E-Commerce

Multichannel im Handel

Der Multichannel-Vertrieb im Einzelhandel ist heute nicht mehr wegzudenken. In den vergangenen Jahren haben die Händler in vielen Ländern ihre Produktkategorien und den Multichannel-Ansatz verbessert, sodass Kunden Produkte heute weitgehend kanalübergreifend recherchieren, vergleichen, kaufen und zurückgeben können.
Die deutschen Einzelhändler hinken bei dieser Entwicklung jedoch noch hinterher. Selbst die deutschen Einzelhändler, die Multichannel-Optionen bieten, schaffen es häufig noch nicht, diese kanalübergreifend zu integrieren. So können viele Händler beispielsweise keine Auskunft zum Warenbestand in Online- und Offlineläden in Echtzeit geben. In diesem Merkblatt wird es um die Anfänge und Inhalte vom Multichannel-Vertrieb gehen und welche Faktoren hierbei besonders beachtet werden müssen.

Handel: Online versus Offline

Der Online-Handel ist weiter auf dem Vormarsch und gewinnt einen immer höheren Marktanteil im Handel. Produkte wie Möbel und Schuhe, bilden heute Hauptumsatzzweige im E-Commerce und stellen diverse stationäre Händler vor Problemen wie Retouren oder Logistik. Aus diesem Grund gilt es jetzt umso stärker die Kunden auf allen Kanälen –Multiichannel- anzusprechen und „abzuholen“. Der Begriff Online und Offline sollte nicht mehr in zwei Geschäftsmodelle gedacht werden, sondern als einheitliches Geschäftsstrategie entwickelt und ausgeführt werden. Es geht hierbei aber schon längst nicht mehr über die Fließrichtung von Offline hin zum Online-Konzept, sondern auch in die entgegengesetzte Richtung. Viele Online-Händler haben es bereits vorgemacht und sich auch stationär niedergelassen, um auf alle Kundenbedürfnisse einzugehen. Aus diesem Grund werden nun beide Vertriebswege beleuchtet und auch die rechtlichen Aspekte integriert.
Das Gewährleistungsrecht gilt natürlich für alle Produkte unabhängig von der jeweiligen Vertriebsform. Ein Hauptunterschiedsmerkmal findet sich im sogenannten Widerrufsrecht. Kauft der Kunde beispielsweise im stationären Einzelhandel ein Produkt, kann dieser sich nicht mehr vom geschlossenen Kaufvertrag lösen. D.h. gefällt dem Kunden die Ware nicht mehr oder stellt er Zuhause fest, dass das Produkt nicht mehr benötigt wird, so hat der Kunde in diesem Falle kein Widerrufsrecht und kann die Ware weder zurückgeben noch umtauschen. Viele Händler bieten mittlerweile einen Umtausch oder die Rückgabe innerhalb einer bestimmten Frist an, allerdings führt dies auf die Kulanz des Händlers zurück und der Kunde kann sich darauf nicht berufen.
Entgegengesetzt dazu findet sich im reinen E-Commerce im sog. „Fernabsatz“ eine andere Regelung. Dem Kunden steht bei Fernabsatzverträgen (z.B. Kauf auf einer Online-Plattform oder Shop) ein Widerrufsrecht zu. Der Grund hierfür ist, dass der Käufer im Internet die Ware nicht anfassen oder anprobieren kann und somit durch das Recht geschützt werden soll.
Definition Fernabsatzverträge:
Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden[…]. Fernkommunikationsmittel sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.
Durch den Multichannel-Vertrieb verschwinden zunehmend die Grenzen zwischen Online und Offline. Dies hat zur Folge, dass auch eine klare rechtliche Abgrenzung komplizierter wird. So besteht in vielen Handelsunternehmen bereits die Möglichkeit Produkte stationär einzukaufen oder über einen Online-Shop bequem nach Haus zu bestellen. Darüber hinaus bieten immer mehr Handelsunternehmen durch Tablets oder andere Terminals Ware direkt im Geschäft zu bestellen, wenn diese beispielsweise derzeit nicht verfügbar ist. Diese  Waren können dann direkt nach Hause geliefert oder im Geschäft vor Ort abgeholt werden (Click and Collect). Hierbei ist die rechtliche Lage nicht mehr so eindeutig. Hat der Kunde ein Widerrufsrecht, wenn er im stationären Geschäft über ein Online-Tool bestellt? Der Käufer befindet sich  zum Zeitpunkt der Bestellung in den Räumlichkeiten des Unternehmens.
Nutzt der Kunde die Bestellung per Tablet oder Online-Terminal o.ä. direkt im Shop, könne man davon ausgehen; dass zumindest was die Rechtsfolgen angeht, ein Anspruch auf das Widerrufsrecht besteht. Grund hierfür ist, dass die Bestellsituation in den meisten Fällen die gleiche ist, wie beim Einkauf im Online- Shop vom heimischen PC aus und die Ware nicht vorher ausprobiert oder getestet werden kann. Aus diesem Grund empfiehlt es sich sowohl Mitarbeiter als auch Kunden über das Recht auf Widerruf aufzuklären und Informationen auszuhängen.

Umsetzung des Multichannel-Konzepts

Um seine Geschäftsmodell an die neuen Anforderungen anzupassen, bedarf es einer ganzheitlichen Strategie, in der nicht nur einzelne Aspekte weiter ausgebaut werden. Multichannel bedeutet den durchaus komplexen Ausbau eines Vertriebskonzepts, welches auf verschiedenen Ebenen – wie beispielsweise Lieferprozess, Bestelloption, Bezahlmöglichkeiten, Service oder Design – umgesetzt und angewendet wird. Vor allem nimmt hierbei der Wiederkennungswert eine übergeordnete Rolle ein. Beim Vertrieb über mehrere Kanäle sollte sich ein einheitliche Design (Corporate Design) etablieren. Dadurch erkennt der Kunde jederzeit ob Mobil, am PC oder im Geschäft die Möglichkeit auf allen Kanälen seinen Einkauf durchzuführen. Gleichwohl stärkt es das Markenbewusstsein des Kunden und lässt sich somit Marketingseitig sehr gut ausspielen.
Ein weiterer Grundpfeiler bei der Multichannel-Strategie bildet die Produktverfügbarkeit in Echtzeit. Der Verbraucher kann sich dadurch einen Überblick verschaffen, ob das gewünschte Produkt auf Lager ist und er Online die Ware zugeschickt bekommen oder stationär im Geschäft abholen möchte. Auch auf der Seite des Unternehmens hat eine Echtzeit Verfügbarkeitsanzeige ein positiven Effekt auf die Zeit für eine Kaufentscheidung des Kunden, da beispielsweise eine niedrige Bestandsmenge den Druck erhöht. Die Integration der Warenverfügbarkeit legt die Grundlage für die Einführung von Click & Collect, also einen gewünschten Artikel online zu bestellen und in der jeweiligen Filiale abzuholen. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt auf Seiten des Kunden in der Einsparung möglicher Versandkosten, Lieferzeiten und das vorherige Prüfen und Anprobieren der Ware. Aber auch Handelsunternehmen können hierbei profitieren, da die Kunden vor Ort möglicherweise weitere Produkte einkaufen und so das Cross-Sale Potenzial erhöht wird. Allerdings kann hierbei auch die umgekehrte Ausgangsrichtung des „Click & Collect – Verfahrens“ genutzt werden. Gemeint ist, dass die Kunden eine Möglichkeit bekommen, die Vorteile eines stationären Geschäfts zu nutzen, um diese mit den digitalen Möglichkeiten wie zum Beispiel eine direkte Lieferung und Online-Bezahlung zu verknüpfen. So können Kunden gewonnen werden, die möglicherweise nur Online gekauft hätten.
Infografik: Was Kunden gut finden und was Händler anbieten | Statista Statista

Das Warenwirtschaftssystem als Basis für den Multichannel-Vertrieb

Werden diverse Verkaufskanäle angeboten und genutzt wie zum Beispiel online und stationär, dann ist ein funktionierendes Warenwirtschaftssystem unabdingbar, um diese Verkaufswege miteinander zu koppeln. Das System muss sicherstellen, dass auch wirklich alle verfügbaren Produkte zum Kauf angeboten und keine Waren doppelt verkauft werden. Hinzu kommt eine problemlose Abwicklung des Bestellvorgangs, so dass eine zeitgenaue Datenerfassung und Produktaktualisierung erfolgt. Dies vereinfacht auch die logistische Handhabung mit Bestellungen, wenn beispielsweise Kunden automatisch Bestellbestätigungen erhalten und eine Information über den Versandstatus des Artikels. Dies System sollte dann mit den Bezahlmöglichkeiten interagieren und über den jeweiligen Bezahlstatus informieren. Diese und viele weitere Möglichkeiten und Features bieten moderne Bestellabwicklungs-Tools, daher wird es umso wichtiger ein geeignetes System für sein Geschäftsmodell zu suchen oder zu konzipieren und dieses in sein bestehendes Warenwirtschaftskonzept zu implementieren.

Multichannel versus Omnichannel?

Die Verschmelzung von Online-Handel und Einzelhandel schreitet weiter voran und dient in vielen Fällen als „Antriebsmotor“ für die betriebliche Weiterentwicklung. Die verschiedenen Kanäle sprechen unterschiedliche Zielgruppen an, wodurch neue Kundenkreise erschlossen werden können und eine höhere Marktabdeckung erfolgt. Durch die Erschließung weiterer Vertriebswege kann auch das Risiko gestreut werden, da der Verkauf nicht nur auf einem Kanal basiert. Ein weiterer Vorteil liegt in der Senkung von Vertriebskosten beispielsweise wenn Werbekampagnen auf diversen Kanälen gleichzeitig ausgespielt werden und so andere Medienformate nicht mehr benötigt werden. Dies fördert gleichzeitig den Zugang der Kunden zu Produktinformationen auf diversen Kanälen (Preise, Produktdetails oder Versandoptionen.)
Die Konzepte “Omnichannel” und “Multichannel” sind keine Gegensätze, sondern unterschiedliche Entwicklungsstufen des Handels. Omnichannel ist eine Weiterentwicklung des Multichannels, einer auf mehreren Kanälen (z.B. zusätzlich auch auf Social Media Kanälen) basierende Commerce Strategie. Es geht nicht darum, welche oder wie viele Kanäle bedient werden, bei Omnichannel und Multichannel können es durchaus die gleichen sein. Entscheidender ist hier die Art und Weise, wie die einzelnen Kanäle miteinander verknüpft sind und welche Vorteile dadurch für die Kunden entstehen. Die Grenzen zwischen Online- und Offline-Handel werde zunehmend aufgelöst. Der Kunde wird durch soziale Medien, Google-Einträge oder Sprachassistenten auf bestimmte Geschäfte aufmerksam. Es muss somit das Ziel für ein Unternehmen sein auf allen Plattformen und neuen Technologien sichtbar zu sein und seine Produkte oder Dienstleistung anzubieten.

Empfehlungen zur Umsetzung

  • In IT-Systeme und Lieferketten investieren und das Betriebsmodell so anpassen, dass es Online- und Offlinegeschäft vollumfänglich integriert.
  • Die mobile Präsenz stärken: Sie ist das Verbindungsstück zwischen online und offline.
  • Die optimale Rolle des physischen Ladens im Einkaufsprozess klar definieren. Denn der physische Laden bleibt wichtig, dort findet noch immer der größte Teil der Gesamtverkäufe statt.