Bauen mit Erdwärme

Erst wenige Wochen ist es her, dass Harald Gründel die Energieversorgung des neuen Lüneburger Stadtquartiers Am Wienebütteler Weg präsentiert hat. Vor privaten Grundstücksinteressenten sprach der Projektleiter über das smarte Erdwärmenetz, mit dem sein Arbeitgeber Avacon Natur die geplanten 360 Wohneinheiten versorgen will. Von Photovoltaik und Solarenergie hat wohl jeder schon gehört. Wie die Wärmegewinnung über Wärmepumpen in Verbindung mit Geothermie funktioniert, ist für viele jedoch neu, sagt der 47-Jährige. Dabei werde die sogenannte oberflächennahe Geothermie immer beliebter. Oberflächennah bedeutet, dass die im Erdreich gespeicherte Wärme in den oberen 400 Metern genutzt wird. Je nach klimatischen und geologischen Verhältnissen liegt das natürliche Temperaturniveau in Mitteleuropa dort bei etwa 10°C. Weil diese Art von Wärmenetz mit niedrigen Übertragungstemperaturen arbeitet, spricht man auch von Kalter Nahwärme.
Vorteile von Kalter Nahwärme
Die Hauptargumente für diese Art der Wärmegewinnung, bei der zunächst einmal keine fossilen Brennstoffe zum Einsatz kommen, sind laut Harald Gründel vielfältig. Im Gegensatz zu Geräten, die sich aus der Luft speisen, gibt es bei den eingesetzten Sole-Wasser-Wärmepumpen keinerlei Schall-Emissionen, sagt der Experte, der im Unternehmen für den Vertrieb von Fernwärme in Lüneburg und Reppenstedt zuständig ist. Auch werde dem Boden anders als bei Systemen, die mit Grundwasser arbeiteten, kein Wasser entzogen. „Im Sommer besteht zusätzlich die Möglichkeit, mittels kühlerer Erdtemperatur die Räume etwa über die Fußbodenheizung herunter zu kühlen.”
Bereits vor vier Jahren war Avacon mit Bohrungen in 180 Meter Tiefe gestartet, um im Rahmen eines sogenannten „Geothermal Response Tests“ das Erdreich zu erkunden und eine Netzsimulation zu erstellen. Zum technischen Konzept, das sich zu einem großen Teil auf Geothermie stützt, gehören nun 184 Bohrungen für die Erdsonden. Diese werden mit einem Wasser-Glykol-Gemisch befüllt sein, das im Rahmen eines geschlossenen Systems Wärme aus dem Untergrund aufnimmt und zur Wärmepumpe in den einzelnen Häusern transportiert.
Das Erdreich als Wärmequelle
Dass die Realisierung dieser als besonders effizient geltenden Technik in einem Neubaugebiet günstiger ist, als im Bestand nachzurüsten, wird schnell deutlich, wenn man sich damit auseinandersetzt, wie die Kombination von Wärmepumpe und Geothermie genau funktioniert.
Hier informiert zum Beispiel die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen (KEAN, www.klimaschutz-niedersachsen.de), deren Aufgabe es ist, die Energiewende voranzutreiben. KEAN führt aus, dass für den Betrieb der Pumpe drei verschiedene Systemarten zur Verfügung stünden: bereits genannte vertikale Erdwärmesonden, horizontale Erdwärmekollektoren und sogenannte Erdwärmekörbe. Die notwendige Länge der Sonden bzw. die Tiefe der Bohrungen hinge vom Wärmebedarf des Gebäudes sowie der Wärmeleitfähigkeit des Untergrunds ab. Zudem müsse beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) geklärt werden, ob und wo diese überhaupt niedergebracht werden dürften.
Erdwärmekollektoren hingegen, die oberflächennah ähnlich einer Fußbodenheizung verlegt werden, seien nicht genehmigungspflichtig und daher in der Regel kostengünstiger. Mögliche Einschränkung: Der Bedarf an nicht versiegelter Grundstücksfläche sei größer. Eine Alternative zu beiden genannten Systemen sind sogenannte Erdwärmekörbe – korbähnlich spiralförmig gewundene Rohre, die in bis zu vier Meter Tiefe vergraben werden. Die kompakten Körbe sind platzsparender als Kollektoren und günstiger als Sonden, weil tiefe Bohrungen entfallen.
Förderungsmöglichkeiten für Unternehmen
Beispiel für eine besondere Gewinnung von Erdwärme durch Sonden ist das viereinhalb geschossige Verwaltungsgebäude der VGH-Regionaldirektion Lüneburg, das bereits Ende 2002 bezogen wurde. Um den mehr als 4.500 Quadratmeter großen Komplex mit Hilfe von Geothermie zu heizen und zu kühlen, wurden insgesamt 101 Gründungspfähle mit einer Länge zwischen 17 und 22 Metern thermisch aktiviert, d. h. mit Rohrschleifen versehen. Ziel war es, bei der Pfahlgründung Synergieeffekte zu nutzen, die auf das Energiekonzept einzahlen.
Unternehmen, die an ihrer Nachhaltigkeit arbeiten und eine klimafreundliche Heizung einbauen wollen, können sich über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) informieren, etwa bei der KfW Bank (). Die Avacon Natur profitiert als Netzbetreiber von der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) für die Konzeptionierung, Planung und Realisierung des gesamten Versorgungssystems. Dadurch können wir den Kund*innen einen besseren Anschlusspreis bieten, so der Versorgungstechnikingenieur Harald Gründel.
Laut aktueller Planung soll die Wärmeversorgung am Wienebütteler Weg Mitte des Jahres, zumindest provisorisch, in Betrieb genommen werden. „Wir bekommen bislang viel positives Feedback“, sagt der Projektleiter. „Die Einstellung in der Gesellschaft hat sich verändert.“ Das sehe man auch bei den Bewerber*innen im eigenen Unternehmen. „Sie wollen mit ihrer Arbeit einen positiven Beitrag zur Energiewende leisten.“ Alexandra Maschewski