viele Landwirte der Region Saatgut, Dünger und Pflanzenschutz beziehen und oft erst mit der Ernte im darauffolgenden Jahr bezahlen, ist der wirtschaftliche Druck zu spüren. „Während produzierende Unternehmen zum Teil mit Umsatzrenditen von 20 Prozent rechnen, liegen diese für uns eher bei einem Prozent“, so der kaufmännische Leiter Hans-Peter Winkelmann.
Peter Winkelmann hockt vor einem Maishaufen
Peter Winkelmann vom Rudolph Peters Landhandel geht von Preiserhöhungen aus. © Andreas Tamme
„Wir fragen uns, an welcher Stelle der Wertschöpfungskette wir die Mehrkosten überhaupt noch weitergeben können. In unserem Fall sind das meist die eh schon arg gebeutelten Landwirte. Am Ende des Tages wird die Last der Inflation beim Verbraucher landen. Viele Preiserhöhungen werden sich erst in den kommenden Monaten bemerkbar machen“, ist er überzeugt.
Mehrkosten werden beim Konsumenten landen
Tatsächlich hat das Unternehmen seine Preise für die besonders energieintensive Trocknung jetzt massiv angehoben. Die Anlage wird vor allem mit Gas, zum Teil mit Öl betrieben. Dazu gibt es elektrische Lüftungs- und Kühlvorrichtungen für die Lagerung. „Da fließt viel Energie rein, vor allem im vierten Quartal, wenn die gelagerte Menge noch groß ist“, so Winkelmann. Echte Alternativen gebe es nicht. Und: „Gerade weil die Ukraine aktuell als Getreidelieferant ausfällt, braucht Deutschland die eigenen Ernten dringend.“  Anne Klesse