Austausch von Wissen ist keine Einbahnstraße
Gut 20 Auszubildende werden aktuell bei Uniper im Kraftwerk Staudinger in Großkrotzenburg von Stefan Burgard und Florian Tippelt auf ihrem Weg zu Elektrikern und Industriemechanikern begleitet. Die beiden Ausbilder, die seit 2004 (Burgard) und 2013 (Tippelt) am heutigen Uniper-Standort in Großkrotzenburg tätig sind, legen großen Wert auf eine individuelle Herangehensweise beim Vermitteln der Lehrinhalte. Eine Aufgabe, die sich in den vergangenen Jahren gewandelt hat.
Stefan Burgard (links) und Florian Tippelt präsentieren bei Uniper im Kraftwerk Staudinger einen ganzen Schrank voller ausrangierter Technik, die auch in der Ausbildung zum Einsatz kommt.
Eine grundlegende Veränderung verankern die beiden Ausbilder direkt beim Start in die Lehrjahre. „Der Einstieg in die Berufswelt hat sich für uns erschwert, denn das technische Grundverständnis, das vor ein paar Jahren bei den Azubis noch vorhanden war, ist heute fast weg. Damals hatte beispielsweise fast jeder Azubi schon mal an einem Mofa rumgeschraubt und dadurch Grundkenntnisse erhalten“, benennt Florian Tippelt eine Komponente, bei der heutige Lehrlinge aus dem ländlichen Raum noch besser abschneiden als Städter. Konkret bedeutet das für Florian Tippelt und Stefan Burgard, dass „viel erklärt werden muss, was früher Grundwissen war“.
Die beiden Ausbilder müssen nicht nur prinzipiell mehr erklären, sondern auch im Allgemeinen für eine engere Betreuung sorgen, wie Stefan Burgard beim Rundgang durch den großzügigen Ausbildungstrakt auf dem Kraftwerksgelände sagt: „Die Betreuung ist intensiver geworden. Das fängt damit an, dass wir schauen müssen, dass der Arbeitsplatz sauber gemacht wird – das schließt das ordentliche Kehren mit ein. Wir nennen das den Besenführerschein.“ Aber die Wissensvermittlung verläuft nicht nur in eine Richtung, wie der 59-jährige Stefan Burgard betont: „Ich muss mich als Ausbilder ständig weiterentwickeln. Das ist aber auch das spannende daran, denn im Vergleich mit Gleichaltrigen sehe ich, dass ich dadurch jünger bleibe.“ Als Beispiel nennt der Elektromeister die Technik. Denn der Ausbilder hat kein Problem damit, sich Apps oder andere moderne Technik von seinen Azubis erklären zu lassen: „Ich hatte mich mal mit einem mechanischen Winkelmesser abgemüht, bis ein Auszubildender vorbeikam und das ruckzuck mit einer App ausgemessen hat“, erzählt Stefan Burgard lachend. Der Austausch von Wissen ist also keine Einbahnstraße.
Ebenfalls verändert hat sich die Einbindung von Technik, was auch zu Problemen führen kann. Denn die Smartphones können im Arbeitsalltag Ablenkung sein. Anstatt ein striktes Handyverbot einzuführen, versuchen die beiden Ausbilder die Technik in den Arbeitstag zu integrieren etwa durch das Verwenden von Apps. „Ein Verbot würde nur dazu führen, dass die Azubis ständig auf die Toilette gehen, um aufs Handy schauen zu können“, begründen die beiden Ausbilder ihre Entscheidung.
Der modernen Technik haben Florian Tippelt und Stefan Burgard im Ausbildungstrakt einen ganzen Schrank voll von historischer Technologie entgegenzusetzen. Zu finden ist dort ausgediente und teilweise kaputte Technik, die noch zu Anschauungszwecken dient. Diese Stücke können auch gerne für Referate mit in die Berufsschule genommen werden. Oder sie werden im Zuge der praktischen Ausbildung im Kraftwerk rausgeholt – inklusive des stilechten Geruchs von durchgeschmorter Elektrik, der dann durch den Flur des Ausbildungstraktes zieht.
Die Azubis haben im Kraftwerk Staudinger einen eigenen Bereich mit Werkbänken, aufgeteilt nach Ausbildungsjahr, modernen Computerarbeitsplätzen, Schweißplätzen, Aufenthaltsraum und natürlich einer Werkstatt. Ein Ort, an dem sich die Auszubildenden entfalten können. Dazu möchten auch die beiden Ausbilder beitragen – gerne über die Lehrjahre hinaus. Einmal im Jahr organisieren die Auszubildenden eine Grillfeier, zu der auch ehemalige Lehrlinge eingeladen werden und auch gerne kommen. Dabei komme es auch immer mal wieder zu denkwürdigen Momenten, wenn sich beispielsweise Ausbilder und ehemalige Azubis nach zehn Jahren wiedersehen: „Wenn dieser Azubi, mit dem nicht immer alles reibungslos gelaufen ist, dann ankommt und sagt: ‚Herr Burgard, ohne Sie wäre ich meinen Weg nicht gegangen‘, dann ist das einfach nur schön“, erzählt Stefan Burgard.
Sowieso sieht sich der Ausbilder „zwischen Respektsperson und Familie. Immerhin verbringen wir hier auf der Arbeit mehr Zeit miteinander als mit manchen Familienmitgliedern“. Dem kann der 42-jährige Florian Tippelt nur zustimmen, daher bemühen sich die beiden Ausbilder um einen flexiblen Umgang mit den Auszubildenden. Was sich etwas sperrig anhört, meint kein Vorgehen nach Schema F, sondern eine individuelle Herangehensweise. Es wird also nicht jeder Lehrling gleichbehandelt, beispielsweise ist bei einem zusätzlich ein enger Austausch mit den Eltern nötig, bei einem anderen nicht. „Wir haben beide unsere eigene Art, das Wissen zu vermitteln und die Azubis anzusprechen. Eins gilt aber für uns beide, ein stures Vorgehen funktioniert nicht“, erklärt Florian Tippelt. „Die Ansprache ist nicht so steif“, ergänzt Stefan Burgard, der im September gemeinsam mit Florian Tippelt neue Lehrlinge bei Uniper im Kraftwerk Staudinger begrüßt.
Autorin: Julia Meiss
Veröffentlichung: September 2025
Veröffentlichung: September 2025
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