Nachhaltigkeit

Arbeitsgruppe Klimawandel - Einblick in den IHK-Maschinenraum

Es ist davon auszugehen, dass die Politik das Ziel Klima-Neutralität auf Teufel komm raus über Steuern sowie Gebote und Verbote durchsetzt. Unabhängig davon: Welche Risiken, aber auch welche Chancen bringt der Klimawandel für die regionale Wirtschaft? Dazu hat sich die „Arbeitsgruppe Klimaschutz“ der IHKs in Fulda und Hanau schlau gemacht. Entstanden ist am Ende ein Klimaschutz-Leitfaden. Doch viele Unternehmen im Main-Kinzig-Kreis sind in puncto Klimaschutz schon längst aktiv geworden, wie drei Beispiele aus der Industrie zeigen.

Streuobst für den Klimaschutz

„Einer muss vorweg gehen“: Das ist das Motto von Unternehmer Thomas Ludwig Jeckel aus Jossgrund. Mit seiner mittelständischen Firma, der ITS GmbH (International Technology Services), fertigt er seit inzwischen mehr als 40 Jahren Dichtungen und Steckscheiben an. Zu den Kunden zählen BASF, Bayer und zahlreiche Raffinerien weltweit. Seinen Blick richtet der Geschäftsführer aber auch Richtung Zukunft, die angesichts des Klimawandels globale Herausforderungen bereithält. 
Erster Schritt war eine Photovoltaikanlage auf dem Firmendach, jetzt wird der Chef noch kreativer: „Imker vor Ort haben erzählt, dass ihre Bienenvölker große Probleme bei der Nahrungssuche haben.“ In ihm sei deshalb die Idee gereift, eine Streuobstwiese anzulegen. „Hinter unserem Firmengebäude liegen die Auwiesen, der perfekte Ort dafür.“ Dort sollen zu Beginn vor allem Äpfel wachsen, später dann weitere Obstsorten dazukommen.
Im Herbst eigenen Apfelsaft zu keltern, der ohne Zusätze ist, das sei doch super, ist Jeckel überzeugt. Gleichzeitig hat er ein Projekt für seinen Ruhestand. Auch die benachbarten Imker dürften sich über das Vorhaben des Unternehmers freuen: „Die Bienen haben dann ein tolles Angebot direkt vor der Tür ihres Stocks“, so der Jossgründer Unternehmer.
Gestartet wird das neue Projekt mit 20 Bäumen, so viele wurden von 100 ursprünglich geplanten bisher genehmigt. Bei den Behörden sei seine Idee anfangs nicht so gut angekommen. „Mir wurde gesagt, dass sich bei Hochwasser Treibgut in den Ästen der Obstbäume festsetzen könnte, sodass sich das Wasser dann weiter staue. Aber wir sind hier jetzt ja nicht im Ahrtal.“ Außerdem stehen die Bäume später in einiger Entfernung zur Jossa.
Noch in diesem Jahr werden die ersten Bäume gepflanzt – die erste Ernte dauert aber noch. Verantwortlich für die fachgerechte Pflege oder den nötigen Baumschnitt soll wiederum ein Obst- und Gartenbauverein sein, der sich neu gegründet hat und dem Thomas Ludwig Jeckel natürlich ebenfalls angehört. „Wir hoffen, in Zukunft auch jüngere Leute für das Projekt Streuobstwiese gewinnen zu können.“ Gemeinsam frisches Obst ernten und dieses im Anschluss zu Marmelade, Saft oder Kuchen zu verarbeiten, dafür können sich laut Jeckel auch schon Kinder und Jugendliche begeistern – und damit auch für den Klimaschutz im Kleinen.

Klima-Ideen auf Wiedervorlage

Die Möbelfabrik Fr. Rudolf & Sohn mit Sitz in Schlüchtern sammelt schon seit längerem Umweltzeichen. 2016 tritt das Unternehmen als eines der ersten der Branche dem von der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel (DGM) ins Leben gerufenen „Klimapakt für die Möbelindustrie“ bei. Noch im selben Jahr erhält es die Auszeichnung als „klimaneutraler Hersteller“. „Aber das war nur der erste Schritt“, sagt Geschäftsführer Karl Friedrich Rudolf. Es ging darum, den CO2-Ausstoß des Unternehmens zu senken. Mit Gold-Standard-Zertifikaten wurde der Klima-Fußabdruck der Fabrik auf null gesetzt. 
Viele weitere Umweltzeichen sind inzwischen dazu gekommen, unter anderem „Der blaue Engel“. Außerdem bezieht das Unternehmen Grünstrom, es hat 2010 eine ölfreie Heizung eingebaut sowie eine erste große Photovoltaikanlage auf dem Dach installiert, 2017 / 18 gab es einen Austausch aller Lampen auf LED und 2019 stellte der studierte Holz- und Wirtschaftsingenieur auch auf eine effizientere und nachhaltigere Pumpentechnik um.
„Teilweise haben wir natürlich Förderungen dafür bekommen“, sagt er. „Aber deswegen habe ich das nicht gemacht, sondern aus Überzeugung und weil es mir Spaß macht, mich damit zu beschäftigen.“ Davon profitieren auch seine 120 Mitarbeiter. Für sie bietet der Geschäftsführer ein Elektrofahrrad-Leasing an – 30 Prozent machen inzwischen mit. Auch die Stadt Schlüchtern hat Vorteile: So wird das Freibad seit einigen Jahren über eine Fernleitung mit überschüssiger Wärme beheizt, die bei der Produktion in der Möbel-Fabrik anfällt. Auch den Klimapakt für die Stadt hat er mit angeregt.
Manche Sachen würde er heute aber wohl anders angehen. „2010 haben wir das Dach gedämmt. Da ist die Frage inzwischen natürlich, wie nachhaltig ist es, 10.000 qm Fläche mit Styropor zu bedecken – vor allem mit Blick auf Produktion und Entsorgung.“
Außerdem gebe es rasante technische Entwicklungen, wenn es um Nachhaltigkeit gehe. Er legt sich Ideen deshalb regelmäßig auf Wiedervorlage, um sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut damit zu beschäftigen. Denn seine Erfahrung hat gezeigt: „Man sollte nur dann etwas machen, wenn es sich rechnet. Wir müssen schließlich immer noch wirtschaftlich handeln – und es muss bezahlbar sein.“

Regionalität im Fokus

Gegründet 1914 steht das Unternehmen Karl Eidmann in Bruchköbel inzwischen seit vielen Jahren für Nachhaltigkeit. Schon 2011 richtete die Geschäftsführung des Industriebetriebs aus der fleischverarbeitenden Branche ein Energiemanagement ein, auch ein neuer Dampfkessel wurde angeschafft. „Die Förderungen waren gut, um sich strukturiert mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Geschäftsführer Carsten Koch. Es folgten ein Austausch der Beleuchtung auf LED und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach – alles, was durch diese an Strom produziert wird, verbraucht das Unternehmen direkt wieder. Vor der Tür stehen vier vollelektrische Autos und ein Hybridwagen, zwei weitere kommen demnächst dazu. „Das sind alles Sachen, die jedes Unternehmen für den Klimaschutz machen kann“, ist Koch überzeugt.
Seit 2013 hat man sich bei Karl Eidmann zudem den Themen Bio und Nachhaltigkeit verschrieben: Das Fleisch stammt aus artgerechter Haltung und der Region, teilweise ist es sogar Bio zertifiziert. Das bedeute auch, es möglichst nah zu verarbeiten, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz aber immer im Blick zu behalten. 
Das Geschäft mit Bio- und nachhaltigen Produkten ist vor allem in der Corona-Pandemie aufgeblüht. „Die Leute haben mehr zuhause gekocht und sich intensiver mit ihrer Ernährung beschäftigt“, sagt der Geschäftsführer, der sowohl eine Fleischerausbildung als auch ein kaufmännisches Studium absolviert hat. „Der Trend war vorher schon da, hat aber nochmal zugenommen“, so Koch. Inzwischen gehe das Wachstum jedoch wieder ein bisschen zurück. 
Doch das Unternehmen mit rund 140 Mitarbeitern hat weitere Pläne, unter anderem Investitionen in ein Blockheizkraftwerk oder zur Wärmerückgewinnung. „Da überlegen wir, wo sie womöglich einsetzbar wäre“, sagt der Geschäftsführer. Auch Kälteaggregate sind im Gespräch. „Da geht es noch darum, was wir machen könnten und wie groß der Aufwand ist. Außerdem muss es dann eine Versorgungssicherheit für die entsprechenden Kältemittel geben.“
Investitionen in Nachhaltigkeit, Bio und Klimaschutz haben über die Jahre auch Kosten verursacht, „aber Energie hat schon immer Geld gekostet. Unterm Strich haben wir dennoch keinen unserer Schritte bereut“, sagt Carsten Koch.