Das Schutzschirmverfahren

Das Schutzschirmverfahren im Insolvenzrecht eignet sich für Betriebe, denen zwar das Geld auszugehen droht, die aber noch nicht zahlungsunfähig sind. In unserem Merkblatt informieren wir über die Möglichkeiten, wie Sie das Schutzschirmverfahren zur Sanierung Ihres Unternehmens nutzen können.
Das deutsche Insolvenzrecht sieht mit dem Schutzschirmverfahren eine besondere Form der Eigenverwaltung für Betriebe vor, denen zwar das Geld auszugehen droht, die aber noch nicht zahlungsunfähig sind

Insolvenzverfahren

Naturgemäß ist der Begriff „Insolvenz“ negativ belegt und wird mit Firmenschließungen und Entlassungen verbunden. Dieses Zerrbild trägt dazu bei, dass die Möglichkeiten der Unternehmenssanierung während des Verfahrens aus dem Blick geraten.
Viele Unternehmen wären möglicherweise sanierungsfähig, wenn die Unternehmer rechtzeitig über eine Sanierung unter Insolvenzschutz nachdenken und sich professionell begleiten lassen würden, damit nicht wertvolle Zeit verloren geht, die für die Neuausrichtung des Unternehmens genutzt werden könnte.

Das Schutzschirmverfahren

2012 wurde in Deutschland ein neues Verfahren installiert, das sog. Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO). Dieses Verfahren nimmt das in den USA gängige Chapter-11-Verfahren zum Vorbild.
Ziel des Schutzschirmverfahrens ist es, die Eigenverwaltung zusätzlich zu stärken, um so weitere Anreize zur frühzeitigen Sanierung zu setzen.
Das Schutzschirmverfahren ist ein gerichtliches Sanierungsverfahren. Liegt lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, so bietet das Schutzschirmverfahren dem Unternehmer die Chance, unter dem Schutz eines besonderen Verfahrens in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan aufzustellen, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzplan durchgeführt werden soll.
Hierdurch soll das Vertrauen des Unternehmers gestärkt und er dazu veranlasst werden, möglichst früh einen Insolvenzantrag zu stellen.
Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens verliert der Unternehmer nicht die Kontrolle über seinen Betrieb. Er steht lediglich unter der Aufsicht von Insolvenzgericht und Sachwalter und ist für drei Monate vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt. Innerhalb der drei Monate hat der Unternehmer ein Sanierungskonzept auszuarbeiten.
Der Vorteil einer Eigenverwaltung gegenüber einem Regelinsolvenzverfahren liegt vor allem in der Außenwirkung. Denn sie ist faktisch ein Insolvenzverfahren, das aber nach außen häufig nicht als solches wahrgenommen wird, sondern als Sanierungsverfahren.

Voraussetzungen für das Schutzschirmverfahren

Die Einleitung des Schutzschirmverfahrens setzt nach § 270 b Abs. 1 InsO voraus, dass
  • der Schuldner einen Eröffnungsantrag gestellt hat,
  • drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt,
  • der Schuldner einen Antrag auf Eigenverwaltung gestellt hat,
  • die Sanierung des Schuldners nicht offensichtlich aussichtslos ist,
  • der Schuldner einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans gestellt hat und
  • die Vorlage einer Bescheinigung eines Krisen- und Sanierungsberaters, siehe nächster Punkt.
  • Die Zahlungsunfähigkeit darf also noch nicht eingetreten sein, wenn das Schutzschirmverfahren beantragt wird.

Bescheinigung

Voraussetzung für das Schutzschirmverfahren ist ferner, dass mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines Krisen- und Sanierungsberaters, also eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorgelegt wird. Diese Bescheinigung muss den Inhalt haben, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Der Aussteller dieser Bescheinigung muss eine andere Person als der einzusetzende Sachwalter sein.

Insolvenzantrag

Antragsteller eines Schutzschirmverfahrens kann nur der Unternehmer selbst sein. Der Unternehmer hat zu beantragen, dass die Eigenverwaltung angeordnet wird. Ebenso hat der Unternehmer zu beantragen, dass er im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens berechtigt ist, das Unternehmen bis zur Eröffnung des Verfahrens in Eigenverwaltung zu führen. Schließlich hat der Unternehmer zu beantragen, dass er innerhalb einer Maximalfrist von 3 Monaten einen Insolvenzplan vorzulegen hat.
Sofern gegen den Unternehmer bereits vollstreckt wird, kann dieser beantragen, dass die Vollstreckungsmaßnahmen eingestellt werden
Ferner hat der Unternehmer seinem Antrag generell ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Hat der Unternehmer seinen Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt, soll er die Gläubiger mit den
  • höchsten Forderungen (Nr. 1),
  • die höchsten gesicherten Forderungen (Nr. 2),
  • die Forderungen der Finanzverwaltung (Nr. 3),
  • die Forderungen der Sozialversicherungsträger (Nr. 4)
  • sowie die Verbindlichkeiten aus betrieblicher Altersversorgung (Nr. 5)
besonders kenntlich machen.
Ebenso hat der Unternehmer bezogen auf das letzte Wirtschaftsjahr auch Angaben
  • zur Bilanzsumme
  • zu den Umsatzerlösen
  • zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer
zu machen.

Vorteile des Schutzschirmverfahrens

Der Vorteil des Schutzschirmverfahrens für das Unternehmen besteht darin, dass kein Kontrollverlust eintritt. Die vollständige Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt beim Unternehmen. Auch die Vertragsbeziehungen des Unternehmers bleiben bestehen. Die Interessen der Gläubiger werden dadurch geschützt, dass das Unternehmen unter die Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters gestellt wird. Dieser tritt während des vorläufigen Verfahrens in der Regel nicht nach außen gegenüber den Vertragspartnern auf. Die Aufgaben und Kompetenzen beschränken sich auf eine interne Kontrolle, beispielsweise die Überwachung der Liquiditätsplanung oder die Überwachung der Bestellvorgänge.
Im Rahmen des Schutzschirmverfahrens gelten noch weitere Privilegierungen:
Für die Dauer von bis zu drei Monaten besteht die Möglichkeit, Löhne und Gehälter aus den Mitteln des Insolvenzgelds zu finanzieren. Die ab Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung abgeführte Umsatzsteuer kann nach Eröffnung des Verfahrens nach derzeitiger Rechtsprechung des BGH im Wege der Insolvenzanfechtung „zurückgeholt“ werden. Die erhebliche zusätzliche Liquidität kann so für die eigentliche Sanierung eingesetzt werden. Das Unternehmen kann sich im eröffneten Verfahren von ungünstigen, auch langfristigen Verträgen durch einfache Erklärung trennen. Von Vorteil sind insbesondere die verkürzten Kündigungsfristen im Miet- und Arbeitsrecht.
Um die hohen gesetzlichen Anforderungen an einen zulässigen und begründeten Insolvenzantrag zu erfüllen, sollte ein insolvenzerfahrener Berater die Vorbereitung und Durchführung begleiten.
Dieses Merkblatt soll nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: 2022