Arbeitswelt im Wandel

Der Wandel der Arbeitswelt ist in vollem Gange. Was bedeutet das für Unternehmen, die sich zukunftsfest aufstellen möchten? Antworten gibt Kommunikationstrainerin und Coach Carolin Meyer.
Der Wandel der Arbeitswelt ist in aller Munde. Worüber reden wir da eigentlich, was ist aktuell los?
Wir erleben derzeit, dass viele zukunftsweisende Trends der letzten Jahre in ihrer Dynamik noch einmal deutlich Fahrt aufgenommen haben. Die Digitalisierung und Globalisierung sind dabei natürlich schon für sich allein betrachtet große Themen, die massive Umwälzungen mit sich gebracht haben und täglich weiter mit sich bringen. Was wir aber aktuell besonders spüren, sind die Effekte, die sich durch den enormen Wissenszuwachs der letzten Jahre ergeben. Jeden Tag steigt die Menge des verfügbaren Wissens. Und dieses Wissen ist im digitalen Zeitalter praktisch für jeden und jederzeit verfügbar. Der schier unbegrenzte Zugang zu Wissen und die enorme Geschwindigkeit, mit der Wissen verarbeitet und geteilt werden kann, führt zu tiefgreifenden disruptiven Veränderungen der Arbeit und Zusammenarbeit. Dabei entsteht ein Zustand, für den wir in den letzten Jahren den Begriff VUKA erfunden haben – die Abkürzung steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. VUKA ist ein Schlagwort, das unmittelbar mit dem Wandel der Arbeit verknüpft ist. Es meint den Zustand und das Gefühl, das entsteht, wenn unsere bisherige Arbeitswelt ins Wanken gerät und das Neue sich erst langsam herausbildet. In diesem Zustand befinden wir uns aktuell.
Unternehmen müssen sich all diesen disruptiven Trends stellen und gleichzeitig die Fachkräftesicherung stemmen. Wer nach Lösungen sucht, stolpert schnell über den Begriff New Work. Was genau ist damit gemeint?
In der VUKA-Welt brauchen wir andere Bewältigungs- und Problemlösungsstrategien als in der alten Welt. Der Begriff New Work umfasst zunächst einmal alle Maßnahmen, die dazu dienen sollen, diese neuen Strategien zu unterstützen. Die Maßnahmen, die in der Praxis unter New Work subsummiert werden, haben eine sehr große Spannweite. New Work ist bislang kein scharf umrissener Begriff, der für eine ganz bestimmte Art des Arbeitens steht. New Work ist also mehr ein Containerbegriff, der versucht, das zusammenzufassen, was bei der Bewältigung der VUKA-Welt helfen kann. Deswegen verbergen sich hinter diesem Begriff häufig ganz unterschiedliche Ideen und Ansätze: technische Lösungen, wie die Einführung von Kollaborationstools; neue Managementansätze, wie Führen auf Augenhöhe und flache Hierarchien; neue Organisationsformen, wie agile Teams und Selbstorganisation; neue Raumkonzepte, wie Co-Working und Open-Space-Büros. Wir fassen unter den Begriff New Work alle neuen Ansätze zusammen, die die Arbeitswelt aktuell zu bieten hat.
Welches Mindset brauchen die Fachkräfte der Zukunft?
In der neuen Welt haben wir es mit andersartigen Problemen zu tun als in der alten Welt. Früher waren die meisten Probleme kompliziert, heute jedoch zunehmend komplex. Der Unterschied ist folgender: Bei komplizierten Problemen finde ich eine Lösung, indem ich das Problem zerlege, die einzelnen Teile bearbeiten lasse und die Ergebnisse dann wie Puzzleteile zusammenfüge. Bei komplexen Problemen jedoch ist das Wissen nur unvollständig vorhanden und häufig ändern sich auch immer wieder neu die Rahmenbedingungen. Der Lösungsweg ist bei komplexen Problemen daher nicht im Vorhinein planbar, sondern ergibt sich erst schrittweise im gemeinsamen Tun.
Carolin Meyer ist seit 18 Jahren als freiberufliche Trainerin, Dozentin und Referentin rund um die Themen Kommunikation und Führung tätig. Aktuell trainiert, berät und schult sie vor allem zu den Themen Transformation und New Work. Außerdem veröffentlicht sie regelmäßig eigene Artikel zu Fragen der Zukunftsgestaltung. Ihr Interesse gilt der konkreten Umsetzung neuer Konzepte im Unternehmenskontext und den psychologischen Effekten von New Work.
Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Das beste Beispiel dafür ist die Corona-Pandemie. Was wir für die Lösung komplexer Probleme brauchen, ist die Fähigkeit, uns in unbekannten Situationen mit dynamischen Variablen immer wieder neu zurecht zu finden. Dafür benötigen wir erstens die Fähigkeit miteinander zu kollaborieren, das heißt wir müssen selbstorganisiert, eng verzahnt zusammenarbeiten und Schritt für Schritt gemeinsam Erkenntnisse gewinnen und teilen. Zweitens müssen wir den Status quo immer wieder neu einem kritischen Denkprozess unterziehen und bestehende Regeln im aktuellen Kontext hinterfragen und gegebenenfalls anpassen. Das setzt drittens voraus, dass wir die Widersprüchlichkeit aushalten, wenn Dinge, die bis vor kurzem noch als gut und richtig galten, plötzlich nicht mehr passen, weil sich das Bedingungsgefüge verändert hat. Im Fachjargon nennen wir diese Fähigkeit Ambiguitätstoleranz. Das alles ist in der Summe schon eine sehr große Herausforderung, die den Fachkräften von morgen viel abverlangt. Daher ist aus meiner Sicht das Thema Selbstmanagement der vierte wichtige Teil eines Mindsets, das fit für die Zukunft macht.
Und welches Mindset brauchen die Führungskräfte?
Die Rolle der Führungskräfte verändert sich massiv, wenn sich die Anforderungen an die Mitarbeitenden ändern. Die wesentliche Führungsaufgabe besteht im Moment darin, Mitarbeitende fit für die Zukunft zu machen, das heißt sie dabei zu unterstützen, in komplexen Zusammenhängen zu arbeiten. Das erfordert eine gänzlich andere Herangehensweise als die, die uns aus der alten Welt bekannt ist. Jahrzehnte haben wir sehr erfolgreich nach dem Leistungsprinzip gearbeitet. Führungsinstrumente waren Zielvereinbarungsgespräche, Leistungsbeurteilungen und damit verbunden auch immer eine gewisse Wettbewerbssituation zwischen Mitarbeitenden. Motivation erfolgte durch die Aussicht auf mehr Verantwortung und den Aufstieg innerhalb der Hierarchie. Das alles ist jedoch in der VUKA-Welt und beim Lösen komplexer Probleme hinderlich. In der VUKA-Welt entwickelt sich die Rolle der Führungskraft zum Coach. Die Aufgabe der Führungskräfte ist es, Menschen zu ermutigen und dabei zu begleiten, sich in unbekanntes Terrain vorzuwagen und neue Erkenntnisse gemeinsam schrittweise aufzubauen. Das Leistungsprinzip wird durch das Agilitätsprinzip abgelöst. Führungskräfte führen, indem sie Mitarbeitende auf Augenhöhe begegnen, sich als Sparringspartnerin oder -partner anbieten, eigene Unwissenheit bekennen und Vertrauen in die Lösungsfähigkeit der Mitarbeitenden zum Ausdruck bringen. Motivation erfolgt durch psychologische Sicherheit, durch Arbeiten in Netzwerken und die Gewissheit, gemeinsam mit anderen lernen und wachsen zu dürfen.
Das Arbeiten im Netzwerk erfordert neue Strukturen in Unternehmen – welche?
Wenn ich es mit komplexen Problemen zu tun habe, dann komme ich in hierarchischen Strukturen schnell an meine Grenzen. Ich muss also Strukturen schaffen, die die Komplexität und Dynamik der Situation widerspiegeln. Das gelingt am besten in Netzwerken, denn dort entwickelt sich eine motivationale und wissensbezogene Dynamik, die ich zur Lösung von komplexen Problemen brauche. Netzwerke sind also ein wichtiges Korrektiv bei komplexen Problemen.
Wie gelingt Unternehmen diese Transformation?
Netzwerkstrukturen und hierarchische Strukturen sind zunächst einmal vollkommen gegensätzliche Organisationsformen, die nach teils widersprüchlichen Grundprinzipien funktionieren. Der Sprung von der einen in die andere Welt nennen wir Transformation. Das gelingt nicht, indem ich Unternehmen und Organisationen ad hoc versuche, komplett umzukrempeln. Vielmehr kommt es da­rauf an, das Wissen um die Unterschiedlichkeit von komplizierten und komplexen Problemen zu einem neuen Basiswissen unter den Mitarbeitenden zu machen und die Erkenntnis zu festigen, dass wir zukünftig immer wieder situativ neu entscheiden müssen, welche Herangehensweise für die jeweils vorliegende Aufgabe am geeignetsten erscheint. Das setzt eine große Flexibilität bei allen Beteiligten voraus, weil wir die Art der Führung und Zusammenarbeit immer an die aktuelle Aufgabe anpassen müssen. Wir werden daher zukünftig sehr viel mehr metakommunikativ über unsere Führung und Zusammenarbeit sprechen müssen als bisher. Der Wandel der Arbeit beginnt damit, dass wir das Was und Warum von Transformation und New Work erklären und allgemein verständlich machen.
Sandra Bengsch

IHKLW-Netzwerk „Generationen meistern“
Das IHKLW-Netzwerk „Generationen meistern“ bietet Unternehmerinnen, Unternehmern, Führungskräften und Personalverantwortlichen eine Plattform, um die Potenziale und Denkweisen der unterschiedlichen Generationen in der Belegschaft besser zu verstehen und erfolgreich zu nutzen. Im Fokus stehen ältere Mitarbeitende und Führungskräfte (50+), die in Unternehmen oft eine Schlüsselrolle einnehmen. Ziel ist es, die Teilnehmenden beim Generationenwechsel zu unterstützen. Das Netzwerk bietet einen Austausch auf Augenhöhe, unterstützt beim Wissenstransfer, informiert über neue Trends der Altersforschung und bietet Gelegenheit, potenzielle Gesprächspartner für sensible Themen zu finden. Regelmäßig finden dazu Veranstaltungen statt.
Ansprechpartnerin ist IHKLW-Beraterin Kirstin Borgwardt, Tel. 04131 742-476, kirstin.borgwardt@ihklw.de

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