Recht und Steuern

A4a Nr.50

A4a Nr.50
Art. 4 Abs. 1 a + b, Art. 5 Abs. 1 e UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 (UNÜ), §§ 1061 - 1065 ZPO Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Antragsvoraussetzungen. Aufhebung des Schiedsspruchs, Aufhebung der Aufhebung im Ursprungsstaat. Neue Tatsachen und Entscheidungen im Rechtsbeschwerdeverfahren
Gemäß Art. 4 Abs. 1 a UNÜ hat die Partei, welche die Anerkennung und Voll­streckung eines ausländischen Schiedsspruchs nachsucht, mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Überein­stimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsmäßig beglaubigt ist, vorzulegen. Die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs gefertigten Abschrift genügt diesen Voraussetzungen, wenn die Existenz und die Authentizität des Schieds­spruchs unstreitig sind.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 b + Abs. 2 UNÜ hat die nachsuchende Partei ferner die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsmäßig beglaubigt ist, nebst Übersetzung vorzulegen. Von dem Erfordernis des Art. 4 Abs. 1 b UNÜ kann Abstand genommen werden, wenn der behauptete Inhalt der Schiedsvereinbarung unstreitig ist.
Ein ausländischer Schiedsspruch darf gemäß Art. 5 Abs. 1 e UNÜ nicht voll­streck­bar erklärt werden, wenn er vom zuständigen Gericht des Ursprungs­staats aufgehoben worden ist.
Ergeht nach der Entscheidung des deutschen Gerichts, die die Voll­streck­bar­erklärung deshalb versagt, eine Entscheidung des Gerichts im Ursprungsstaat, die die Aufhebung des Schiedsspruchs ihrerseits aufhebt, so darf diese auch im Rechts­beschwerde­verfahren gegen die Entscheidung des deutschen Gerichts berücksichtigt, und der Schieds­spruch darf für vollstreckbar erklärt werden. Das Verbot, neue Tatsachen in das Revisions- und Rechts­beschwerde­verfahren einzuführen, steht dem nicht entgegen. Es gilt nicht für Tatsachen, die die prozessuale Rechtslage erst während dieses Verfahrens verändern, und für Entscheidungen, die eine Frage rechtskräftig klären, von deren Beantwortung das Ergebnis des zur Beurteilung anstehenden Rechtsstreits abhängt.
BGH Beschluss vom 22.2.2001 - III ZB 71/99; NJW 2001, 1730; MDR 2000, 645 = RKS A 4 a Nr. 50
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin erwirkte vor dem vereinbarten Schiedsgericht der Schiedskommission für Schifffahrtsfragen bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation in M. einen Schiedsspruch, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung von 1.171.192 Rubel u.a. für Instandsetzungsarbeiten an ihrem Motorschiff verurteilt wurde. Die Ag. erwirkte einen Gerichtsbescheid des Städtischen Gerichts in M., der den Schiedsspruch aufhob. Das Gerichtskollegium für Zivilsachen des Obersten Gerichts der Russischen Föderation bestätigte diese Entscheidung. Das OLG Rostock versagte deshalb die Anerkennung mit Beschluss vom 28.10.1999 (RKS A 4 a Nr. 45). Am 24.11.1999 - also nach der Entscheidung des OLG - hob der Vorstand des Obersten Gerichts der Russischen Föderation die Bescheide des Städtischen Gerichts M. und des Gerichts­kollegiums auf und verwies die Sache zurück an das Städtische Gericht M. Dieses wies den Aufhebungsantrag der Ag. durch Beschluss vom 20.3.2000 zurück.
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde der Ast. ist begründet. Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs der Schiedskommission für Schifffahrtsfragen bei der IHK der Russischen Föderation in M. richtet sich nach dem UNÜ. § 1061 Abs. 1 S. 1 ZPO verweist auf das UNÜ , weil es um die Vollstreckung eines ausländischen Schieds­spruchs geht; der maßgebliche Schiedsort war M./Russ. Föderation.
Das OLG hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Vorlageerfordernisse des Art. 4 UNÜ erfüllt sind.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 a UNÜ hat die Partei, die um Anerkennung und Vollstreckung nachsucht, zugleich mit ihrem Antrag die gehörig legalisierte (beglaubigte) Urschrift des ausländischen Schiedsspruchs oder eine Abschrift, deren Über­ein­stimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsmäßig beglaubigt ist, vorzulegen. Die Ast. hat jedoch eine Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt, die nicht von einer gehörig legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs genommen worden ist. Denn notariell beglaubigt ist nur die Über­ein­stimmung der Abschrift mit der Urschrift des Schiedsspruchs, nicht die Echtheit der Unterschriften der Schiedsrichter. Diesen Legalisationsmangel hat das OLG indes zu Recht für unbeachtlich gehalten. Die Vorlage einer beglaubigten, wenn auch nicht von einer legalisierten Urschrift des Schiedsspruchs gefertigten Abschrift kann hier als den Antragsvoraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 a UNÜ genügend angesehen werden. Denn die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs ist unstreitig (Senat, NJW 2000, 3650 [3651] = RKS A 4 a Nr. 51).
Gemäß Art. 4 Abs. 1 b UNÜ hat die um Anerkennung und Vollstreckung nachsuchende Partei ferner die Urschrift der Schiedsvereinbarung oder eine Abschrift, deren Übereinstimmung mit einer solchen Urschrift ordnungsmäßig beglaubigt ist - nebst Übersetzung (Abs. 2) - vorzulegen. Das hat die Ast. nicht getan. In Anknüpfung an den o.g. Senatsbeschluss zu Art. 4 Abs. 1 a UNÜ und Stein/Jonas/Schlosser (ZPO 21. Aufl. [1994], Anh. zu § 1044 Rd-Nr. 52) kann von dem Vorlageerfordernis des Art. 4 Abs. 1 b UNÜ aber Abstand genommen werden, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Gegner den behaupteten Inhalt der Schiedsvereinbarung nicht bestreitet. Das OLG hat als unstreitig festgestellt, dass die Parteien in ihrem Vertrag vom 12.5.1997 als Schiedsgericht für die Klärung von Streitigkeiten die Schiedskommission für Schifffahrtsfragen bei der IHK der Stadt M. vereinbart haben.
Der von dem OLG angenommene Versagungsgrund des Art. 5 Abs. 1 e UNÜ ist nach dem für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde maßgeblichen Sachstand nicht mehr gegeben. Art. 5 Abs. 1 e UNÜ lautet, soweit hier maßgeblich: „Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs darf auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, nur versagt werden, wenn diese Partei .... den Beweis erbringt..., dass der Schiedsspruch für die Parteien noch nicht verbindlich geworden ist oder dass er von einer zuständigen Behörde des Landes, in dem oder nach dessen Recht er ergangen ist, aufgehoben ... worden ist.”
Dieser Versagungsgrund greift nicht durch, weil inzwischen feststeht, dass der Schieds­spruch für die Parteien verbindlich und nicht aufgehoben worden ist. Es ist nicht ersichtlich, dass er bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz oder mit einem Rechts­mittel bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte (vgl. Senat, NJW 1988, 3090 [3091]= LM UNÜ). Das von der Ag. bei dem Städtischen Gericht M. ein­ge­reichte Gesuch um Aufhebung des Schiedsspruchs ist - was das OLG noch nicht hat berücksichtigen können - inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden; die dem Gesuch stattgebenden Instanzentscheidungen sind durch Rechtsspruch des Vorstands des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 24.11.1999 aufgehoben worden. Die Ast. hat im Verfahren der Rechtsbeschwerde einen - mit der Apostille nach dem Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 5.10.1961 (BGBl. II 1965,875) versehenen - Abdruck der verfahrensabschließenden Entscheidung des Obersten Gerichts der Russischen Föderation vom 21.4.2000 vorgelegt.
§ 1065 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 561 ZPO verbietet allerdings die Einführung neuer Tatsachen im Verfahren der Rechtsbeschwerde. Wie im Revisionsrechtszug erfährt dieser Grund­satz aber eine Ausnahme bei Tatsachen, die die prozessuale Rechtslage erst während des Verfahrens der Rechtsbeschwerde verändern (vgl. BGH DtZ 1995, 402 = LM H 2/1996 DDR- UnternehmensG Nr. 2 = WM 1995, 1806 [1807]oder vom Gericht der Rechtsbeschwerde von Amts wegen zu berücksichtigen sind (vgl. Senat, LM § 839 [G]BGB Nr. 16 = VersR 1984, 77 [78], und BGH LM § 638 RVO Nr. 3 = VersR 1980, 822). Darüber hinaus können Entscheidungen Berücksichtigung finden, die eine vorgreifliche Frage rechtskräftig klären, von deren Beantwortung das Ergebnis des zur Beurteilung stehenden Rechtsstreits abhängt (vgl. BGH LM § 638 RVO Nr. 3 = VersR 1980, 822 und NJW-RR 1989, 173 = LM § 387 BGB Nr. 82 = BGHR ZPO § 561 I 1 Durchbrechung 2; BGHR ZPO § 561 I 1 Durchbrechung 4). Im Streitfall ist eine vergleichbare Abhängigkeit des Vollstreckbarerklärungsverfahrens von der Entscheidung im Erlassstaat über die Verbindlichkeit oder Aufhebung des Schiedsspruchs gegeben. Ist der Schiedsspruch im Erlass­staat noch nicht verbindlich oder ist er aufgehoben worden, dann ist ihm die Anerkennung im Vollstreckungsstaat zu versagen (Art. 5 Abs. 1 e UNÜ); ist im Erlassstaat ein Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt, kann das Aner­kennungs­verfahren ausgesetzt werden (Art. 6 Halbs. 1 UNÜ).
Versagungsgründe außerhalb des Art. 5 Abs. 1 e UNÜ werden nicht geltend gemacht und sind auch sonst nicht ersichtlich, so dass der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären ist. .